Dass sich das Bild einer Stadt von Zeit zu Zeit ändert, ist nichts Neues – immer wieder öffnen Läden, während andere schließen. Bleibt ein Geschäft allerdings auch auf Dauer leer, mindert das den Charme.
In Überlingen momentan zwölf Leerstände Gleich zwölf Leerstände hat die Stadt Überlingen bei einer letzten Bestandsaufnahme im April 2019 gezählt. Auf Nachfrage berichtete die Verwaltung dem SÜDKURIER Anfang Oktober, wie sie dagegen vorgehen will: Unter anderem bemühe sich die Wirtschaftsförderung, Vermieter von Immobilien und mögliche passende Pächter zusammenzubringen. Auch biete man Seminare an, um Einzelhändlern bei Interesse die Möglichkeit zu geben, sich von neuen Ideen inspirieren zu lassen.
Zusätzlich sollen mehr Passanten und damit mögliche Kunden durch einen guten Branchenmix in die Innenstadt gelockt werden. Um sie zum Verweilen anzuregen, sei etwa der Landungsplatz neu gestaltet worden. Außerdem will die Stadt kleinen, handwerklichen Unternehmen mehr Beachtung schenken.
Strategien sind oft ähnlich Mit diesen Überlegungen ist Überlingen nicht alleine – das Thema Leerstände sorgt vielerorts für Diskussionen. Auch in anderen großen Einkaufsstädten rund um und am Bodensee macht sich die Verwaltung Gedanken, wie der Handel belebt werden kann. Wir haben nachgefragt und herausgefunden, welche Maßnahmen Markdorf, Singen, Radolfzell, Ravensburg und Konstanz ergreifen. Was auffällt: Viele Strategien stimmen mit denen in Überlingen überein.
Diese Maßnahmen ergreifen andere Städte in der Region MarkdorfAnzahl Leerstände: Auf Nachfrage zählt die Gemeinde Markdorf sieben Leerstände auf.Gründe für Leerstände: Der Markdorfer Bürgermeister Georg Riedmann nennt auf Seiten der Pächter persönliche Gründe wie Alter, Krankheit oder Betriebsaufgabe ohne Nachfolger, sowie Insolvenzen. Diese können laut Riedmann mit Konkurrenz durch den Online-Handel und einen starken Wettbewerb durch Discounter vor Ort begründet werden. Aber auch hohe Mieten und Nebenkosten sowie kleiner werdende Gewinnmargen werden als Gründe angegeben. „Die Flächen sind oft zu klein oder durch Treppenaufgänge nicht mehr zeitgemäß“, erklärt Riedmann. „Insbesondere müssen oft in neue Energiekonzepte und Dämmung investiert werden. Eigentümer versuchen, eine möglichst hohe Rendite zu erreichen und warten stadtplanerische Entwicklungen ab, bevor sie einen neuen Pächter suchen.“Umgang mit Leerständen: Wie Georg Riedmann mitteilt, steht der Verein Markdorf Marketing, der es nach eigenen Angaben auf seiner Internetseite als seine Aufgabe sieht, „Strategien zur Bündelung und Vernetzung aller Kräfte und Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität nachhaltig zu entwickeln und nach außen zu vermarkten“, im engen Austausch mit den Geschäftsinhabern. Dadurch erfahre er früh von den Veränderungen in der Stadt. Eingehende Immobilenanfragen werden an Eigentümer weitergegeben und gemeinsam nach Lösungen gesucht. „Leider werden die Anfragen seltener und spezieller, sodass nicht jede Anfrage befriedigt werden kann“, so Riedmann.Vorbeugende Maßnahmen: Georg Riedmann sieht Markdorfs Verkaufsflächen als attraktiv an. Markdorf sei ein Einkaufsmagnet mit einem großen Hinterland und Einzugsgebiet. Die Stadt wachse ständig weiter und damit auch