Die Empörung ist groß: Dass die Überlingen Marketing und Tourismus GmbH (ÜMT) die Idee der Studentin Rosa Arslan, ein Plakat für einen Treffpunkt für einen gemeinsamen Nachhauseweg beim Promenadenfest aufzuhängen, abgelehnt hat, hat viel Kritik hervorgerufen. Nach dem Artikel im gestrigen SÜDKURIER gab es sowohl in der Redaktion, als auch im Internet viele Rückmeldungen von Überlinger Bürgern – allesamt mit dem gleichen Tenor: Unverständnis für den Veranstalter des Promenadenfests?

Unverständnis für die Argumentation von ÜMT und Polizei

"Tolle Idee! Und jetzt kommt das Unverständliche: es wird von offizieller Stelle abgelehnt. Ich hoffe für alle Beteiligten, dass nichts passiert", schreibt eine Nutzerin auf der Facebook-Seite des SÜDKURIER Überlingen. Eine andere fragt: "Was ist an einem solchen Plakat so störend?!" Viele Kommentatorinnen loben die Idee und die Initiative von Rosa Arslan – einige auch, weil sie selbst schon unangenehme Situationen auf dem Nachhauseweg erlebt haben.

Eine Nutzerin schreibt: "Ich kann mich ganz gut wehren, aber auch ich kenne das Gefühl, wenn man alleine im Dunkeln eine Straße langläuft und plötzlich kommen einem zwei Männer entgegen und gucken komisch. Ich will nicht alle Männer verteufeln, aber man atmet doch auf, wenn sie einfach an einem vorbeilaufen, ohne einen zu beachten." Und weiter: "Ich wurde auch schon mal bedrängt und hab halt losgebrüllt und bin auf ihn zu anstatt weg. Ringsum ging gleich das Licht an und zack war er weg. Ich denke aber, junge Mädels tun sich da schwerer, sich selbstbewusst zu zeigen."

Auch die Argumentation der Polizei, dass es beim größten Überlinger Fest bisher noch nie zu einer Anzeige wegen sexueller Belästigung auf dem Heimweg gekommen sei, wird harsch kritisiert. "Es geht ja darum, dass sich Frauen einfach mal unwohl fühlen, und das kann ich mehr als nachvollziehen. Muss man immer erst warten, bis das Kind im Brunnen liegt? Dass Überlingen nicht mehr so friedlich ist, wie es mal war, ist doch auch schon längst bekannt", schreibt eine Leserin auf Facebook.

Auch viele Männer unter den Kritikern

Es sind nicht nur Frauen, die sich über die Entscheidung der ÜMT und Polizei ärgern. Ein Facebook-Nutzer kommentiert: "Ich finde diese Idee großartig und sie sollte für sämtliche Großveranstaltungen eingeführt werden. Ein weiteres Armutszeugnis für die Stadt, dass hier von Männern entschieden wird, was zur Sicherheit von Frauen beiträgt und was nicht."

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Auch die Junge Union (JU) Überlingen meldet sich mit einer Stellungnahme zu Wort: "Wir erachten es als richtig und wichtig, Treffpunkte für einen gemeinsamen Heimweg zu kennzeichnen. Ein Schild allein verhindert nicht einen sexuellen Übergriff, aber lädt auch nicht dazu ein. Es sind der Besuch der Veranstaltungen in Gruppen und ein gemeinsamer Heimweg, welche das Risiko minimieren“, wird der Vorsitzende Dominik Mattes zitiert. Zudem weist die Jugendorganisation der CDU die von ÜMT und Polizei genannten Bedenken, man würde mit einer solchen Initiative "vielleicht auch schlafende Hunde wecken" klar zurück. "Die Kritik, dass gerade durch eine Ausweisung eines solchen Treffpunktes via Plakate potenzielle Täterinnen und Täter anlocke, teilen wir nicht." Auch am Kommentar im gestrigen SÜDKURIER übt die JU Kritik: "Hinsichtlich des subjektiven Sicherheitsempfindens von Menschen einen Vergleich von präventiven Vorsorgemaßnahmen zwischen Sexualdelikten und Terroranschlägen zu ziehen, empfinden wir als nicht zielführend."

Treffpunkt jede halbe und volle Stunde

Die Jungpolitiker schlagen wie auch viele andere Kommentatoren vor, einen inoffiziellen Treffpunkt für einen gemeinsamen Nachhauseweg zu benennen. Auch der SÜDKURIER hatte diese Idee und hat eine Alternativlösung gefunden. In Absprache mit Inhaberin Karen Lambertz-Zalitatsch hat die Redaktion an der Eingangstür der Buchhandlung "Buchlandung am See" nun ein eigenes Plakat aufgehängt. Hier an der Ecke Landungsplatz/Jakob-Kessenring-Straße können sich Menschen, denen es unbehaglich ist, in im Dunkeln alleine nach Hause zu gehen, nach Einbruch der Dunkelheit alle halbe und volle Stunde zum gemeinsamen Heimweg treffen. Der Sammelpunkt liegt somit direkt beim Festgelände und bietet zusätzlich Schutz, da sich direkt daneben das Zelt des Deutschen Roten Kreuzes befindet.

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Die Buchhändlerin Karen Lambertz-Zalitatsch war sofort einverstanden, in dieser Angelegenheit Abhilfe zu schaffen, wenn die offiziellen Behörden nicht reagieren. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigte sich bei der Suche nach einem Alternativstandort. Zwei andere Geschäfte lehnten eine Anfrage des SÜDKURIER für das Aufhängen des Treffpunkt-Plakats ab. Zwar zeigten beide Verständnis für die Aktion und lobten die Initiative von Rosa Arslan, wollten sich aber nicht in die Diskussion einmischen.

Initiatorin Rosa Arslan ist überwältig

Rosa Arslan, die die Debatte angestoßen hatte, freut sich, dass es nun doch noch den von ihr angedachten Sammelpunkt gibt. Und auch, dass sie nach Erscheinen des Artikels so viele positive Rückmeldungen erhalten hat. "Ich bin total geflasht", sagt die Studentin. Die Resonanz zeige, dass ihre Idee von einem Heimweg-Treffpunkt doch von sehr vielen Menschen gewünscht werde. Umso unverständlicher sei es, dass die ÜMT noch immer nicht reagiere. "Ich will mich aber nicht mit fremden Federn schmücken", sagt sie bescheiden. "Ich freue mich total, dass daraus jetzt so eine gemeinschaftliche Aktion entstanden ist."