Zwei Schlagworte sind bei OB Jan Zeitler und seiner Verwaltung schnell bei der Hand, wenn es um die Unterstützung von Vereinen geht: Freiwilligkeit und Gleichbehandlung. Das klingt fair und damit lassen sich Begehrlichkeiten abwehren. Auf drei Themenfeldern spielte dies zuletzt eine wichtige Rolle.
Nach dem Verkauf des Telekomhauses, das als „Haus der Vereine“ Karriere gemacht hat, an einen privaten Investor. Mit der Folge, dass einige Nutzer das Feld räumen, andere die Beiträge deutlich erhöhen mussten. Unterdessen wächst das neue Sportzentrum, das gegen Ende 2020 zumindest viele Probleme lösen könnte. Unabhängig davon ringt der DAV um die Finanzierung seiner Kletterhalle, für die er mehr Unterstützung erwartet hatte.
Das Sportangebot in Überlingen ist riesig, sagt Roland Ruf, Vorsitzender des Turnvereins. „Kinder und Jugendliche wissen nicht, was sie zuerst machen sollen“, sagt Ruf: „Doch das ist ja gut so.“ Allein sein Verein hat viele florierende Sparten, vom Turnen über Hand- und Volleyball bis zum Tischtennis. „Wir sind im letzten Jahr um rund 100 Mitglieder gewachsen“, sagt der Vorsitzende. Auch der DAV habe sich mit seiner Boulderhalle viel vorgenommen. Dies werde ein attraktives Angebot für die ganze Region.

Ein heißes Eisen ist für Ruf die Frage der Gleichbehandlung. „Da rumort es schon manchmal unter der Decke“, sagt er. Er missgönne keinem anderen Verein etwas. Allerdings wünscht er sich bisweilen mehr Transparenz. So blickten manche misstrauisch auf den Fußballclub, bei dem die Stadt die Platzpflege leistet, den neuen Kunstrasenplatz finanziert hat und OB Zeitler wenige Monate nach Amtsantritt den Vorsitz beim Förderverein übernahm.
Ein Wermutstropfen sind für den TV nach wie vor die Hallengebühren. „In Markdorf oder Radolfzell gibt es das nicht“, erklärt Ruf. Dies mache bei seinem Verein mit rund 20 000 Euro ein Viertel der Mitgliedsbeiträge aus und wiege umso schwerer, als man auch Familien Angebote machen wolle, „die es nicht so dicke haben“.

Toll findet Ruf die Jugendförderung der Stadt. „Das ist zumindest ein kleiner Ausgleich.“ Leid tut ihm die missliche Situation der Vereine im Telekomhaus. „Die Stadt könnte ja wenigstens für das Training von Kindern einen Mietanteil übernehmen.“ Soweit ist es zwar noch nicht, doch sei man nach einem Austausch mit der Verwaltungsspitze, Gemeinderäten und Vermieter inzwischen „optimistisch“, wie Dieter Faulhammer vom Karate-Dojo betont.
„Wir konnten Missverständnisse gegenüber der Stadt ausräumen und haben Wohlwollen gespürt“, sagt Faulhammer. „Nun sind wir auf der Zielgeraden.“ Konkret heißt dies, dass die Mieter im Telekomgebäude demnächst einen Dachverein gründen, der Organisation und Verwaltung übernehmen wird. Eine Rückversicherung der Stadt hätten die Vereine gespürt, so Faulhammer: „Man werde uns nicht hängen lassen, hieß es.“
Das sagen die Gemeinderatskandidaten
- Das Telekomhaus ist noch ein wichtiges Domizil für Vereine. Sehen Sie die Stadt hier in der Verantwortung? Was könnte sie zur Lösung beitragen?
- Bei der Förderung von Vereinen wird gerne eine absolute Gleichbehandlung proklamiert. Die kann es kaum geben. Nach welchen Kriterien würden Sie Vereine unterstützen?
- Der DAV hat sich mit viel Engagement für eine Boulderhalle eingesetzt. Hätten Sie sich einen größeren Beitrag der Stadt gewünscht?
FDP: Engagement verdient Förderung
Unsere Vereine repräsentieren die lokale Engagementkultur. Natürlich steht die Kommune in der Verantwortung, diesen wichtigen Teil einer funktionierenden Zivilgesellschaft zu fördern. Gerade in Überlingen brauchen Vereine Unterstützung, um geeignete Räume zu finden und zu halten. Wir sehen es daher als Pflicht der Stadtverwaltung, den Vereinen im Sinne einer langfristigen, bezahlbaren Lösung beizustehen. Natürlich sind auch die Vereine gefragt: zusammenarbeiten, mit einer Stimme sprechen. Nur gemeinsam kann eine für alle Beteiligten tragbare Lösung gefunden werden.
