Seinen Sport beschreibt Dimitrios Sapanazidis als „Spaß mit Schmerzen“. Alle Thai- und Kickboxer sind masochistisch veranlagt, sagt er. „Wer sich selbst kennenlernen will, für den ist es der richtige Sport.“ Für ihn geht es um weit mehr als das Kämpfen. „Wie man sich im Kampf verhält, zeigt, was für ein Mensch man ist“, sagt er.
Harte Schläge, weicher Boden
In Anbetracht der harten Schläge glaubt man kaum, wie weich der Boden ist, auf dem er trainiert. „Wir fallen manchmal“, erklärt der Sportler. Wenn er auf die Pratzen seines Trainers schlägt, hallt ein dumpfer Aufprall durch den Raum. Man hört die Härte. Er boxt, schlägt und kickt – manchmal sogar kopfüber. Warum? „Weil es den Menschen im Gedächtnis bleibt“, sagt Sapanazidis. Zuletzt ist er deutscher Meister geworden.
Der 28-Jährige trainiert im Muay Thai Gym Mendez zwischen Andelshofen und Owingen. Bis dahin war es ein weiter Weg. Doch sein nächstes Ziel scheint noch weiter weg zu sein – die Koryphäen seines Sports kämpfen in Asien. Nur dort kommt er nicht hin. Der Thai- und Kickboxer gilt in seiner Heimat Griechenland als fahnenflüchtig.
Wie eine Katze unter Wasser
Die Ambitionen, sich noch mehr international zu messen, vor allem mit den Besten zu konkurrieren, kommen nicht von ungefähr. Trainer Sebastian Harms-Mendez glaubt an seinen Schützling: „Er könnte einer der besten der Welt sein.“ Sapanazidis sei ein Energiebündel voller Emotionen. „Er kämpft wie eine Katze, die unter Wasser gedrückt werden soll“, beschreibt Harms-Mendez. „Er gibt immer 150 Prozent.“ Deshalb hat der Sportler zahlreiche Titel errungen oder vielmehr erschlagen und ertreten.

Zuletzt hat er den Kampf um den WBC-Muay-Thai-Gürtel für sich entschieden. Angetreten ist er, weil er ihn haben wollte, weil er ihm gefiel. „Er sieht einfach cool aus“, beschreibt er den grünen Gürtel, den auch die Klitschko-Brüder in ihrer Disziplin gewinnen konnten. Für diese Leistung ist Sapanazidis nun als Überlingens Sportler des Jahres nominiert.
Der Tasmanische Teufel
Das Katzenhafte setzt sich bei seinem Kampfnamen fort. Der „Tasmanische Teufel“ wird der Kickboxer genannt. Basierend auf der Figur „Taz“ aus der Zeichentrickreihe Looney Tunes. Sein Trainer hatte ein Bild des Ungeheuers mit dem großen Gebiss und dem braunen Fell unter einem Bild seines Kämpfers gepostet. Den Namen „Tasmanian Devil“ trägt er bis heute.

Der Tasmanische Teufel ist jetzt 28 Jahre alt, 13 davon lebt er in Deutschland, in Überlingen. Aufgewachsen ist er in Xanthi im Norden Griechenlands, an der Grenze Bulgariens. „Hier bin ich der Grieche, dort bin ich der Russe“, sagt er wegen seiner Vorfahren aus Kasachstan. Einen kleinen Bruder hat er noch und eine ältere Schwester. Seine Mutter hat die Familie alleine versorgt, berichtet er. Weil in Griechenland nie Geld für die höhere Schule oder Abschlüsse vorhanden war, entschied sie sich, mit ihren Kindern nach Deutschland auszuwandern.
Schreiner ohne Reisefreiheit
Der Sport hat ihn früh geprägt. „Ich kann mich glücklich schätzen, weil ich seit meinem achten Lebensjahr weiß, was ich machen will.“ Angefangen hat es mit Judo. Knapp fasst er zusammen: „Ich bin in Armut aufgewachsen. Eigentlich wollte ich Boxen, aber das war nicht im Verein organisiert und deshalb teurer als Judo.“ Schon dort ist sein Ehrgeiz entfacht. Griechischer Meister wurde er und tritt sogar international an. „Ich glaube, ich bin in der zweiten Runde rausgeflogen“, erinnert er sich.

Mit dem Umzug und seiner Ausbildung zum Schreiner kam ein Brief: Er müsse den Kriegsdienst antreten. Doch das Schreiben ging in der Aufregung des neuen Ausbildungsalltags unter, erzählt Sapanazidis. Deshalb gelte er in Griechenland bis heute als fahnenflüchtig. Würde er außerhalb Europas reisen, fürchtet er, aufgegriffen zu werden, außerdem besitzt er keinen Reisepass. Nun hat er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Wirklich aufgehoben fühlt er sich jedoch nur in seinem Sport.

Als er nach Überlingen-Bambergen kam, konnte er kein Deutsch, erzählt er weiter. „Wo Trainer?“, fragte er, als er das erste Mal im Studio von Sebastian Mendez stand. Zu Fuß war er aus Bambergen an den Hof am Neuweiher gelaufen. Er verfolgt seine Ziele. „Er war der Schnellste“, sagt sein Trainer stolz, „zwischen dem Moment, als er hier reinkam und in den Ring stieg“. Im Gym ist er inzwischen jeden Tag, trainiert entweder selbst oder andere. „Mein Privatleben und meine Freizeit finden hier statt“, fasst es der Kickboxer zusammen.
„Gegen Schwächere zu gewinnen, bingt nichts“
Er fordere am liebsten bessere Gegner. Sein Ehrgeiz drängt ihn dazu. „Nur so kann ich mich messen und besser werden.“ Nur so könne er sich steigern. „Gegen jemand Schwächeren zu gewinnen, bringt mir nichts als Mensch, als Kämpfer und als Trainer“, sagt er. Könnte er sich einen Gegner aussuchen, würde er gerne gegen Andy Souwer in den Ring treten. Der hat bei 169 Kämpfen ganze 153 Siege eingefahren. Dimitrios Sapanazidis kommt bisher auf 26 gewonnene Kämpfe bei 29 insgesamt.
In der Zwischenzeit trainiert Dimitrios Sapanazidis weiter, hofft weiter, sich bald frei bewegen zu können, frei wie im Ring. „Er kämpft Alien-Diszplinen, die sich sonst keiner traut“, sagt Trainer Harms-Mendez, Kickboxen mit MMA-Handschuhen etwa. Sapanazidis tritt ohnehin in mehreren Disziplinen an: Thai-Boxen und Kickboxen.
Holt das internationale Geschäft an den Bodensee
Aber wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Kick und Thai-Boxen? Im Thaiboxen darf man clinchen, das heißt, sich umklammern, mit den Knien und den Ellenbogen schlagen und Wurfbewegungen ausführen, erklärt er. Im Kickboxen sei er am besten, sagt er. Deshalb will er sich nun darauf spezialisieren. Wieder hat er seinen Weg gefunden.

Nun will er seine Fähigkeiten wieder in den Ring bringen. Und wenn er nicht in den außereuropäischen Wettbewerb einsteigen kann, holt er ihn eben zu sich. Bei der nächsten Bodensee-Fightnight will er gegen Lenny Blasi antreten – einen Kämpfer, der schon bei One Championship, einer der weltweit größten Kampfsportorganisationen, im Ring stand.