Das staatliche Prädikat Kneippheilbad der Stadt Überlingen steht seit einigen Jahren auf der Kippe. Die Luftqualität hatte schon 2014 zu einem kritischen Gutachten des Deutschen Wetterdienstes aus Freiburg geführt. Mittlerweile scheint das Prädikat ernsthaft in Gefahr – ausgerechnet im Jubiläums- und Gartenschaujahr.
Rolf Geiger: Aktueller Blauer Brief nicht dramatischer als Ermahnung 2014
Doch bei genauerer Betrachtung ist der Blaue Brief, den das Regierungspräsidium Tübingen Mitte Dezember an Oberbürgermeister Jan Zeitler gesandt hatte, nicht dramatischer als die erste handfeste Ermahnung aus dem Jahr 2014, wie Rolf Geiger vom Amt für Grünflächen, Umwelt und Forst jetzt in der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses deutlich machte.
Gutachten: Lufthygienische Anforderungen werden nicht erfüllt
Die Tübinger Behörde verweist auf das aktuelle amtliche Gutachten des Wetterdienstes. Danach erfülle die Kernstadt Überlingen „aufgrund der Luftqualitätsbeurteilung und der Erkenntnisse der Ortsbesichtigung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der letzten Luftqualitätsmessungen die lufthygienischen Anforderungen an ein Kneippheilbad nicht“, betont Annemarie Christian-Kano vom Referat für Tourismusförderung, das für die Vergabe der staatlichen Prädikate zuständig ist.
Behörde bittet um Maßnahmenkatalog im Laufe des ersten Quartals
„Wir bitten die Stadt Überlingen um die Vorlage eines Maßnahmenkatalogs mit einem zeitlichen Umsetzungsplan im Laufe des ersten Quartals 2020“, heißt es in dem Schreiben höflich. Im Anschluss stehe man gern für eine Beratung zur Verfügung. Es sei dem Regierungspräsidium allerdings bewust, dass der Zeitraum des Landesgartenschau für den Beginn der Maßnahmen nicht in Frage kommen werde. Doch dürfe das Vertrauen in einen staatlich prädikatisierten Kurort nicht über Gebühr strapaziert werden, schreibt Christian-Kano und verweist insbesondere auf die Verkehrbelastung, die Siedlungsdichte und das Gewerbe.
Messpunkte für 2014 lagen am Franziskanertor und im Kurgebiet
Genau das gleiche hatte die Behörde 2014 angemahnt und konkrete Maßnahmen gefordert. „Wir hatten damals den Auftrag bekommen, uns um eine Verbesserung der Luftqualität zu bemühen“, rief Rolf Geiger in Erinnerung. Zugrunde lagen Messungen von Grobstaub, Feinstaub und Stickoxiden an zwei Messpunkten, die am Franziskanertor und im Kurgebiet lagen.
Stadt setzte mehrere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität um
Daraufhin habe man einige Maßnahmen in der Innenstadt ergriffen. Dazu gehörten die zwischenzeitliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 20, der Versuch zur Reduktion des Parksuchverkehrs mit Schließung des Felderhausparkplatzes, die Einschränkungen des Busverkehrs zum Landungsplatz und des Durchgangsverkehrs von Lastwagen über 3,5 Tonnen.
Aktuelles Gutachten für Überprüfung kommt wieder vom Deutschen Wetterdienst
Mit der anstehenden Überprüfung habe die Stadt 2019 wieder den Deutschen Wetterdienst beauftragt. „Das Gutachten kommt zu denselben Aussagen“, erklärte Geiger: „Allerdings liegen dem keine neuen Messreihen zu Grunde.“ Sie basierten auf den Messwerten von 2013/2014 sowie auf einem Erhebungsbogen und einer örtlichen Begutachtung.
Stadt darf aktuelles Gutachten des Wetterdienstes nicht öffentlich machen
Kuriosität am Rande: Im Moment darf die Stadt das aktuelle Gutachten des Deutschen Wetterdienstes selbst in Gänze nicht einmal öffentlich zugänglich machen. „Wir haben extra noch einmal nachgefragt“, erklärte Rolf Geiger, „doch eine abschlägige Antwort erhalten.“ Der Wetterdienst habe auf datenschutzrechtliche Gründe hingewiesen. Er könne das inhaltlich nicht nachvollziehen, betonte Baubürgermeister Matthias Längin vor dem Technischen Ausschuss: „Doch wir müssen die rechtlichen Gegebenheiten so hinnehmen.“
Stadt plant freiwillige Messung während und nach der Gartenschau
Zu verschmerzen ist dies zumindest vor dem Hintergrund, dass keine neuen Daten erhoben wurden. Diese will die Stadt nun selbst mit freiwilligen Luftmessungen gewinnen. Zunächst während der bevorstehenden Gartenschau mit den Beschränkungen für den Verkehr und zum Vergleich nach Rückkehr zu der bisherigen Situation. Damit könnten sich vielleicht weitere Maßnahmen ableiten lassen, sagte Rolf Geiger, im Moment sei alles Spekulation.