Vereine, die von der Kommune gefördert werden, sollten objektiv zum Gemeinwohl der Kommune beitragen, indem sie beispielsweise Jugendarbeit und Integration leisten und im städtischen Leben präsent sind. Solche Vereine können Teile ihrer Ausgaben im Rahmen einer vernünftigen Vereinsförderung mit nachvollziehbaren Kriterien refinanzieren. Wichtig ist uns, dass diese Kriterien für alle Vereine gleich sind. Engagement muss gefördert werden – nicht nur finanziell. Wir erwarten von der Stadtverwaltung weitere Dienstleistungen für die Vereine: Informationen zu aktuellen Förderprogrammen, Informationen und Kontakt zu Stiftungen, Unternehmen und anderen Förderern; Beratung und Qualifizierung zu Fragen der Mitgliedergewinnung und Öffentlichkeitsarbeit oder Arbeitsgruppen, die sich mit der Vereinsorganisation und -weiterentwicklung beschäftigen. So geben wir den Vereinen das Rüstzeug, erfolgreich zu arbeiten, wovon wiederum die Kommune profitiert.
Wir hätten uns einen größeren Beitrag gewünscht, nicht finanziell, sondern inhaltlich in Form von Transparenz und Engagement seitens der Stadtverwaltung, die ihr Fachwissen aktiv und innovativ zum Wohle der Stadt hätte einsetzen sollen. Den Alpenverein frühzeitig in Planungen einbinden, bei Anträgen helfen, professionell kommunizieren, und die Sache hätte sich ganz anders dargestellt. Geld, das die Stadt nicht hat, kann sie nicht ausgeben, das hätten alle Beteiligten ungeachtet ihres Einsatzes verstehen können. Stattdessen fühlten sie sich alleingelassen. (Für FDP: Saskia Winkler)
SPD: Es könnte etwas mehr sein
Wir alle sind uns wohl einig, wie wichtig die Arbeit unserer Vereine für das gesellschaftliche Leben in unserer Stadt ist; insbesondere die Jugendarbeit. Das muss sich die Stadt auch was kosten lassen. Das tut sie auch. Wir können uns vorstellen, dass das auch mehr sein könnte. Aber: Es ist – neben all den Pflichtaufgaben, die die Stadt gesetzlich erbringen muss – eben eine reine Freiwilligkeitsleistung. Und deshalb meinen wir, eine Vermittlerrolle kann die Stadt spielen. Eine irgendwie geartete Finanzierung kann schon aus Gleichbehandlungsgründen gegenüber den vielen anderen Vereinen, nicht übernommen werden.
Es ist sicher richtig, dass es eine absolute Gleichbehandlung seitens der Stadt nicht geben kann. Dazu sind die Überlinger Vereine auch viel zu unterschiedlich. Aber für uns darf das jedoch nicht heißen, dass man bei der Förderung und einer gerechten Unterstützung der Vereine sich nicht immer wieder genau diese Frage stellen muss. Die gezielte Jugendförderung muss für uns dabei absolut im Vordergrund stehen. Was man hier nämlich „spart“, zahlt man sonst später als „Reparaturkosten“ doppelt und dreifach!
Die Frage ist mit Antwort 2. eigentlich schon beantwortet. Wir sind der Meinung, dass die Stadt in diesem Fall ihre Möglichkeiten ausgereizt hat. (Für SPD: Michael Wilkendorf)
FWV/ÜfA: Jugend stärker unterstützen
Das Telekomhaus ist für die Überlinger Vereine nach wie vor sehr wichtig. Große Vereine wie der Judoverein, der Karateverein und der Tanzsportclub, aber auch kleinere Vereine sind dort ansässig. Insgesamt sind mehrere hundert Mitglieder dort aktiv, die meisten davon Jugendliche. Die Stadt war bislang Hauptmieter und hat an die Vereine untervermietet. Inzwischen ist wieder der Eigentümer direkter Vermieter an die Vereine, hierdurch sind die Mieten erheblich gestiegen. Die Stadt ist in der Verantwortung, dabei zu helfen, dass die Vereine auch weiterhin eine bezahlbare Perspektive im Telekomhaus haben. Durch die Übernahme einer Vermittlerrolle zwischen Vermieter und den Vereinen ist die Stadt hier auf dem richtigen Weg, muss aber in der Verantwortung bleiben.
Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass alle gleich behandelt werden müssen, sondern, dass Unterschiede, die bei den Vereinen bestehen, zu berücksichtigen sind. Gerade Vereine, in denen viele Jugendliche aktiv sind, haben die besondere Unterstützung durch die Stadt verdient. In Vereinen lernen Jugendliche soziale Kompetenzen, Vereine bieten die Möglichkeit, sich ohne große Kosten sportlich zu betätigen, in Vereinen können Jugendlichen ihren Interessen nachgehen, die in der Schule gegebenenfalls zu kurz kommen. Eine pauschale jährliche Unterstützung an die gemeinnützigen Vereine pro aktivem Jugendlichen wäre eine gerechte Lösung. Diese gibt es zwar schon, sie ist jedoch deutlich zu niedrig.
Um Querelen zwischen den Vereinen zu vermeiden sollte ein objektiver und transparenter Schlüssel für die Förderung der Vereine gefunden werden. Ausnahmen und Sonderbehandlungen sollten möglichst vermieden werden. Der Beitrag der Stadt war daher angemessen, auch wenn die Unterstützung nicht – wie ursprünglich gewünscht – in Form einer bestimmten Summe, sondern auf andere Art erfolgt. (Für FWV/ÜfA: Christian Sellerbeck)
LBU/Grüne: Haus der Vereine gewollt
Vereine tragen zum sozialen Zusammenhalt, zur Identifikation mit der Stadt, zur Integration und zur individuellen Gesundheitsförderung bei. Durch sie werden Werte gelebt und Traditionen aufrechterhalten. Viele Gründe, Vereine zu unterstützen, auch vonseiten der Stadt. Vor dem Verkauf des Telekomgebäudes hat die Stadt den dort ansässigen Vereinen Räume günstig überlassen. Viele dieser Vereine haben dort langfristig investiert und erwarten nun zu Recht eine Unterstützung seitens der Stadt. Ein mögliches Instrument wäre eine stärkere Jugendförderung. Dies würde allen Vereinen, die sich für Jugendliche engagieren, zugutekommen, und gerade die noch verbliebenen Vereine im Telekomhaus haben viele jugendliche Mitglieder. Wir wünschen uns, dass ein Haus der Vereine und der Bürgerschaft entsteht (Mitfinanzierung über Fördermittel, (Bürger-)Fonds, Sportbünde). Es könnte ein Bürgerprojekt sein, bei dem auch Vereine tatkräftig mitwirken.
Vereine sollten bedarfsorientiert, nachvollziehbar und gerecht gefördert werden. Kriterien sollten sein: Wie viele Jugendliche sind im Verein? Welchen Beitrag leistet der Verein für die Stadt beziehungsweise die Teilorte? Wie groß ist die Mitgliederanzahl? Besteht für jeden Zugang? Wie trägt der Verein zur Integration bei? Bietet der Verein offene Angebote für Nichtmitglieder?
Während der Planungsphase der Boulderhalle haben sich die Randbedingungen geändert, und für Synergien mit der Sporthalle wurden leider keine Lösungen gefunden beziehungsweise (etwa bei der Wärmeversorgung) in die Tat umgesetzt. Dabei erfüllt die Boulderhalle städtische Bedürfnisse: Sie ergänzt das sportliche Angebot für Einheimische, Schulen und Gäste, vor allem für Jugendliche. Es ist ein offenes Angebot, kann also auch von Menschen, die kein Vereinsmitglied sind, genutzt werden. Die Halle macht die Nebensaison für Gäste attraktiver und trägt damit zur Förderung der Wirtschaft bei. Daher sollte nochmals überlegt werden, welchen Beitrag die Stadt hier leisten kann, etwa bei Außenanlagen, Parkplätzen, Geräteausstattung und verbindlichen Belegungskontingenten durch die Schulen. (Für LBU/Grüne: Sonja Gröner)
BÜB+: Festes Budget zum Bouldern
Mehrere kleinere Vereine haben das Telekomgebäude bereits verlassen mussen. Fur die verbliebenen Großen muss schnell eine Regelung gefunden werden, um deren Existenz zu sichern. Es war ein Fehler der Stadt, beim Verkauf des Telekomareals fur nur 1,8 Millionen Euro nicht eingestiegen zu sein, um die Entwicklung des großen Geländes allein in der Hand zu haben. Vor einer vom Investor beantragten Umwandlung zu Bauland muss die Stadt versuchen, das Areal zu kaufen. Alternativ ist mit dem Eigentumer ein städtebaulicher Vertrag abzuschließen, im Gegenzug zu einer extrem wertsteigernden Baulanderschließung das Vereinshaus an die Stadt zu ubertragen. Das kann dann gemeinsam mit den Vereinen weiterentwickelt werden. Berechtigte Wunsche der Anwohner Langgasse durfen keinesfalls gegen die Interessen der Vereine ausgespielt werden!
