Im kommenden Jahr kann die Stadt nicht nur ihr 1250-jähriges Bestehen und die erste Landesgartenschau am Bodensee feiern, sondern quasi auch „zehn Jahre Überlinger Uhu“. 2010 hatte das erste Pärchen der großen Eule mit den Federohren zur großen Überraschung aller Experten seinen Nachwuchs auf dem kleinen Felsvorsprung am Eingang zum Stadtgraben aufgezogen.

Mit Ausnahme des Jahres 2015 befand sich hier seitdem Jahr für Jahr eine Kinderstube der nächtlichen Jäger, die zahlreiche Vogelfreunde anlockt. Vater und Mutter sind zwar nicht mehr die Pioniere der ersten Jahre, doch der Brutplatz hat sich auch für die Nachfolger offensichtlich bewährt. Längst ist der Uhu zu einem neuen Wappentier Überlingens geworden.
Schon in den ersten drei Jahren hatte das Amt für Grünflächen und Umwelt den Stadtgraben teilweise abgesperrt, wenn die flügge gewordenen Jungtiere ihre ersten Flugübungen an der Felswand und zwischen den Bäumen absolvierten. Dann war der Graben von 2013 bis zur Wiedereröffnung im August 2016 wegen Felssturzgefahr zwischen Gallerturm und Aufkircher Tor ganzjährig komplett geschlossen. Seit drei Jahren gab es nun wieder temporäre Absperrungen über mehrere Wochen zum Schutz des Uhu-Nachwuchses.
Herausforderung für Planer
Not macht erfinderisch, sagt man. Während der Landesgartenschau ist nun ein luftig-transparenter Tunnel für die Besucher geplant, um den Stadtgraben begehbar zu machen, ohne die jungen Uhus in der sensiblen Phase zu stören. Schließlich spielt die Attraktivität der Überlinger Stadtbefestigung auch für das Konzept der Gartenschau eine wichtige Rolle.
Dem strengen Artenschutz dennoch gerecht zu werden und eine Genehmigung für die Begehung des Grabens zu bekommen, stellte die Planer vor eine Herausforderung. Nun stimmte das Regierungspräsidium Tübingen der von der Landesgartenschau Überlingen 2020 GmbH geplanten Wegeführung durch den Stadtgraben und den geplanten Schutzmaßnahmen zu.

Die Behörde habe „die Einschätzung des externen Büros dahingehend geprüft, ob durch die Besucherströme der Landesgartenschau Verbotstatbestände des Paragrafen 44 des Bundesnaturschutzgesetz erfüllt werden könnten“, teilte das zuständige Referat mit.
Maßnahmenkatalog zum Schutz der Tiere
„Fraglich war insbesondere, ob es zu einer die Population beeinträchtigenden erheblichen Störung kommen könnte, wenn die Besucher an der Brutstätte vorbeigeführt werden.“ Das Konzept sehe jedoch einen Maßnahmenkatalog vor, der aus Sicht des Regierungspräsidiums eine „relevante Beeinträchtigung der Tiere“ ausschließe.
Transparenter Durchgang geplant
„Wir haben uns natürlich von Anfang an darüber Gedanken gemacht, wie wir das Problem lösen können“, sagt Pressesprecherin Petra Pintscher. Doch war die Aufgabe auch für die Biologen des Überlinger Büros 365 Grad Neuland. Nun ist für die ersten Monate ein rundum geschlossener, aber transparenter Durchgang für die Besucher geplant.
Vorgespräche mit einem Dienstleister habe es bereits gegeben, um die Pläne eines 160 Meter langen und rund vier bis fünf Meter breiten Tunnels durch den Stadtgraben zu konkretisieren. Die Hülle des Tunnels mit einem gewölbten Dach werde aus einem geschlossenen, aber luftdurchlässigen feinen Netzgewebe bestehen. Die Idee basiere auf Lösungen, die unter anderem im Gemüsebau zum Einsatz kämen, erklärt Pintscher.
Genaue Gestaltung ist noch offen
Diese Überlegungen waren Grundlage des Antrags beim Regierungspräsidium, der nun positiv beschieden wurde. Noch stehe allerdings weder die genau Konstruktion noch die optische Gestaltung des Tunnels fest, deshalb gebe es auch noch keine Illustration dazu.
Regierungspräsidium mit Vorschlag einverstanden
„Wir freuen uns natürlich sehr, dass das Regierungspräsidium mit unserem Vorschlag einverstanden ist. Der Weg durch den Stadtgraben ist ganz wesentlich für unseren Landesgartenschau-Rundweg“, betont Geschäftsführerin Edith Heppeler. „Und selbstverständlich liegt uns das Wohl der Uhus sehr am Herzen, schließlich ist er ja auch unser Maskottchen.“
An beiden Enden ist rechts und links neben dem Tunnel der Durchgang gesperrt. Er reiche vom Eingang in den Stadtgraben kurz nach dem Gallerturm bis zur Abzweigung in den Blatterngraben. Etwa im Juli, wenn die Jungvögel flügge geworden sind, werde der Tunnel wieder abgebaut.
Brutgeschehen wird regelmäßig überprüft
„Das Grünflächenamt der Stadt Überlingen ist eng in das Projekt eingebunden und wird das Brutgeschehen wie schon in der Vergangenheit regelmäßig überprüfen und dokumentieren“, betonen die Verantwortlichen der LGS. Inwieweit das Konzept der Landesgartenschau auch für die kommenden Jahre eine Lösung sein könne, müsse die Stadt entscheiden.
Kleine Uhu-Chronik
- Insgesamt 25 junge Uhus haben inzwischen im Überlinger Stadtgraben fliegen gelernt. Den ersten Nachwuchs hatte es hier im Frühjahr 2010 mit einem Einzelkind gegeben. Schon damals war es für Fachleute eine Sensation, dass sich der Vogel des Jahres 2005 in so unmittelbarer Nähe der Stadt niederließ. 2011 folgten zwei junge Uhus, im Jahr 2012 sogar vier Jungvögel und 2013 waren es drei Babys gewesen, die ihren ersten Gleitflug in den Stadtgraben antreten konnten.
- Nachdem sich die alte Uhu-Mutter im Oktober 2013 vergiftet hatte und gestorben war, war die Freude über das neue Familienglück im März 2014 umso größer. Vater Uhu war bei der Partnersuche überraschend schnell wieder fündig geworden. Dennoch legte das Paar 2015 eine Pause ein, zumindest an dem gewohnten Standort. Umso begeisterter waren die Uhu-Fans nach der Rückkehr im Frühjahr 2016. Die drei jüngsten Babys benötigten damals nach einer Verletzung der jungen Mutter allerdings etwas Hilfe und wurden im gesperrten Graben aufgepäppelt – mit Erfolg.
- Am Ende der Saison 2016 ließ sich allerdings der Vater plötzlich nicht mehr blicken und nun war die junge Uhu-Dame plötzlich wieder Single. Rolf Geiger staunte daher nicht schlecht, als er auch Anfang 2017 wieder verliebte Balzrufe eines Pärchens hören konnte. Seitdem schlüpften inzwischen Jahr für Jahr drei Jungtiere. Trotz der Nähe zur Stadt, vielleicht auch wegen der Nähe zum See haben die Uhus hier „ideale Bedingungen“, sagt Geiger. Der Brutplatz ist sehr sicher, der Tisch reichlich gedeckt – mit Krähen, Blesshühnern oder Möwen, mit Igel, Ratten und anderen Kleinsäugern.