Die Tafel in Überlingen hat seit mehreren Wochen geschlossen. Und das aktuell noch bis mindestens Mitte nächster Woche. Für die Menschen, die auf die Unterstützung der Tafel angewiesen sind, ist das in Zeiten der Corona-Krise eine doppelte Katastrophe. Gerade Bedürftige, die Kinder haben, sind durch die Schulschließungen im Land besonders betroffen, da so auch das Mittagessen der Kinder wegfällt, die eigentlich in der Schule versorgt würden. Eine weitere große finanzielle Mehrbelastung für die Eltern. Hier steht nicht der in Deutschland viel diskutierte wirtschaftliche Ruin, sondern die nackte Existenz auf dem Spiel. Trotzdem hat Petra Demmer, die Geschäftsführerin des Caritasverband für das Dekanat Linzgau, Träger der Tafel, nach längerem Hadern mit sich selbst, beschlossen, die Tafel zu schließen.

Die Gründe der Schließung

„Ich war mir natürlich länger nicht sicher“, sagt Petra Demmer. „Ich habe andere Tafeln angefragt und mir Empfehlungen des Bundes und der Landestafeln angeschaut.“ Doch sie habe die Angst der Mitarbeiter in der Schließungswoche ab Montag, 23. März, gespürt. Viele der 62 überwiegend ehrenamtlichen Mitarbeiter sind über 70 Jahre alt, also in der Risikogruppe. Deshalb habe sie beschlossen, dass die Gesundheit der Mitarbeiter Vorrang habe. Denn an den beiden wöchentlichen Öffnungstagen kämen jeweils 40 bis 60 Kunden in den Laden. So könne der empfohlene Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern niemals eingehalten werden.

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Außerdem bemängelt sie die fehlende Schutzkleidung. Die Nachbarschaftshilfe sei deshalb sogar in Kurzarbeit. „Wir hatten zur Zeit der Entscheidung viel zu wenig Masken und Handschuhe“, sagt Petra Demmer. „Wir kriegen das erst nach und nach. Wir hätten die Mitarbeiter nicht genug schützen können. Aber natürlich haben wir auch sofort versucht, für Kunden und Klienten ebenfalls eine geeignete Lösung zu finden“, sagt sie. Dann habe man entschieden, mit Lebensmittelgutscheinen zu arbeiten und diese nach bestem Gewissen auszugeben. So würden beispielsweise Einzelpersonen weniger bekommen als Familien. „Ich weiß, wie groß die Not jedes einzelnen ist“, sagt Demmer. „Die Mitarbeiter geben die Gutscheine selbst aus, schieben sie zum Beispiel unter der Tür durch, oder wir verschicken sie mit der Post.“ Außerdem habe man einen Spendenaufruf gestartet. „Da ist dann auch einiges an Geld reingekommen von der Bevölkerung“, sagt Petra Demmer.

Nach dem Aufruf von Oberbürgermeister Zeitler an die Bevölkerung bei der Tafel zu helfen, haben sich auch eine Reihe junger Menschen gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatte man sich aber bereits entschieden, zu schließen. „Und die Tafel fährt man nicht von jetzt auf gleich wieder hoch. So schnell geht das mit dem wieder Eröffnen nicht. Das sind alles feste Abläufe. Da steckt eine riesige Logistik dahinter. Außerdem hätten wir nicht gewusst, wie wir die Abstände einhalten sollen“, sagt die Geschäftsführerin der Caritas. Trotzdem habe man sich gefreut und mit allen Helfern Kontakt aufgenommen.

Pizza für die Tafelkunden

Auch das Unternehmer-Ehepaar Grit und Joachim Schuble hörte den Spendenaufruf und hat dem Tafelladen 100 Pizzagutscheine geschenkt. Die Gutscheine bekommen die Tafelkunden, denn jetzt in Zeiten der Corona-Krise sei ihre Not doch noch größer als sonst, sagt Joachim Schuble. Mit dem Gutschein können sie sich je eine Pizza bei der Pizzeria Allegretto in Überlingen abholen. Auch Pino Arena, der Inhaber der Pizzeria, will den Menschen selbst helfen, die es nötig haben. Er sagt: „Wenn jemand, der sonst zur Tafel gegangen ist, nichts mehr zu Essen hat, kann er gerne in der Pizzeria vorbeikommen und kostenlos etwas zu essen abholen.“

Tafel voraussichtlich ab 22. April wieder geöffnet

Und es gibt Hoffnung für die Tafel. Patricia Fleig, die als Koordinatorin zwischen Tafel und Caritas fungiert, sagt: „Wenn die Infektionszahlen nicht mehr stark ansteigen, wollen wir die Tafel ab Mittwoch 22. April wieder zu den üblichen Zeiten öffnen.“ Allerdings wolle man Maßnahmen ergreifen, um die Kunden und die Mitarbeiter zu schützen. So sei die maximale Anzahl der Menschen im Laden auf vier reduziert. Auf dem Hof dürfen darüber hinaus nur sechs Leute warten. Außerdem werde man auf das Kassieren verzichten: „Das ist zu aufwendig und erzeugt zuviel Kontakt“, sagt Patricia Fleig.

Lebensmittelketten dürfen nicht individuell spenden

Das Angebot der Tafel wird indes aber ähnlich bleiben. Nur Trockenware sei vermutlich weniger verfügbar als sonst. „Da haben die Lebensmittelspender einfach weniger, weil das alle so viel gekauft haben.“ Petra Demmer sagt: „Ansonsten können wir mit dem vollen Angebot rechnen.“ So sei ihr Leitungsteam in Kontakt mit über 30 Händlern, Bäckereien und Metzgereien. Die Ware sei auch in den letzten Wochen da gewesen. Doch die Lebensmittelketten hätten strenge gesetzliche Vorgaben auf Landesebene und dürften nur an Tafeln und nicht individuell spenden. Warum der Lebensmittelüberschuss in diesen stürmischen Zeiten, in denen alles auf den Kopf gestellt scheint, nicht individuell gespendet werden darf, das kann auch sie nicht beantworten.