Das Coronavirus werden wir besiegen. Jedoch: „Die Welt danach wird eine andere sein.“ Das sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und er meinte es nicht unbedingt negativ. Wer sieht, wie Kinder nach der Schulschließung von jetzt auf sofort am heimischen Küchentisch lernen, sich und ihren Unterricht selbst zu organisieren, der ahnt, dass sich auch die Welt der Schule verändern wird. Der Rektor des Überlinger Gymnasiums sieht in der Corona-Krise die Chance, neue Lernformen auszuprobieren, projektbezogener zu arbeiten. Hans Weber: „Wir lernen, den Schülern mehr zuzutrauen.“
Bericht aus der Grundschule
Zunächst jedoch stehen viele Mütter und Väter vor der Frage, welche Rolle sie ihren Kindern gegenüber einnehmen. Die der Eltern oder die des Lehrers? Ganz klar die der Eltern, sagt Wolfgang Panzner. Er ist Rektor der Burgberg-Grundschule in Überlingen und zuständig für Erst- bis Viertklässler, also sechs bis zehnjährige Kinder. Ihm ist bekannt, dass schon die herkömmliche Hausaufgabenbetreuung in den Familien nicht immer konfliktfrei verläuft. Jetzt zusätzlich einen Leistungsdruck aufzubauen, wäre ihm deshalb fern. Vielmehr ermuntert Panzner die Eltern dazu, „ohne Druck und Zwang sich dieser besonderen Situation zu stellen – wir alle müssen uns an die Lage erst herantasten“. Niemand erwarte von den Grundschulkindern, „dass sie minutiös alles abarbeiten“. Vielmehr sollten Tätigkeiten zugelassen werden, in denen sich die Kinder beweisen können, in ihrem eigenen kreativen Bereich.

An die Eltern gerichtet, sagt Panzner: „Begreifen Sie die gemeinsame Zeit als Chance, sie bringt Ihnen Ihre Kinder näher.“ Natürlich gebe man den Kindern sinnvolle Materialien aus der Schule an die Hand. Doch egal, wie sich die Eltern mit ihren Kindern beschäftigen: „Lernen findet immer statt.“ Schelmisch fügt er an: „Das lässt sich nicht verhindern.“
Bericht aus der Gemeinschaftsschule
Individuelles Lernen wird derzeit zum Normalfall. Die Gemeinschaftsschulen haben damit erklärtermaßen die größten Erfahrungen, und das zahlt sich jetzt aus. Bettina Schappeler, Rektorin an der Gemeinschaftsschule in Salem: „Unsere Schülerinnen und Schüler und deren Eltern sind es gewohnt, dass Lernpakete individuell zusammengestellt und digital oder mit der Post übermittelt werden, zum Beispiel im Krankheitsfall. Der einzige Unterschied zur derzeitigen Situation liegt im Umfang der Lernmaterialien.“
Selbstverantwortliches Lernen sei bei ihnen alltägliches Geschäft, sagt Schappeler. „Die Schüler lernen umzugehen mit Wochenplänen, der Dokumentation der Lernjobs im Lerntagebuch, der Zeiteinteilung, der Selbstreflexion des Arbeitsprozesses, da sie die Lernziele kennen.“ Das nun ausgeteilte Material habe für sie einen Wiedererkennungswert, da einheitliche Layouts verwendet werden. Motivierend sei auch, dass ihr Unterrichtsmaterial bisher schon vielkanalig gestaltet sei: „Haptisch, visuell, auditiv und digital.“ Die Schüler seien es gewohnt, mit ihren Lehrern auch online in Kontakt zu treten. Schappeler: „Es kann jeder individuell beraten werden.“
Bericht aus dem Gymnasium
„Eine ganze Bugwelle an Aufträgen und Aufgaben kam auf die Schüler zu.“ Das räumt Hans Weber, Schulleiter am Gymnasium Überlingen, ein. Zugleich beruhigt er: „Das wird auch wieder weniger.“ Ziel sei es schon, lieber machbare Portionen zu verschicken, „das wird sich hoffentlich noch einspielen“. Man sei bemüht, eine einheitliche Plattform zur Übertragung des Unterrichtsmaterials aufzubauen. Verschickt werden Übungsblätter, Fragenkataloge, Audiodateien, und auch von Lehrern besprochene Hörverständnisübungen, in denen viel Arbeit steckt. Doch haben zunächst auch die Eltern gehörig damit zu tun, die unterschiedlichen Übertragungswege zu sortieren. Druckbares muss ausgedruckt, und Hörbares auf die Endgeräte der Kinder übertragen werden.

Rektor Weber empfiehlt Gelassenheit und Geuld
Ihm sei bewusst, dass das „eine große Herausforderung ist“, sagte Hans Weber. „Mir bereiten die Fälle Sorgen, in denen das nicht geleistet werden kann, wir dürfen diese Schüler nicht verlieren.“ Darum ermuntere er ausdrücklich die Eltern dazu, bei den Fachlehrern nachzufragen, wenn es Probleme gibt. Und Schüler sollten Tandems bilden, sich gegenseitig helfen. Wenn zu Hause kein Drucker vorhanden ist, könnten die Arbeitsblätter auch am Monitor abgelesen und Antworten lose auf Blätter geschrieben werden. „Alles das verlangt nach Improvisation“, betont Weber, „nach Gelassenheit, und nach Geduld von jedem mit jedem.“ Welche Erwartungen stellt das Gymnasium an die Schüler? Hans Weber: „Dass sie sich auf die ganz neue Situation einstellen. Wir erwarte nicht, dass der Stoff in gleichem Maße durchdrungen wird wie in der Schule. Lernen ist ja eben normalerweise ein sozialer Akt.“