Anfangs hätten sie nur ein paar „Mitleidsbestellungen“ von Freunden erwartet, erzählt Pierre Schmitt, Mitgründer des Überlinger Brezeltaxis. Doch bereits nach kurzer Zeit waren es über 100 Bestellungen an einem Wochenende, die sie von der Bäckerei Baader in Frickingen aus vor die Haustüren der Region fuhren.
Mit seiner Frau Janna und der Owingerin Nicola Kraus hatte er das Konzept für das Start-Up noch vor der Pandemie entwickelt. Das Coronavirus kam zur richtigen Zeit für diese Geschäftsidee.
Denn des Bedürfnis, kontaktlos und einfach Backwaren an Wochenenden an die Haustür geliefert zu bekommen, gefiel vielen Menschen – auch über den ersten Corona-Lockdown hinaus.
Bestellzahlen wurden deutlich gesteigert
Ein Jahr später sitzt Pierre Schmitt am Überlinger Landungsplatz und blickt zurück. Er sagt: „Der Erfolg hat uns sehr erstaunt. Wir dachten, das Projekt Brezeltaxi sei ein nettes Hobby, aber es ist seitdem immer weiter gewachsen.“

Derzeit haben sie in Überlingen vier 450-Euro-Kräfte angestellt, die die Bestellungen für jeden Samstag- und Sonntagmorgen in der Bäckerei Baader in Frickingen verpacken und ausfahren. Die Bestellungszahlen konnten sie mittlerweile deutlich steigern, sagt Schmitt. Genaue Ziffern möchte er aber auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht nennen.
Auch der Deutschlandfunk hat sich gemeldet
Mehrere Zeitungen in Baden-Württemberg und Radiostationen haben bereits über ihr Start-Up berichtet. Kürzlich habe sich auch der Deutschlandfunk gemeldet, sagt Schmitt mit Verweis auf seinen Posteingang.

Seit Beginn hat sich das Führungstrio aber verändert: Die beiden Mitbegründerinnen sind nicht dabei. Sie haben Nachwuchs bekommen und sind kürzergetreten, Janna Schmitt kümmert sich aber nach wie vor um die Buchhaltung.
Neben dem IT-Fachmann Pierre Schmitt kümmert sich daher Nils Lehnebach aus Überlingen-Nußdorf um die Bereiche Marketing und Social Media. Der Dritte im Bunde ist David da Silva aus Freiburg. Er kümmert sich um den Vertrieb. Alle drei befassen sich nebenberuflich mit dem Brezeltaxi.
Brezeltaxi in Tübingen, Frankfurt und Freiburg
Seit Dezember 2020 gibt es das Brezeltaxi auch jenseits von Überlingen. „Konstanz war die zweite Stadt“, sagt Pierre Schmitt. Mittlerweile wird der Lieferdienst auch in elf weiteren Städten wie Tübingen, Frankfurt oder Freiburg angeboten. Bald sollen ebenso eine Stadt in Österreich und eine in der Schweiz dazukommen, erzählt er.

Die Backwaren werden dabei aber keineswegs immer von Frickingen an diese Orte gefahren. An den Standorten bauen sogenannte „Partner“, wie Schmitt sie nennt, mithilfe eines Software-Pakets der Überlinger ihr eigenes Liefernetz auf. Diese Partner sind meist Erzeuger oder auch lokale Unternehmer.
Die Überlinger beraten ihre Geschäftspartner dabei, ihr Sortiment zusammenzustellen. „Dazu bekommt man einen Online-Shop, den wir betreuen, eine Routen-Optimierer und eine Fahrer-App.“
Oft lägen „wirklich gute Bäcker“ in schwieriger Lage
Das Erfolgsgeheimnis sei, so Schmitt, dass sich die Kunden nicht um das Digitale kümmern müssten, sondern sich auf die Kundenfindung und -betreuung vor Ort konzentrieren könnten. „Der Vorteil ist auch die Unkompliziertheit“, sagt Nils Lehnebach, „gerade jetzt zu Corona.“

Mit ihrem Start-Up wollen sie aber auch die Bäckerszunft unterstützen, sagen sie. Oft lägen „wirklich gute Bäcker“ in schwieriger Lage, wenn sie sich nicht in Supermärkten befänden. In Zeiten von Corona sei es für viele Menschen eine Hürde, hinzufahren und dort mit Maske und Sicherheitsabstand zu warten, meint Lehnebach.
„Ich höre in meinem Freundeskreis immer wieder, dass es gar keine guten Bäcker mehr gibt. Aber wir erleben immer wieder unfassbar leidenschaftliche Menschen, die mit viel Arbeitszeit tolle Produkte schaffen.“
Optimismus für die Zeit nach Corona
Die Jungunternehmer sind sich sicher, dass ihr Geschäft auch nach der Pandemie erfolgreich bleiben wird. Die Bequemlichkeit des Konzepts sorge dafür, dass das Modell längerfristig Bestand habe, so Lehnebach. „Der Trend, dass die Menschen vermehrt regional einkaufen, hat sich durch Corona nur verstärkt.“

Viele Menschen fragten sich auch, wo die Lebensmittel herkämen, wer sie herstelle und ob die Mitarbeiter auch vernünftig vergütet würden. „Das ist etwas, das vielen Menschen immer wichtiger wird und bleiben wird“, ist Lehnebach überzeugt.
Macher wollen keine Prognosen abgeben
Trotz aller Euphorie wollen Schmitt und Lehnebach aber keine Zukunftsprognosen abgeben. „Es ist leere Energie, sich damit zu beschäftigen, was in ein oder zwei Jahren ist“, sagt Lehnebach. „Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und den stetig steigenden Bestellungen.“
Doch der Erfolg treibt sie an, weitere Geschäftsideen umzusetzen. „Unser Fokus liegt bisher auf Bäckereien und dem Frühstück. Es schwirrt in unserem Kopf herum, mit welchen anderen Branchen man das noch machen könnte.“ Schmitt unterstreicht: „Es ist ein Hobby, das bezahlt wird, und Spaß macht.“ Jeden Monat kämen ein paar Städte hinzu. „Wer weiß, wo es hinführt.“