Große Vorhaben brauchen große Symbole. Das hat sich Volker Eisenhut, Projektleiter der Baugenossenschaft Überlingen (BGÜ), für das neue Wohnquartier "Nördlich Hildegardring" am Schättlisberg, auch gedacht, als er die Veranstaltung zum offiziellen Spatenstich vorbereitete.
Wohnungen entstehen in drei Etappen
Für den Startschuss zum Neubau von nahezu 170 Wohnungen, die in drei Etappen erstellt werden, konnte das Handwerkszeug daher nicht groß genug sein. So bestellte Eisenhut in einer Thüringer Spezialschmiede einen Riesenspaten mit über drei Meter langem Handgriff, an dem sich Oberbürgermeister Jan Zeitler mit den beiden BGÜ-Geschäftsführern Dieter Ressel und Andreas Huther mächtig ins Zeug legen konnte. Flankiert von Architekten und Planern, von Vertretern der Baufirmen und Banken, von Stadträten, interessierten Bürgern und Nachbarn.

"Einen spürbaren Beitrag an bezahlbarem Wohnraum", verspricht sich Oberbürgermeister Jan Zeitler von dem Großprojekt, dessen erster Abschnitt bis zum Jahr 2020 schon realisiert sein soll. Die Baumaschinen stehen in den Startlöchern, um die ersten Baugruben auszuheben, wie Architekt Gerhard Metzger erklärte, der trotz des straffen Zeitplans guter Dinge ist. Entstehen werden insgesamt 167 Wohnungen ganz unterschiedlichen Zuschnitts. "Es soll damit eine soziale und altersmäßige Durchmischung sichergestellt werden", sagte Jan Zeitler. "Nein, es werden keine Eigentumswohnungen gebaut", betonte der OB auf Nachfrage einer Bürgerin noch einmal ausdrücklich: "Das werden Genossenschaftswohnungen."

Ganz wichtig ist Zeitler auch die Tatsache, dass sich die Stadt mit dem Verkauf der Grundstücke ein Belegungsrecht für 30 Wohnungen der BGÜ "langfristig" gesichert habe. Sollte im Einzelfall eine der Neubauwohnungen zu teuer sein, könne diese Belegung auch im übrigen Bestand der BGÜ in Anspruch genommen werden. Um weitere neue Ideen vorzustellen, kündigte der OB die zugesagte Bürgerversammlung zum Thema Wohnen für den 25. Oktober an.

Den hohen Anspruch an das neue Wohnquartier skizzierte BGÜ-Geschäftsführer Dieter Ressel aus verschiedenen Perspektiven. Deutlich mehr als 40 Millionen Euro investiere die Genossenschaft in diesen Vorhaben, das für die Region eine "eher ungewöhnliche Größe" habe. Davon müsse die BGÜ Mittel im zweistelligen Millionenbereich über die Banken finanzieren. Vor diesem Hintergrund stellte Ressel die Gretchenfrage: "Was bedeutet 'bezahlbarer Wohnraum'?"
Den "Durchschnittsverdiener" im Blick
Die BGÜ habe bei dieser Einordnung den "Durchschnittsverdiener" im Blick. Dies bei einer energetisch sehr hochwertigen und nachhaltigen Bauausführung und der Schaffung einer hohen Aufenthaltsqualität. Die Bewohner sollten künftig "ein Abbild unserer Gesellschaft sein", so Ressels Vorstellungen. Eine Heimat finden solle hier ebenso der "junge Manager" wie der "pflegebedürftige Senior". Dies ist in den Grundrissen berücksichtigt. Als Experiment wird es eine große "Cluster"-Wohnung geben, die sich für Wohngemeinschaften verschiedener Art eignet.

"Hier wird Politik konkret", sagte Bundestagsabgeordneter Lothar Riebsamen (CDU) und verwies auf das Pilotprojekt Stadtquartier 2050, das hier in Kooperation mit der Stadt Stuttgart und wissenschaftlichen Instituten als klimaneutrales und zugleich sozialverträglich gestaltetes Quartier beispielhaft realisiert werden soll. Finanzielle Fördermittel sind zwar von zwei Bundesministerien bereitgestellt, doch noch sind die Modalitäten für wichtige Zuschüsse nicht in trockenen Tüchern.
Soziale Durchmischung ein Anliegen
Die "soziale Durchmischung" war auch Riebsamen ein wichtiges Anliegen, die von ihm genannte Zahl als Durchschnittsmieten war mit 6,84 Euro pro Quadratmeter allerdings zu utopisch und stammte aus dem Altbestand der BGÜ. Geschäftsführer Dieter Ressel beeilte sich daher, Riebsamens zu optimistische Zahl richtig zu stellen. "Im Moment kommen wir bei unseren Kalkulationen im Durchschnitt auf etwa 8,92 Euro Miete pro Quadratmeter", so Projektleiter Volker Eisenhut.
Projekt mit genossenschaftlichem Gedanken realisiert
"Einen großen Tag für Überlingen" erkannte dennoch auch Landtagsabgeordneter Martin Hahn (Grüne), der viele Jahre selbst dem Stadtrat angehört hatte. "Was hier entstehen kann, ist ein großer Wurf", erklärte er. Mit diesem Vorhaben in "wunderbarer Lage" komme die Stadt mit dem Mietwohnungsmarkt "ein gutes Stück weiter". Wichtig sei ihm persönlich auch die Frage: "Wer verdient daran?" Deshalb freue er sich, dass das Projekt mit einem genossenschaftlichen Gedanken realisiert werde. Sanierungen seien bei der Marktlage "etwas schwierig", sagte Hahn. "Doch wenn wir bei den Neubauten das Mögliche tun, kommen wir auch beim Klima weiter."
Keine Satellitensiedlung
- Neben den unterschiedlich dimensionierten Wohnungen, die zu einer guten Durchmischung an Bewohnern beitragen soll, kommen der sogenannte Anger als autofreier Aufenthaltsbereich zwischen den beiden Gebäudezeilen, Begegnungsmöglichkeiten für Bewohner und Nachbarn sowie eine Aussichtsterrasse mit Blick auf Stadt und See. Das Stadtquartier soll nicht als Satellit auf Umlaufbahn sein, sondern an den Gebäudebestand am Hildegardring sozial, aber nach Möglichkeit auch energietechnisch angeschlossen werden. Auch darum geht es im Projekt Stadtquartier 2050, an dem nicht nur Bauphysiker forschend tätig sind. Präsent war auch die Sozialwissenschaftlerin Annette Roser vom Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES) in Karlsruhe, die das Gespräch zu Nachbarn suchte. Dazu ist eine Quartiers-App in Planung, über die die Bewohner in sozialen Kontakt treten können, aber auch ein Feedback zum eigenen Energieverbrauch bekommen.
- Besonderheit des Konzepts ist es auch, dass die vorgeschriebenen ökologischen Ausgleichsflächen nicht im Wald bei Denkingen oder anderswo bereitgestellt werden, sondern unmittelbar angrenzend an die Bebauung. "Ein breiter Streifen des benachbarten Maisackers wird mit Bäumen und echten Hecken ökologisch aufgewertet", betont Architekt Gerhard Metzger. Zudem werde es hier auch Gelegenheiten für die Bewohner geben, sich hier einen eigenen kleinen Nutzgarten anzulegen. (hpw)