Prall, üppig und saftig sind die "dreidimensionalen Satiren" des Bildhauers Peter Lenk, und so ist auch die Eröffnungsrede zur Ausstellung "40 Jahre Zoff und Zwinkern" in der Städtischen Galerie "Fauler Pelz" zu Lenks 70. Geburtstag. Die Laudatio hält der Musik- und Literaturwissenschaftler Helmut Weidhase. Der Wortmagier aus Konstanz, der mit seiner Sprachmacht und seinem profunden Wissen Generationen von Studenten in seinem Bann hielt, bezirzt auch das Publikum im randvollen Kursaal. Schon nach der temperamentvollen Begrüßung des 81-Jährigen, die in "Lieber Meister von Bodman, Peter Lenk" gipfelt, brandet Beifall auf.

Wortgewaltiger Laudator: Der Literaturwissenschaftler Helmut Weidhase aus Konstanz hält eine mitreißende Eröffnungsrede zur ...
Wortgewaltiger Laudator: Der Literaturwissenschaftler Helmut Weidhase aus Konstanz hält eine mitreißende Eröffnungsrede zur Lenk-Ausstellung. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Weidhase kredenzt ein rhetorisches Drei-Sterne-Menü in fünf Gängen, bestehend aus Vorspeise, Hauptgericht: "Fleischliches, nie zäh, aber nicht immer leicht verdaulich", Tischgesprächen "mit Mythen, Märchen, historischen Variationen" und einem ganz besonderen Nachtisch, einer Obstschale, die bei den Lateinern satura lanx hieß. Weidhase: "Satura verheißt ihre üppige Füllung und davon kommt das für Lenks Kunst so entscheidende Prinzip der Satire", als da sind: "genussvolle Lebenswirklichkeiten, geschmacksatte Natur- und Kunstprodukte." Aber die Schale beinhalte auch ein paar verdorbene Früchtchen sowie "saure Trauben, die für manchen akademischen Fuchs zu hoch oder zu tief hängen". Ein "hochprozentiger Nachtrunk" beschließt das Gourmet-Mahl: "Lenks erneuerte, gefeierte, gesteigerte Ästhetik der dreidimensionalen Satire, einer zeitkritisch-plastischen Attacke – wohl bekomm's."

Weidhase schickt seinem Menü quasi als Aperitif voraus, man könne über Lenks Kunst unterschiedliche Ansichten haben, "aber wer sie mutig und frei von modischer Kunstorthodoxie betrachtet, wird erkennen: Hier ist ein entschlossener Moralist am Werk", der wisse, es gebe seit der Steinzeit "nur eine effektive Moral – die doppelte." Beifall.

Als Hors d'oeuvre serviert Weidhase Happen aus Leben und Schaffen Lenks. Neben einem umfangreichen Werk sei auch "eine glückliche, dauerhafte Ehe mit Bettina und zwei Töchtern mit hoher Kunst-Profession entstanden". Erstmals sorgte Lenk 1983 mit seinen "Schwäbischen Floßfahrern" in Berlin für Aufsehen, danach mit den Mauerkiekern, die über die Mauer spickten unter dem Motto: "Wenn die Vopos lachen, schießen sie nicht." Humor gehöre zu Lenks Kunst in fast allen Facetten, gemäß dem Horaz-Vers: "Lachend die Wahrheit sagen." Weidhase: "Wir müssen viel mehr lachen und die Waffenindustrie geht flöten." Tosender Applaus vom Publikum.

Auf intensives Interesse stößt die Schau "40 Jahre Zoff und Zwinkern" anlässlich des 70. Geburtstags des Bildhauers Peter Lenk ...
Auf intensives Interesse stößt die Schau "40 Jahre Zoff und Zwinkern" anlässlich des 70. Geburtstags des Bildhauers Peter Lenk bereits am Eröffnungstag, so bei Jörg Müller, Catrina Müller und Maria Will (von links). | Bild: Sylvia Floetemeyer

Beim Fleischgang scheut sich Weidhase nicht, eine Auswahl nach dem Kriterium der aktualisierten "Leitkultur" zu treffen, die Lenk inhaltlich, stilistisch und erotisch bedienen könne. Denn wer habe die Weimarer Klassik samt antiker Anreicherung "bildmächtiger zusammengefasst in unserer Epoche als Peter Lenk in seinem Lauffener Hölderlin-Denkmal?" Weidhase weiter: "Gehört der pure Busen zur deutschen und europäischen Leitkultur? Und ob!"

Lenk sei als Frauen-Bewunderer bekannt. Aber, betont Weidhase: "Lenk ist gerecht, gegen Eva UND Adam." Seine Tischplaudereien widmet Weidhase "drei Exemplaren seiner herrlichen Frauen", der Horber Leda, der Meersburger Droste-Möwe und der Revolutionärin Emma Herwegh, die der Staatsmacht den blanken Hintern zeigt.

Zum Nachtisch serviert Weidhase die Fruchtschale, "die dreidimensionale Satire, das Kunstwerk mit Zeitbotschaft", das Lenk erneuert habe. "Satire ist, strafend oder warnend, Zeitkritik in ästhetischem Medium." Das wirklich Dreidimensionale ergebe sich aber erst durch die mitmachenden Betrachter.

Peter Lenks ästhetisch und handwerklich meisterhaft geformtes Werk sei nicht den "egozentrischen Kunstmoden der Zeit verpflichtet" und weise über die Gegenwart hinaus. Weidhases Wunsch zum 70. Geburtstag: "Weiter so für Jahrzehnte!"

Rund um die Vernissage

Hoch erfreut zeigte sich Oberbürgermeister Jan Zeitler, dass Peter Lenk seine Jubiläumsausstellung „in seiner Wahlheimat am Überlinger See“ kuratiere und nicht etwa in Berlin, Stuttgart oder seiner Geburtsstadt Nürnberg. Lenk sei „zu Recht einer der meistdiskutierten Bildhauer Deutschlands“ und mit 20 Werken im öffentlichen Raum rund um den Bodensee gelte er mittlerweile als „kulturelle und touristische Marke“. In Überlingen stehe mit dem Bodenseereiter, der Martin Walsers Züge trägt, seit 1999 das einzige Reiterdenkmal, das zugleich ein Dichterdenkmal sei.

Allerdings, so gestand Lenk bei einer Vorabführung durch seine Ausstellung für die Presse, habe er Walsers „Willen zur Selbstironie vollkommen überschätzt“. Fotografien von Achim Mende, die eigens für die Schau entstanden, flankieren die 62 Skulpturen und zeigen sie im Zusammenhang und an ihren Originalschauplätzen.

Sparkassen-Regionaldirektor Reinhard Haas bekannte sich als Lenk-Fan, auch wenn ein ehemaliger Überlinger Sparkassen-Vorstand (dem Lenk Geiz vorwarf) sich in seinem Brunnen wiederfinde. Heute aber sei die Sparkasse stolz, ihren Beitrag zu leisten. Haas: „Wir fördern Kunst und Kultur, weil wir deren Wert für die Gesellschaft als grundlegend ansehen.“ Der Klarinettist Lajos Dudas begleitete die Vernissage musikalisch.