Im Schaufenster des leer stehenden Geschäfts in der Christophstraße, wo im Normalfall Schaufensterdekoration und ordentlich drapierte Ware zu finden sein sollten, hängen Papierbahnen, die den Blick ins Innere des Gebäudes verdecken. Über dem Eingang ragen noch die Metallbolzen aus der Wand, an denen wohl einmal die Lettern des Geschäftsnamens befestigt wurden.
Es ist einer von zwölf Leerständen, die die Stadt Überlingen bei der bisher letzten Bestandsaufnahme im April 2019 gezählt hat. Nicht enthalten sind darin zum Beispiel das Wäschegeschäft Medima und der Vodafone-Shop, die bis vor einigen Wochen noch an der Hofstatt und in der Münsterstraße zu finden waren, mittlerweile jedoch geschlossen wurden. Über die Lage hatte der SÜDKURIER bereits Anfang September berichtet. Händler und der Wirtschaftsverbund Überlingen (WVÜ) nannten unter anderem die zu kurze Tourismussaison, fehlende Parkplätze und die hohen Mieten als Grund für die Händlerflucht.

Die Stadt reagierte daraufhin mit einer Pressemitteilung, in der sie bekannt gab, die Leerstände für einen Wandel des Handels nutzen zu wollen. Neubelegungen sollen zur Belebung der Innenstadt beitragen, es finde eine Verschiebung von der Einzelhandelsnutzung der Geschäftsräume zur Gastronomie, beziehungsweise zur Mischnutzung statt.
Pächter und Händler vermitteln
Was aber ist konkret geplant? Welche Maßnahmen ergreift die Stadt, um Leerstände zu vermeiden? Und wie soll der Überlinger Handel nach dem angekündigten Wandel aussehen? Der SÜDKURIER hat nachgefragt und dokumentiert an dieser Stelle, was die Pressestelle der Stadtverwaltung zu ihrer Vorgehensweise bekannt gibt: Die Wirtschaftsförderung bemühe sich demnach zum einen, Angebot und Nachfrage zusammen zu bringen. Nach der Erhebung der Leerstände im April habe man zu den Inhabern der Immobilien Kontakt aufgenommen, um mehr über die Gründe der Schließungen zu erfahren und sie zugleich auf Anfragen von Interessenten hinzuweisen. Aber auch die Vermieter selbst sollen versuchen, passende Pächter zu finden. Auch biete die Wirtschaftsförderung Seminare an, „um den Einzelhändlern bei Interesse die Möglichkeit zu bieten, sich neue Ideen zu holen.“ Die Studie „Vitale Innenstädte„, die das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) im Auftrag der Stadt Überlingen erstellt hat, und die Überlingen mit der Schulnote 2,1 bewertete, werde genutzt, um Investoren zu informieren. Und sie helfe der Stadtverwaltung, eine Einschätzung der eigenen Situation zu erhalten.
Zudem bemühe die Stadtverwaltung sich, mehr Passanten und damit mögliche Kunden in die Innenstadt zu locken und diese mit Maßnahmen wie der Neugestaltung des Landungsplatzes zum Verweilen anzuregen. Die Stadtverwaltung geht außerdem davon aus, dass die Landesgartenschau zur Belebung der Innenstadt beiträgt – und das auch dauerhaft: „Viele Besucher der Landesgartenschau werden Überlingen zum ersten Mal besuchen und damit kennenlernen. Da wir eine wichtige Destination am Bodensee sind und die Attraktivität der Stadt sehr hoch ist, wird ein Teil der Besucher in den Folgejahren die Stadt wieder als Urlaubsort aufsuchen“, ist sie sich sicher.
Parkplatzsituation bleibt Problem
Doch mit den Gästen der Landesgartenschau kommt auf Überlingen auch eine große Herausforderung in Sachen Verkehr zu. Bereits in der Vergangenheit hatten Veranstaltungen in der Stadt für Verkehrschaos gesorgt, als hunderte Autos auf der Suche nach Parkplätzen die Straßen verstopften. Im September sprach Klaus Munding, stellvertretender Vorsitzender des WVÜ gegenüber dem SÜDKURIER von einem Parkplatzproblem und warnte, derart chaotische Zustände während der Landesgartenschau könnten die Kundschaft verärgern. Er forderte eine bessere Beschilderung, ein Parkleitsystem oder menschliche Einweiser und vor allem mehr Parkplätze. Diese Meinung wurde von mehreren Händlern unterstützt, eine von ihnen schlug Kurzzeitparkplätze auf der Hofstatt vor. In der Aufzählung der Maßnahmen gegen die Leerstände gegenüber dem SÜDKURIER geht die Stadt jedoch nicht auf eine Verbesserung der Parkplatzsituation ein.

Was das Stadtbild der Zukunft angeht, setzt die Stadt Überlingen auf Abwechslung: Man sei bemüht, „einen guten Branchenmix in der Innenstadt zu haben.“ Und innerhalb der Gastronomie gelte es, Vielfalt anzubieten. Ob es in Überlingen allerdings vermehrt zu einer Ansiedlung von Restaurants kommen soll, wie sich anhand des angekündigten Wandels vom Einzelhandel zur Gastronomie vermuten lässt, lässt die Stadt auch nach mehrfacher Nachfrage offen. Fest steht für sie allerdings: „Die Handelsfunktion der Innenstadt soll erhalten bleiben, da diese ein wichtiger Bestandteil der Gesamtattraktivität der Innenstadt ist.“
Stadt hat nicht immer Einfluss
Laut der Pressestelle seien die Steuerungsmöglichkeiten aber begrenzt, Gastronomiebetriebe und Einzelhandel der Marktentwicklung unterworfen. In der Textilbranche werden aufgrund einer Marktveränderung derzeit Läden frei – was sich in Überlingen zum Beispiel an der Schließung des Geschäfts Gerry Weber, in der Christophstraße zeigt. Aufgabe der Stadtverwaltung sei es, die Innenstadt an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die Umnutzung von Geschäftsräumen sei allerdings nicht immer problemlos möglich, etwa, wenn für einen Gastronomiebetrieb notwendige Toiletten eingebaut werden müssen, was laut Stadt „in einem innerstädtischen Altbau aufgrund des Platzmangels Probleme bereiten kann.“
Auch solle kleinen, handwerklichen Unternehmen mehr Beachtung geschenkt werden, etwa durch eine verstärkte Vernetzung von Initiativen wie „Schöne Dinge am See“, die jährlich einen Stadtführer mit Ateliers, Galerien und Geschäften herausgeben will, und der Stadtverwaltung. Gegen die hohen Pachten in der Innenstadt, die sowohl von Klaus Munding und einigen Überlinger Händlern als Belastung für die Einzelhändler kritisiert wurden, könne die Stadtverwaltung jedoch nichts unternehmen: „Für die Höhe der Pacht zeichnet alleine der Verpächter verantwortlich, die Stadt hat hierauf keinen Einfluss“, heißt es von der Pressestelle.
Leerstände
In der Pressemitteilung, die die Stadt zu den Leerstände herausgegeben hat, wies die Verwaltung darauf hin, dass jeder Fall für sich betrachtet werden sollte, da es unterschiedliche Gründe für Schließungen gebe: Darunter Händler, die nach ihrem Ruhestand keine Nachfolger finden oder ein Wechsel des Eigentümers. Der Wirtschaftsförderer der Stadt, Stefan Schneider, möchte dem SÜDKURIER in der nahen Zukunft mehr über die Hintergründe der Leerstände in Überlingen berichten.