die Nachfrage für den täglichen Bedarf. Die Kaufkraft liege über dem Durchschnitt im Bodenseekreis. Zudem habe Markdorf das Alleinstellungsmerkmal in der Region, sehr zentrumsnah kostenlose Parkplätze zur Verfügung stellen zu können. So werde es den Kunden ermöglicht, vor den Geschäften zu parken. Außerdem seien die Markdorfer Händler und Gastronomiebetriebe zunehmend in sozialen Medien aktiv, um sich dem Internetwettbewerb zu stellen. Dadurch werden überregionale Kunden nach Markdorf. Und auch regelmäßige Veranstaltungen tragen laut Riedmann einen wesentlichen Teil zur Attraktivität der Stadt bei. SingenAnzahl Leerstände: Wie Pressesprecher Achim Eickhoff mitteilt, wurden bei einer Erhebung im Jahr 2018 insgesamt 46 Leerstände im gesamten Stadtgebiet gezählt, die Leerstandsquote bezogen auf die Gesamtstadt liege bei zwölf Prozent des Einzelhandelsbestands. Ziehe man jedoch temporäre Schließungen ab, die etwa infolge von Umbaumaßnahmen entstanden seien, liege die Leerstandsquote in der Einkaufsinnenstadt bei fünf Prozent.Gründe für Leerstände: Laut Eickhoff führt ein starker Wettbewerb online und bei Randsortimenten zu Leerständen. Diese seien aber auch infolge von Umbaumaßnahmen entstanden. Der Markt sei durch eine allgemeine Entwicklung zum Onlinehandel, sowie die Entwicklung des neuen Shopping-Centers Cano am Bahnhof, das im Herbst 2020 eröffnet werden solle, im Wandel. Zudem führen auch Nachfolgeprobleme zu leeren Geschäftsräumen.Umgang mit Leerständen: Die Leerstandsdatenbank für die Singener Innenstadt wird laut Pressesprecher Achim Eickhoff regelmäßig fortgeschrieben. Die Stadt nehme Kontakt zu Eigentümern auf und bespreche Nutzungskonzepte. Zudem werden „Kontakte zu potenziellen Nutzern oder Entwicklern“ hergestellt, sowie der Kontakt zu Eigentümern, sofern dafür Interesse bestehe, früh aufgenommen, um Leerstände zu vermeiden. „Teilweise hat die Stadt auch nur mittelbaren Einfluss“, so Eickhoff.Vorbeugende Maßnahmen: Die Stadt Singen beuge durch städtebauliche Maßnahmen und gestalterische Aufwertung des öffentlichen Raumes, insbesondere der Fußgängerzone, Leerständen vor. Zudem werde die Sondernutzungssatzung überarbeitet, um private Initiativen zur Belebung der Innenstadt zu fördern. Die Händler sollen laut Eickhoff bei Aktionen zur Belebung der Innenstadt – etwa verkaufsoffene Sonntage oder starke Werbeimpulse im Frühjahr und Herbst – unterstützt werden. Achim Eickhoff weist aber auch darauf hin, „dass eine Innenstadt auch ein gewisses Maß an Leerständen braucht, um eine Weiterentwicklung durch neue Anbieter zu ermöglichen.“ RadolfzellAnzahl Leerstände: Laut Frank Perchtold von der Wirtschaftsförderung der Stadt Radolfzell stehen dort im Innenstadtbereich derzeit acht von rund 250 gewerblichen Nutzungsräumen leer.Gründe für Leerstände: „Bei den meisten Geschäften handelt es sich um kurzfristige Leerstände„, teilt Perchtold mit. Darüber hinaus befinden sich mehrere Häuser derzeit im Verkauf, einige Immobilen werden über Makler angeboten, eine Einflussnahme durch die Stadt Radolfzell sei nur schwer möglich. „Auch komplexe Eigentümerverhältnisse sorgen dafür, dass die Stadtverwaltung keine Neubelegung forcieren kann“, so Frank Perchtold. Auf der anderen Seite gebe es zahlreiche Anfragen