Was sich genau in der Nacht zum 9. September des vergangenen Jahres auf dem Landungsplatz abspielte, ließ sich trotz Befragung mehrerer Zeugen im Gericht nicht gänzlich klären. Fest steht, dass zwei offensichtlich alkoholisierte Gruppen gegen drei Uhr morgens aneinandergerieten. Ein Mann zog sich eine Verletzung am Bein zu, die später im Krankenhaus behandelt wurde.
Wie es dazu kam, ob er attackiert wurde oder in Scherben fiel, ist nicht Gegenstand der Verhandlung. Vor Gericht verantworten muss sich seine damalige Lebensgefährtin. Ihr wirft die Staatsanwaltschaft versuchte, gefährliche Körperverletzung vor. Sie soll eine abgeschlagene Bierflasche als Waffe genutzt und in Richtung des Anführers der gegnerischen Gruppe gestochen haben, den sie allerdings verfehlte. Bei ihr wurde einige Stunden später ein Alkoholgehalt von 1,3 Promille im Blut gemessen.
Imponiergehabe zwischen Gruppen eskaliert
„Das war alles gänzlich anders“, sagt die beschuldigte 43-jährige Überlingerin, die sich selbst verteidigt. Sie schildert einen Abend, in dessen Verlauf sie mit ihren Begleitern, neben ihrem Lebensgefährten waren auch ihr erwachsener Sohn und seine Freundin dabei, öfter auf die andere Gruppe junger Männer traf. Aus anfänglichen Frotzeleien wären irgendwann sexistische Beleidigungen und Drohungen geworden. Daraufhin habe sich ihr Lebensgefährte das T-Shirt vom Leib gerissen und auf die Brust getrommelt – „wie ein Gorilla“ beschreibt es später ein Zeuge. Auch die Gegenseite sparte nicht mit Imponiergehabe.
Der Anführer bezeichnete sich angeblich mehrfach lautstark als „König von Überlingen“. Im Laufe der Verhandlung stellt sich heraus, dass der Mann dem Gericht gut bekannt und ein mehrfach verurteilter Gewalttäter ist.
Video belegt aufgeheizte und aggressive Stimmung
Als Beleg ihrer Version, die aussagt, dass sie nur einen winzigen Rest einer Bierflasche nach dem Mann geworfen habe, will die Angeklagte einen Videomitschnitt zeigen, den sie an dem Abend mit ihrem Handy gemacht hat. Ob das zugelassen wird, müssen Richter und Staatsanwältin erst erörtern, da das unerlaubte Filmen eine Straftat ist.
Richter von Kennel willigt schließlich ein. Die Aufnahmen zeigen nicht den entscheidenden Moment, dafür macht die Tonspur deutlich, wie aufgeheizt und aggressiv die Szene war und dass zweimal kurz hintereinander Glas zu Bruch geht.
Zeugen schildern Konflikt unterschiedlich
Zur Klärung des Falls sind insgesamt fünf Zeugen geladen. Als Erstes soll die Aussage, des von der Angeklagten bedrohten Mannes gehört werden. Aber der ist wie ein weiterer Zeuge nicht erschienen. Damit ist die erste Zeugin eine junge Frau, die als Servicekraft in einer Gaststätte am Landungsplatz arbeitet. Sie war an dem Abend auf dem Weg zum Taxi, als sie den Streit wahrnahm. Dabei habe sie im Wesentlichen aggressive Männer sowie die wild um sich schlagende Angeklagte wahrgenommen, aber nicht die versuchte schwere Körperverletzung beobachtet, die vor Gericht verhandelt wurde. Danach sagt der Taxifahrer aus, der die Polizei gerufen hatte.
Er hat den Streit von seinem Wagen aus beobachtet. Er habe gesehen, wie die 43-Jährige einer Bierflasche den Boden abschlug und Drohgebärden vollführte. Im Gegensatz zur Schilderung der Angeklagten habe er das Verhalten ihres Kontrahenten als „deeskalierend“ wahrgenommen. Als letzter Zeuge berichtet der Polizeibeamte, der in der Nacht Dienst hatte, dass sie mit zwei Streifenwagen vor Ort waren, sich die Situation bei ihrem Eintreffen aber schon beruhigt hatte. „An dem Abend konnte nicht geklärt werden, was genau passiert war“, gibt er zu Protokoll.
Richter macht ein Angebot
Auch in der Gerichtsverhandlung lässt sich das Geschehen nicht eindeutig klären. Aus diesem Grund und weil zwei Zeugen, darunter der Geschädigte, nicht erschienen sind, schlägt Alexander von Kennel die Einstellung des Verfahrens gegen Arbeitsauflagen vor. Dem will die Staatsanwältin nicht direkt folgen, da noch eine weitere Anzeige gegen die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung vorliege. Das sei Notwehr gewesen, verteidigt diese sich vor Gericht. Sie hätte sich bei einem Übergriff ihres mittlerweile ehemaligen Lebensgefährten nicht anders zu helfen gewusst und einen Schraubenzieher als Waffe genutzt. Dieser habe sie daraufhin angezeigt.
Verfahren wird gegen Auflagen eingestellt
Der Richter bleibt trotzdem bei dem Angebot der Einstellung, gegen die Auflage 80 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten, was auch die unerlaubten Videoaufnahmen einbeziehe. Als er dies mit dem Satz „Ich erwarte, dass Sie zügig arbeiten gehen“ ergänzt, erwidert die Angeklagte, sie sei krankgeschrieben und könne momentan nicht arbeiten. Das will der Richter so nicht gelten lassen und führt den eben gewonnen Eindruck ihrer körperlichen Verfassung ins Feld. Das bringt die Angeklagte in Rage, die nun deutlich die Stimme hebt. „Ich warte kein halbes Jahr. Wenn Sie sich nicht an die Auflagen halten, wird das Verfahren wieder aufgenommen“, schließt Richter von Kennel die Verhandlung.