Wir sind dann mal weg. Das werden die 31 Waldrappe mehrerer Generationen demnächst sagen, die in dieser Woche noch im Salemer Tal nach Würmer stocherten. Wesentlich länger als die frühere Ziehmutter und jetzige Birdmanagerin, wie es inzwischen heißt, Anne-Gabriela Schmalstieg erwartete. Sie rechnete spätestens seit der zweiten Oktoberwoche täglich mit dem Abflug der Vögel in Richtung Winterquartier. Mit dabei sein werden dann auch der Überlinger Erstgeborene „Professor“ und die anderen fünf jungen Goldbacher. Bis zur Pubertät wird der jüngste Nachwuchs nach seinem ersten Flug über die Alpen dann an der toskanischen Küste verweilen.

Der Jungfernflug von „Professor“, dem ersten gebürtigen Überlinger im Juni. Bald wird auch er seinen Flug in den Süden antreten.
Der Jungfernflug von „Professor“, dem ersten gebürtigen Überlinger im Juni. Bald wird auch er seinen Flug in den Süden antreten. | Bild: Schnekenburger

Zurückkehren werden im kommenden Frühjahr allerdings die älteren geschlechtsreifen Generationen und möglicherweise in noch größerer Zahl brüten. Erstmals sollen dann auch Nester in die Molassefelsen östlich des Überlinger Wasserwerks bei Brünnensbach transferiert werden. „Die Nischen sind perfekt geeignet“, war Johannes Fritz, Projektleiter des Waldrappteams, nach einer persönlichen Inspektion vor Kurzem begeistert.

Aus gut 25 Metern zu den Nischen abgeseilt

Mithilfe der Tuttlinger Bergwacht aus dem Donautal hatte er sich aus gut 25 Metern Höhe an der senkrechten Felswand abseilen lassen, um die Größe und Oberfläche der Querspalten direkt in Augenschein zu nehmen. Diese Nischen liegen wenige Meter unterhalb des Höhenwegs hoch über dem Boden. Dass in diesem Jahr in unmittelbarer Nähe ein Kolkrabenpaar gebrütet hatte, machte den Biologen zwischenzeitlich etwas Sorgen. Doch aufgrund der unterschiedlichen Topografie an den beiden Stellen sollten sich die Tiere nicht in die Quere kommen, ist Fritz nach dem Eindruck vor Ort überzeugt.

Biologe Johannes Fritz lässt sich gemeinsam mit Alexandra Hipp von der Bergwacht abseilen und inspiziert die geplanten Brutnischen, in ...
Biologe Johannes Fritz lässt sich gemeinsam mit Alexandra Hipp von der Bergwacht abseilen und inspiziert die geplanten Brutnischen, in die die Waldrappe 2022 transferiert werden sollen. | Bild: Hanspeter Walter

Ursprünglich war ein Transfer zu dem natürlichen Brutfelsen bereits in diesem Sommer geplant gewesen. Denn mit sechs jungen Überlinger Waldrappen war die erste Brut an der künstlichen Wand in den Weinbergen bei Goldbach bereits ein Erfolg. „Allerdings schlüpfte der Nachwuchs in einem so langen zeitlichen Abstand“, sagt Betreuerin Anne-Gabriela Schmalstieg, „dass wir auf die geplante Verlegung der Nester verzichten mussten.“

Insbesondere während der Landesgartenschau, wo das Projektteam sich mit einem Info-Pavillon vorstellte, wäre das noch ein besonderer Hingucker gewesen. Doch die Jungvögel sollten dazu den optimalen Entwicklungszustand erreicht haben – also schon alt genug, aber auch noch nicht zu groß, hatte Schmalstieg im Juni die Schwierigkeiten erläutert und hofft, dass die Konstellation im Frühjahr 2022 idealer sein wird.

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Waldrappteam hat vierten Standort im Blick

Als Ziehmutter der Überlinger Population wird auch sie sich dann mit den Tieren in die Felsspalte begeben müssen, die die Vögel später einmal selbst auffinden sollen. An den ersten beiden Projektstandorten nahe Passau und Salzburg hat dies bereits mehrfach gut funktioniert. Unterdessen ist das Waldrappteam dabei, einen vierten Standort zur Ansiedlung in der Schweiz ausfindig zu machen und genehmigt zu bekommen. „Damit soll auch die westliche Zugroute gestärt werden“, sagt Roger Graf aus Schaffhausen, der die Überlinger Brutfelsen und die künstliche Wand jetzt in Augenschein nahm. „Doch im Moment haben wir noch Probleme mit der Genehmigung des Vorhabens durch die Berner Behörden“, erklärt der Schaffhausener.

Biologe und Waldrapp-Projektleiter Johannes Fritz unter den künftigen Brutfelsen an der Molassewand mit Matthias Schiele von der ...
Biologe und Waldrapp-Projektleiter Johannes Fritz unter den künftigen Brutfelsen an der Molassewand mit Matthias Schiele von der Bergwacht Donautal sowie Michael Brantner und Rolf Geiger vom Grünflächenamt der Stadt. | Bild: Hanspeter Walter

Bereits zum zweiten Mal war jetzt mit Matthias Schiele, Peter Teufel, Alexandra Hipp und Theresa Opitz ein vierköpfiges Team der Bergwacht aus dem Donautal an den See gekommen, um Johannes Fritz bei der Untersuchung eines Brutstandorts für die Waldrappe zu unterstützen. Mit Projektleiter Fritz ließ sich Alexandra Hipp in die Felsnische abseilen, um die Inspektion zu dokumentieren. Ehe beide gemeinsam hinunter in Richtung See schwebten.

Anne-Gabriela Schmalstieg (Birdmanagerin), Matthias Schiele, Alexandra Hipp, Peter Teufel und Theresa Opitz (von links).
Anne-Gabriela Schmalstieg (Birdmanagerin), Matthias Schiele, Alexandra Hipp, Peter Teufel und Theresa Opitz (von links). | Bild: Hanspeter Walter
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