Überall dort, wo sich Widerstand gegen Windkraftanlagen im Land aufbaut, ist auch Ulrich Bielefeld zugange. Der Landschaftsarchitekt aus Überlingen hat eine Methode entwickelt, mit der er geplante Windkraftanlagen optisch darstellt und aufzeigt, wie sich das Landschaftsbild verändern könnte. Aktuell produziert er Fotomontagen, die aufzeigen sollen, wie Windkraftanlagen vom Bodensee aus wirken, sofern sie auf dem Höhenrücken zwischen Überlingen-Nesselwangen und Owingen gebaut würden.

Die Bürgerinitiative Gegenwind Hochbühl veröffentlicht Bielefelds Fotomontage auf ihrer Internetseite. Eine zweite Bürgerinitiative nennt sich Wende-Ende, im Impressum wird der Überlinger AfD-Gemeinderatskandidat Thorsten Peters geführt. Die Bürgerinitiative Überlingen Zero wiederum, die sich für stärkeren Klimaschutz einsetzt, warnt davor, dass der Kampf gegen Windkraft von der AfD und anderen Klimawandel-Leugnern instrumentalisiert werde.

Seit über zehn Jahren ist Bielefeld in der Branche aktiv. „Ich habe schon über 80 Bürgerinitiativen hinter mir“, sagt er. Auch als 2012 die erste große Windkraftdebatte in der Region anhob, erreichte er die Bürger mit seinen Bildern von hinter der Klosterkirche Birnau scheinbar aufragenden Windrädern, die auf dem Gehrenberg angedacht waren.

Landschaftsarchitekt Ulrich Bielefeld
Landschaftsarchitekt Ulrich Bielefeld | Bild: Hilser, Stefan

In keiner einzigen Bürgerinitiative (BI) sei er selbst Mitglied oder arbeite aktiv an deren Zielen. Er berate nur und stelle Fotomontagen zur Verfügung. „Ich mache das aus fachlicher und neutraler Position heraus“, sagt Bielefeld. Er arbeitet seit zwei Jahren als Naturschutzbeauftragter in Diensten des Bodenseekreises, betont aber, dass er seine beratende Tätigkeit für Bürgerinitiativen nicht in dieser Funktion, sondern als Landschaftsarchitekt vornehme. Auf Anfrage teilte er mit: „Für die AfD habe ich noch nie etwas gemacht und werde es auch in Zukunft nicht machen.“ Doch nur weil die AfD das Thema besetzt, so Bielefeld, „heißt es ja nicht, dass man darüber nicht mehr diskutieren darf“.

Was der Regionalverband sagt

Wolfgang Heine, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, antwortete auf die Frage, ob die Fotomontagen die Realität zeigen: „Prinzipiell tun wir uns etwas schwer, solche Fotomontagen zu beurteilen. Wir können verstehen, dass das die Leute vor Ort beschäftigt und sie wissen wollen, was auf sie zukommt.“ Sie seien als Regionalbehörde für die Flächenplanung zuständig. Detailfragen beträfen aber primär das eigentliche Genehmigungsverfahren beim Landratsamt, in dem es um die konkrete Anzahl, Höhe und die eigentlichen Standorte der Anlagen geht.

Hier eine Fotomontage vom La Piazza über Andelshofen mit Blickrichtung Höhenrücken zwischen Nesselwangen und Owingen.
Hier eine Fotomontage vom La Piazza über Andelshofen mit Blickrichtung Höhenrücken zwischen Nesselwangen und Owingen. | Bild: Ulli

Bei den Fotomontagen komme es auch darauf an, ob sie von einem Laien oder einem Ingenieur erstellt würden. Die Diskussion darüber habe meist zwei Facetten, so Direktor Heine: „Zum einen geht es um eine ‚optisch bedrängende Wirkung‘ in der unmittelbaren der Nähe, zum zweiten um eine Verträglichkeit im Landschaftsbild auch aus der Ferne.“ Zu ersterem gebe es mittlerweile eine Rechtsprechung, nach der zur Vermeidung der optisch bedrängenden Wirkung ein Abstand von der zweifachen Gesamthöhe der Anlage zu Wohngebäuden et cetera gewahrt werden muss. Heine: „Wir unterstellen in unserem Plan Anlagen von 300 Metern Gesamthöhe, die es jetzt noch nicht gibt, aber sicher in nicht allzu ferner Zukunft.“

Hinsichtlich des Landschaftsbildes ließ der Regionalverband mit einem eigenen Gutachten für die Region untersuchen, inwieweit Beeinträchtigungen vorliegen und haben sie gegebenenfalls als Konfliktkriterium berücksichtigt. Das für sich genommen reicht aber nicht. Heine: „Neu ist, dass wegen des überragenden öffentlichen Interesses der erneuerbaren Energien das Landschaftsbild allein keine Windfläche mehr aushebeln kann. Es müssen schon weitere Konflikte hinzukommen, bevor eine Fläche ausscheidet.“

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BI schafft nicht nur mit Bildern

Die Owinger Bürgerinitiative „Gegenwind Hochbühl“ argumentiert nicht nur mit Bildern, sondern auch mit der Aufzählung von Gesundheitsgefahren, die vom Infraschall der Windkraftanlagen angeblich ausgehen. Behördlich festgelegte Grenzwerte für die Wahrnehmbarkeit von Infraschall werden als unzutreffend abgetan. Zudem zieht die BI die Co2-Bilanz von Windkraft in Zweifel.

Vor was Überlingen Zero warnt

Die Gruppe Überlingen Zero, die sich für einen stärkeren Klimaschutz einsetzt, warnt davor, dass die Diskussion gegen Windkraft von rechtsgerichteten Gruppen unterwandert werde: Nach Recherchen des früheren Owinger Arztes Bernd Hillebrandt steckt hinter vielen Bürgerinitiativen die Initiative „Vernunftkraft“, die inhaltlich und personell eng mit EIKE, Europäisches Institut für Klima und Energie, sowie der AfD verflochten sei. Überlingen-Zero-Mitglied Hillebrandt stützt sich dabei auf Recherchen unter anderem von Greenpeace und der Bundeszentrale für politische Bildung. EIKE sei ein pseudowissenschaftliches Institut der Klimawandelleugner. Von der Anmutung und den Inhalten her, die der Internetauftritt „Gegenwind-Hochbühl“ ausdrückt, sei für ihn klar erkennbar, so Hillebrandt, „dass sie ein Ableger von ‚Vernunftkraft‘ sind“. Den Mediziner treibt deshalb die Sorge vor „angstauslösenden, krankmachenden Desinformationen“ um, wie sie regelmäßig von den Akteuren bei EIKE und „Vernunftkraft“ betrieben werde.

In einer Stellungnahme gegenüber dem SÜDKURIER legt die Initiative „Vernunftkraft“ Wert darauf, dass sie sich in ihren Compliance-Regeln zu parteipolitischer Neutralität und Unabhängigkeit bekennt und weder mit der AfD noch mit EIKE personell eng verflochten sei. Radikale und extreme Positionen lehne sie entschieden ab.

„Gegenwind Hochbühl“ antwortete auf Anfrage des SÜDKURIER, ob sie sich von der AfD distanzieren, mit den Worten: „Wir sind eine Bürgerinitiative, die sich bewusst unparteiisch und politisch neutral aufgestellt hat – wir distanzieren uns grundsätzlich von allen Parteien. Uns geht es um den Erhalt des Hochbühl als Naturraum und den Erhalt unserer Lebensqualität.“ Auf die Frage, ob sie von „Vernunftkraft“ unterstützt werden, ging eine Sprecherin der Owinger Initiative nicht ein.