Viele Menschen am Bodensee erinnern sich allenfalls noch bei runden Jahrestagen an den schrecklichen Flugzeugabsturz vom 1. Juli 2002, bei dem 71 Menschen starben. Für die Hinterbliebenen sind die Verluste allgegenwärtig und viele von ihnen werden zum 15. Jahrestag des Unglücks an den Bodensee kommen. Fast im Verborgenen sind im Verlauf dieser eineinhalb Jahrzehnte tragfähige Beziehungen, ja sogar Freundschaften zwischen der Bodenseeregion und Baschkirien entstanden.
Zu verdanken sind sie insbesondere dem Freundeskreis "Brücke nach Ufa" und dessen nimmermüden Motoren Jürgen Rädler und Nadja Wintermeyer, die auf nahezu 30 aktive Mitstreiter zählen können. Jahr für Jahr gibt es Begegnungen, zahlreiche Jugendgruppen hat die "Brücke" schon nach Baschkirien begleitet. Jedes Jahr trifft sich eine Gruppe des Freundeskreises, zu denen auch Einsatzkräfte und Helfer gehören, in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli an der Gedenkstätte und einstigen Absturzstelle, um die Namen der 72 Toten zu verlesen. Die Namen der 71 Absturzopfer und den Namen des später getöteten dänischen Fluglotsen. 72 Kerzen waren auch vor fünf Jahren kurz vor Mitternacht an der Gedenkstätte entzündet worden.
Eine größere Begegnung ist zum 15. Jahrestag am 1. und 2. Juli geplant, deren Form allerdings bei Stadt und Land nur zögerlich Gestalt annahm. Quasi in das Interregnum zwischen Sabine Becker und Jan Zeitler war die erste Kontaktaufnahme der Angehörigen und der Regierung aus Baschkirien gefallen. "Einen guten Draht ins baden-württembergische Staatsministerium haben wir Professor Klaus Mangold zu verdanken", sagt Jürgen Rädler. Der ehemalige Daimler-Manager ist russischer Honorarkonsul und kümmert sich seit vielen Jahren um die wirtschaftlichen Beziehungen. "Inzwischen hat Staatsminister Klaus-Peter Murawski sein Kommen zugesagt", erklärt Rädler. "Und wir bekommen nun auch Daimler-Busse für den Transport der Hinterbliebenen. Das war immer ein großes Problem und auch eine Kostenfrage."
Angekündigt ist eine hochrangige offizielle Delegation mit voraussichtlich 99 Angehörigen und Gästen aus Baschkirien und Weißrussland. Gleich zwei Ministerinnen werden mit Gulnaz Shafikova (Bildung) und Rida Subkhankulova (Finanzen) darunter sein sowie Gusel Asylova, Vorsitzende des Komitees für Handel und Verbraucherschutz. Zwei haben ein eigenes Kind, eine einen Neffen bei dem Absturz verloren. Mit dabei sein wird wie immer Sulfat Chammatov, der offizielle Vertreter der Angehörigen. Bei den bisherigen runden Jahrestagen war stets auch Witali Kalojew aus Südossetien angereist, dessen Frau und Kinder beim Absturz ums Leben gekommen waren und der 2004 den diensthabenden Fluglotsen erstochen hatte.
In einem kleineren, nichtöffentlichen Kreis ist am Samstagvormittag in der Schule von Brachenreuthe ein Empfang der baden-württembergischen Landesregierung für die Hinterbliebenen geplant. "Ihr Wunsch war einfach ein ruhiges Gedenken", erklärt Jürgen Rädler. Eine öffentliche Gedenkfeier wird am Abend ab 22 Uhr an der Gedenkstätte stattfinden. Ein "Konzert der Freundschaft" ist am Sonntagabend mit Musik aus Baschkirien und Russland in der Waldorfschule vorgesehen.
"Die Hinterbliebenen wollen der Stadt 20 Zedern zur Vorbereitung auf die Landesgartenschau schenken", weiß Jürgen Rädler. Diese werden aus Deutschland angeliefert. Ursprünglich wollten die Gäste eine ganze Sammlung großer baschkirischer Märchenfiguren aus Holz für einen Kinderspielplatz mitbringen. "Doch da sie dieses Mal kein eigenes Charterflugzeug nehmen konnten, ging das nicht."
Absturz und Opfer
Es war kurz vor Mitternacht, als am 1. Juli 2002 das baschkirische Passagierflugzeug auf dem Weg nach Barcelona und eine DHL-Frachtmaschine in rund zehn Kilometern Höhe über Überlingen kollidierten und abstürzten. Von Aufkirch und Brachenreuthe bis Owingen und Taisersdorf gingen die Trümmer des Unglücks nieder, das 71 Todesopfer forderte, darunter zahlreiche baschkirische Kinder. Später kam mit dem dänischen Fluglotsen in Diensten der Schweizer Flugüberwachung Skyguide ein weiteres Opfer dazu. Jahr für Jahr werden die Namen aller der Toten zur Absturzzeit an der Gedenkstätte bei Brachenreuther verlesen.