Herr Spiegel, 21.388 Kilometer liegen hinter Ihnen, was war die größte Herausforderung?

Das war sicherlich der Dempster-Highway von Dawson City bis zum Nordpolarmeer nach Tuktoyaktuk. Nachts hat es geregnet und so wurde die unbefestigte Strecke teilweise zu einer Schlammpiste. Diese 1700 Kilometer waren nicht einfach. Ich habe sie dennoch unfallfrei gemeistert.

Sie waren in Neufundland, am Nordpolarmeer und in Alaska. Wo war es am schönsten?

Das ist unmöglich zu sagen. In Neufundland habe ich Eisberge und Wale gesehen, am Nordpolarmeer Mücken ohne Ende und in Alaska eine Landschaft, die mich an Norwegen erinnerte und jede Menge Tiere wie Karibus, Elche, Schwarz- und Braunbären.

Ein Schild weist darauf hin: Charlie Spiegel hat den Yukon erreicht.
Ein Schild weist darauf hin: Charlie Spiegel hat den Yukon erreicht. | Bild: Charlie Spiegel

Zum Auftakt fuhren Sie von Montreal nach Osten nach Neufundland. Was ist Ihnen hier in Erinnerung geblieben?

Vor allem die Freundlichkeit der Menschen. Es war wirklich bemerkenswert. Wenn man mal stehen blieb, um nach dem Weg zu schauen, hielt sofort ein Autofahrer an und bot Hilfe an. Außerdem haben wir 20 oder 30 Wale gesehen. Auch die Eisberge waren eindrucksvoll, doch der Klimawandel war klar zu sehen: Sie werden immer kleiner.

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Dann ging es nach Westen in Richtung Rocky Mountains…

Das war ein langer, ein richtig langer Weg. Ich bin durch eine schier endlose Weite gefahren. Gerade Ontario war unglaublich. Da passiert man das Schild des Staates, fährt drei Tage lang nach Westen und ist immer noch in Ontario. Dann kommen aber erst noch Manitoba und Saskatchewan vor den Bergen.

Wie ist es in diesen Staaten?

Es gibt dort ebenfalls unglaubliches Flachland. Allerdings befinden sich dort erstaunlich viel Erdöl- und Gasindustrie. Das hat mich etwas überrascht. Und die Lkws fahren dort schneller als die Autos und Motorräder. (lacht)

Auch in Dawson City, der Goldgräberstadt am Yukon, machte Spiegel Station.
Auch in Dawson City, der Goldgräberstadt am Yukon, machte Spiegel Station. | Bild: Charlie Spiegel

Dann kamen Sie in die Goldgräberstadt Dawson City.

So ist es. Über Alberta und den Yukon landete ich in Dawson City. Dort habe ich sogar selbst versucht, Gold zu schürfen. Es war interessant, aber durchaus ein Knochenjob. Da fuhr ich dann lieber weiter.

In welche Richtung?

Dann ging es nach Norden in Richtung Nordpolarmeer über den Dempster Highway, der erst seit vergangenen November ganzjährig zu befahren ist. Dementsprechend unbefestigt war es auch. Diese Straße war eher eine 800 Kilometer lange Schlammpiste. Es war nicht einfach zu fahren.

Haben Sie jemanden getroffen?

Ich habe tatsächlich etwa zehn Motorradfahrer getroffen. Drei Inder waren echt der Hammer. Die waren mit ihre 125er Maschinen ohne Stollenreifen unterwegs und sagten mir, dass sie noch bis Mexiko fahren wollen.

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Gibt es dort nicht viele Mücken?

Ganz ehrlich: Auf dem Weg nach Tuktoyaktuk gab es tatsächlich kaum welche. Dafür dort umso mehr. Es waren regelrechte Mückenschwärme, die wie Vorhänge gewirkt haben.

Wie ist das Leben dort?

Es gibt eine erstaunlich gute Infrastruktur. Eine hochinteressante Stadt ist Inuvik. Dort gibt es quasi moderne Pfahlbauten. Hier herrscht Permafrost und alle Gebäude sind auf Pfählen gebaut.

Eine echte Herausforderung für Motorradfahrer ist die legendäre Schotterpiste des Dempster-Highways.
Eine echte Herausforderung für Motorradfahrer ist die legendäre Schotterpiste des Dempster-Highways. | Bild: Charlie Spiegel

Sind Sie den Dempster-Highway dann wieder zurückgefahren?

Genau. Danach ging es nach Alaska in Richtung Denali Nationalpark rund um den Mount McKinley.

Wie war es dort?

Es war irgendwie wie in Norwegen. Leider wird der Massentourismus immer stärker dort. Trotzdem habe ich noch viele Tiere gesehen.

Eine Braunbärin auf der Suche nach Lachsen in Alaska.
Eine Braunbärin auf der Suche nach Lachsen in Alaska. | Bild: Charlie Spiegel

Die Bären, von denen Sie schon redeten?

Unter anderem. Da war eine Braunbärenmutter mit ihren drei Kleinen. Ich stand auf einer Brücke und sie ging direkt unter mir durch. Es hat mich gereizt, ihr mit dem Fotoapparat nachzugehen. Ich habe mich dann aber doch für die sichere Variante entschieden und bin geblieben. (lacht)

Im Zentrum Kanadas: Charlie Spiegel Provinz Manitoba
Im Zentrum Kanadas: Charlie Spiegel Provinz Manitoba | Bild: Charlie Spiegel

Was haben Sie noch in Alaska gesehen?

Ich bin nach Süden gefahren und habe in Haines die Fähre genommen. Die nennt man Alaska Marine Highway. Damit fuhr ich nach Juneau, der Hauptstadt Alaskas, die man nur mit dem Flugzeug oder dem Schiff erreichen kann. Dann ging es weiter bis nach Prince Rupert, das schon wieder Kanada ist.

Erinnerungsfoto am Arktischen Ozean in Tuktoyaktuk.
Erinnerungsfoto am Arktischen Ozean in Tuktoyaktuk. | Bild: Charlie Spiegel

Dann waren Sie ja schon fast am Ziel in Vancouver.

Die Betonung liegt auf fast, denn als ich dort war, gab es in British Columbia etwa 500 Waldbrände. Das war ein unbeschreiblicher gelber Qualm, durch den ich mich gequält habe. Das hat gestunken und brannte extrem in den Augen.

War das nicht gefährlich?

Nein, es gab immer aktuelle Informationen, wo man fahren darf und wo nicht. Ich habe nie Flammen gesehen. Es dauerte aber 800 Kilometer und etwa eineinhalb Tage, bis ich in Whistler die Sonne wieder gesehen habe.

Eine Braunbärenmutter mit ihren Jungen begegnete Charlie Spiegel am Mount McKinley in Aaska. Der Überlinger hielt gebührenden Abstand. ...
Eine Braunbärenmutter mit ihren Jungen begegnete Charlie Spiegel am Mount McKinley in Aaska. Der Überlinger hielt gebührenden Abstand. Bild: Privat | Bild: Jäckle, Reiner

Dann waren Sie aber fast am Ziel?

Dann waren es nur noch etwas mehr als 100 Kilometer zum Flughafen.

Wie fällt Ihr Fazit aus?

Es war eine unglaublich intensive Reise. Und ich habe noch nie so viel Fish & Chips gegessen wie in diesen 77 Tagen. Bemerkenswert war, dass ich ohne Reifenwechsel durchgefahren bin. Es war eine tolle Reise und ich freue mich schon jetzt auf das nächste Abenteuer.

Fragen: Reiner Jäckle