von Gewerbetreibenden, für die die Stadt leider kein passendes Flächenangebot bereitstellen könne.Umgang mit Leerständen: Wie Frank Perchtold mitteilt, hat die Wirtschaftsförderung der Stadt Radolfzell sich in der Vergangenheit ein „breites Netzwerk aus privaten Immobilienbesitzern, Maklerfirmen, Geschäftsinhabern, Geschäftsführern und Mitarbeitern von gewerblichen Unternehmen“ aufgebaut. Mit diesem Netzwerk finde ein regelmäßiger Austausch statt. Informationen über anstehende Veränderungen in gewerblich genutzten Immobilen erreichen die Stadt dadurch oft bereits im Vorfeld. „Dadurch ist es uns möglich, frühzeitig zwischen Anbietern und Nachfragern zu vermitteln und den Leerstand so gering wie möglich zu halten.“ Zusätzlich hebt Perchtold den sogenannten Immobilenvermittlungsservice der Wirtschaftsförderung hervor, der Leerständen entgegenwirkt: Seit 2014 laufe dieser in Kooperation mit dem Immoportal-Bodensee, eine webbasierte Plattform für Gewerbegrundstücke, Produktionshallen, Laden-, Büro- und Gewerbeflächen rund um den Bodensee. Die Stadt Radolfzell ermögliche Anbietern von gewerblichen Immobilien in der Stadt einen kostenlosen Eintrag im Portal. Dieses Angebot gibt es auch in Überlingen: Wie die dortige Verwaltung mitteilt, verfügt auch Überlingen über eine Kooperation mit Immoportal-Bodensee. Das Portal werde von der Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung sowohl Vermietern als auch Interessenten empfohlen. Eintragungen in das Portal seien durch die Kooperation für Anbieter aus Überlingen kostenlos. In Radolfzell wird laut Frank Perchtold durch eine Vernetzung mit der städtischen Internetseite eine hohe Reichweite erzielt. „Seit Beginn der Kooperation wurden rund 90 gewerbliche Immobilen erfolgreich vermittelt“, berichtet Perchtold. RavensburgAnzahl Leerstände: Der Ravensburger Wirtschaftsförderer Andreas Senghas spricht von aktuell zehn Geschäftsleerständen in der Ravensburger Innenstadt. Bei über 300 Handelslagen in der Altstadt bedeute das eine Leerstandsquote von drei Prozent – mehr als in der Vergangenheit. „Bisher hatten wir stets eine ‚Handvoll‘ Leerstände„, so Senghas.Gründe für Leerstände: Laut Andreas Senghas steht der stationäre Einzelhandel deutschlandweit unabhängig von der Stadtgröße aufgrund eines veränderten Konsumverhaltens und einer damit verbundenen Zunahme von Umsätzen im Internethandel vor einer Herausforderung. Zudem müsse in Ravensburg seit mehr als zwei Jahren durch die Sanierung der Marienplatz-Tiefgarage auf seine zentralste und größte Tiefgarage im Herzen der Stadt verzichten. Senghas ist aber guter Dinge, dass mit der Teilöffnung im November die Frequenz in der Stadt wieder zunehmen und sich stabilisieren wird. Er betont außerdem: „Jeder Leerstand hat seine eigenen Gründe“ und biete „grundsätzlich Platz für neue Angebote in der Stadt.“ Der Wirtschaftsförderer sieht jeden Leerstand daher auch als Chance. „Schwierig wird es dann, wenn Leerstände über einen längeren Zeitraum nicht beseitigt werden können.