Vereinsförderung: Wir sehen die Stadt in der Pflicht! Gemeinnutzige Vereine dienen der Gemeinschaft in unserer Stadt, haben eine wichtige soziale Funktion. Alle haben ein Recht auf Förderung und Unterstutzung, die allerdings nicht nur von der Anzahl jugendlicher Mitglieder abhängig sein darf. Vereine, die sich speziell um Jugendliche oder um sozial benachteiligte Gruppen unserer Gesellschaft kummern, könnten jedoch etwas bessergestellt werden. Ebenso Vereine, die ehrenamtlich der Allgemeinheit dienen, wie etwa Feuerwehr, DLRG, Hospizgruppe. Vereine, die selbst viel Geld und Zeit investieren, mussen die Chance auf einen angemessenen Zuschuss bekommen.
Der DAV ist mit 2800 Mitgliedern der größte Verein der Stadt. Wenn ein gemeinnutziger Verein in Eigeninitiative eine öffentlich nutzbare Sportstätte baut und betreibt, kann man das nur begrußen. Die BÜB+ bedauert die Ablehnung der Förderung durch den Gemeinderat. Fur Schuler, Burger und Touristen ist diese Halle ein hochwertiges Sportangebot, das ganzjährig und bei jedem Wetter genutzt werden kann. Zur Hilfe bei der Finanzierung stellen wir uns eine deutliche Reduzierung der Erbpacht fur das Grundstuck, ersatzweise ein festes Budget fur die Schulen vor, damit der DAV die Betriebskosten besser kalkulieren kann. (Für BÜB+: Rolf Briddigkeit)
CDU: Individuelle Betrachtung nötig
Nach unserer Auffassung steht die Stadt auch nach dem Eigentümerwechsel in der Verantwortung für die im Telekomgebäude beheimateten Vereine. Es gibt Vereine, die aufgrund ihrer Aktivitäten die angebotenen Räumlichkeiten in anderen städtischen Liegenschaften nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand nutzen können. Die durch die Vermittlung der Stadt auf den Weg gebrachten Gespräche mit dem neuen Eigentümer sowie die Selbstverwaltung der betroffenen Vereine sind der richtige Weg, um einen längerfristigen annehmbaren Mietvertrag zu erreichen. Sobald er vorliegt, wird der Gemeinderat zu entscheiden haben, in welcher Form eine bedarfsgerechte Unterstützung geleistet werden kann. Wir stehen für eine angemessene Förderung.
Aufgrund unterschiedlicher Strukturen kann es keine absolute Gleichbehandlung der Vereine geben. Wichtig ist, dass die Vereinsförderung insgesamt transparent und sachlichen Kriterien unterworfen ist. Objektives Kriterium kann die Anzahl von Kindern und Jugendlichen sein, die durch den Verein betreut werden. Erheblich ist aber auch, inwieweit durch Vereinsaktivitäten Einnahmen zur Deckung der Kosten erzielt werden. Die Vereine müssen, wie es in den letzten Jahren gehandhabt worden ist, individuell betrachtet werden. Die angemessene Förderung der Vereinsarbeit durch die Stadt ist die Grundlage der außergewöhnlich vielfältigen Vereinstätigkeit in Überlingen. Diese muss zwingend beibehalten werden, da sie für unser Stadtleben unverzichtbar ist.
Wir denken, dass sich die Stadt bei der Boulderhalle wie bereits im Vorfeld auch im laufenden Umsetzungsprozess angemessen einbringt. Die CDU setzt sich mit vollem Nachdruck dafür ein, dass die Halle auch weiterhin unterstützt wird. Dies muss nicht zwingend durch direkte Finanzmittel geschehen, auch sogenannte Nebenleistungen, die im Zusammenhang mit dem Schulcampus für die Halle erbracht werden, helfen dem Verein bei der Realisierung. Die CDU steht zur Boulderhalle und ist, wenn es nachweislich erforderlich ist, auch bereit, dieses wichtige Projekt über die jetzt gewährten Leistungen hinaus zu unterstützen. (Für CDU: Günter Hornstein)
Die Serie
„Sechs Mal sechs“ ist der Titel einer SÜDKURIER-Serie zum Kommunalwahlkampf, bei dem die sechs für den Überlinger Gemeinderat antretenden Parteien und Gruppierungen zu sechs Themenkomplexen Stellung nehmen. Den jeweiligen Experten, der hier mit Bild zu Wort kommt, benannten die Listen selbst. Die maximale Zeilenzahl war vorgegeben, musste aber natürlich nicht ausgeschöpft werden.