“ In Ravensburg sei das jedoch nicht der Fall.Umgang mit Leerständen: Andreas Senghas gibt an, im ständigen Austausch mit allen Gebäudeeigentümern sich anbahnender oder vorhandener Leerstände, den Immobilienmaklern, Expansionsabteilungen von Handelsmarken und an Ravensburg interessierten Händlern zu sein. Er sehe sich als Vermittler zwischen Handel und Immobilienmakler oder Eigentümer.Vorbeugende Maßnahmen: Wie Senghas erklärt, ist es in Ravensburg einigen Händlern gelungen, oftmals über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg angrenzende Geschäftsräume zu erwerben oder anzumieten. Die Altstadt bringe oftmals durch schmale, tiefe und kleinteiligen Erdgeschossflächen Herausforderungen mit sich, die nicht jeder Anforderung durch Handelsmarken entsprechen. Auch sei eine strategische Entwicklung mehrerer kleinerer Einzelhandelsflächen gebäudeübergreifend nicht immer einfach zu erzielen, da Brand- und Denkmalschutz berücksichtigt werden müssen. Die Stadt unterstütze die Prozesse, in denen Geschäftskomplexe entstehen, die sich über mehrere an sich grenzende kleinere Altstadthäuser erstrecken. KonstanzAnzahl Leerstände: „Für Konstanz gilt im Moment, dass wir keine nennenswerten Leerstände haben“, sagt Friedhelm Schaal von der Wirtschaftsförderung Konstanz. Zwar stünden etwa fünf Geschäfte leer, die Nachmieter stünden jedoch schon bereit.Gründe für Leerstände: Laut Friedhelm Schaal ändert sich das Kaufverhalten der Kunden, der Onlinehandel erhöhe den Druck auf die Händler. Zudem müssen Geschäfte aufgeben, weil sich kein Nachfolger findet.Umgang mit Leerständen: Die Stadt Konstanz ist laut Friedhelm Schaal im regelmäßigen Austausch mit den Händlern, um sich verbessern und den Handel stärken zu können. Die Händler werden angeregt, sich über Schulungen zu verbessern. Außerdem setze die Stadt sich als Vermittler ein, um im Fall einer Ladenschließung schnell Nachfolger zu finden. Eine Datentabelle helfe zudem, Nachfrage und Angebot zusammenzubringen. Man bemühe sich, „sehr frühzeitig in die Speichen zu greifen und zu helfen.“Vorbeugende Maßnahmen: „Eine Stadt kann sehr viel tun, indem sie hoch attraktiv ist“, betont Friedhelm Schaal. „Die Attraktivität spielt eine immer größere Rolle.“ Die Stadt wolle die Sauberkeit daher nach oben zu treiben, zudem war unter anderem der Konzilplatz in der Vergangenheit umgestaltet worden. Aber auch die verkehrliche Situation spiele eine Rolle, ein Parkleitsystem und Verkehrskadetten sollen in Konstanz dabei helfen, die Lage in den Griff zu bekommen. Laut dem Einzelhandelskonzept der Stadt Konstanz liege der Fokus zudem auf der Innenstadt, das Einkaufszentrum Lago sei bewusst dort angesiedelt worden, um Kunden anzuziehen. Wichtig sei aber auch, gar nicht erst zu viele Geschäfte in der Stadt anzusiedeln, so Schaal. Die Stadt Konstanz habe sich auf 1,8 bis 2,2 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner geeignet, aktuell liege man bei 1,9 Quadratmeter. „Wir sagen Qualität vor Quantität“, sagt er. Wenn eine Gemeinde zu viele Geschäfte habe, aber zu wenig Leute, könne das gar nicht gut gehen, schließlich könne nicht mehr als eingekauft werden. Zu viele Läden sorgen für einen Verdrängungswettbewerb, der zu Leerständen führe. Bezüglich Miete seien die Möglichkeiten der Stadt dagegen begrenzt, so Schaal. Sie selbst besitze kaum Immobilien mit Verkaufsräumen und könne daher Vermieter nur dazu ermuntern, lieber nicht die maximale Miete zu fordern, aber dafür dauerhafte Mieter zu gewinnen.