Das Thema Migration ist dauernd präsent in den Medien. Es geht um illegale Migration, zunehmende Flüchtlingszahlen und wachsende Probleme mit deren Unterbringung. Politische Gruppierungen, die immer schon die Angst vor Fremden geschürt haben, können sich über großen Zulauf freuen. Wir haben drei Migrantinnen und die Integrationsbeauftragte der Stadt Überlingen gefragt, ob und wie sich diese Stimmung auf sie und ihre Arbeit auswirkt.

Rasha Kerdieh kam 2015 mit ihren Eltern und Geschwistern aus Syrien nach Deutschland. Die junge Frau hatte ihr Abitur bereits in der Tasche und lernte schnell mit viel Eigeninitiative die neue Sprache. An der Hochschule Reutlingen schloss sie im Sommer ihr Bachelor-Studium im Fach International Business ab. Seit Herbst leitet sie beim Jugend-, Bildungs- und Sozialwerk CJD ein Projekt, das Menschen vor, während und nach dem Sprachkurs hilft, mehr Sicherheit im Umgang mit der deutschen Sprache zu erlangen.

Stimmung gegenüber Ausländern hat sich verändert

Auf die Frage, ob sie in letzter Zeit eine Veränderung bei der Stimmung Ausländern gegenüber festgestellt hat, antwortet Rasha Kerdieh mit einem klaren „Ja“. „Wenn ich unterwegs bin, rede ich möglichst wenig arabisch“, sagt sie.

Die junge Frau berichtet von einer Fahrt mit ihren Schwestern mit der Fähre nach Konstanz. Sie unterhielten sich in ihrer Muttersprache und wurden gleich zweimal kontrolliert. Das ist ihr vorher noch nie passiert. Einer Freundin, die ein Kopftuch trägt, ergehe es weit schlimmer. Menschen auf der Straße ließen unfreundliche Kommentare fallen und beargwöhnten sie kritisch. „Ich habe den Eindruck, dass die Migranten von vielen Einheimischen als Bedrohung wahrgenommen werden“, stellt Rasha Kerdieh fest. Sie hat einen Einbürgerungsantrag gestellt und wartet sehnsüchtig auf ihren deutschen Pass. Sie fühle sich zurzeit nicht sicher, was ihr Aufenthaltsrecht und ihre Zukunft in Deutschland angeht. „Das ist belastend. Ein anstrengendes Leben!“

Einige Deutsche haben Vorurteile

Paulina Mena-Mendez stammt aus Mexiko und lebt seit zwölf Jahren in Deutschland. Die studierte Sozialarbeiterin ist bei der Migrationsberatung der Caritas Linzgau tätig. An dem Gespräch nimmt ihre Praktikantin Saliha teil. Die 23-jährige Studentin wurde im Kosovo geboren.

Paulina Mena-Mendez arbeitet bei der Migrationsberatung der Caritas Linzgau.
Paulina Mena-Mendez arbeitet bei der Migrationsberatung der Caritas Linzgau. | Bild: Mena-Mendez

Auch Paulina Mena-Mendez findet, dass sich das Klima Migranten gegenüber verschlechtert hat. Dazu kommen Vorurteile, die ihr immer wieder begegnen. „Wenn die Leute hören, dass ich aus Mexiko stamme, haben viele Angst, dass ich Drogen verkaufe“, berichtet sie. Während des Studiums fanden ihre Kommilitonen es lustig, sie „Paulina Kokaina“ zu nennen, was sie sich energisch verbitten musste.

Diskriminierung wegen der Hautfarbe

Eine besonders einschneidende Erfahrung war der tätliche Angriff einer betrunkenen Frau, den Paulina Mena-Mendez 2015 auf dem Überlinger Promenadenfest über sich ergehen lassen musste. Seitdem habe sie in manchen Situationen Angst, wenn Leute unfreundlich sind. „Ich passe dann auf, dass ich nicht Spanisch spreche“, sagt Mena-Mendez. Von ihren Klienten weiß sie, dass vor allem für Menschen mit dunkler Hautfarbe Diskriminierung zum Alltag gehört. Sie müssten sich oft abfällige Bemerkungen gefallen lassen. Besonders schwer sei es für Afrikaner und Frauen mit Kindern, die direkt im Verdacht stünden, nur wegen des Kindergeldes hier zu sein.

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Das Kopftuch zieht Blicke auf sich

Saliha macht zurzeit ihr Praktikum bei der Caritas. Sie hat sich vor eineinhalb Jahren dazu entschieden, Kopftuch zu tragen, „aus freien Stücken!“, wie sie betont. Seitdem könne sie „extreme Unterschiede“ feststellen, wie Menschen ihr begegnen. Das treffe sogar auf ihre Mitstudierenden zu, also „junge Leute, die soziale Arbeit studieren“, sagt sie. Seit sie Kopftuch trägt, werde sie oft gefragt, ob sie Deutsch spreche. An einem Flughafen in der Schweiz wurde sie nach Sprengstoff durchsucht. Saliha spricht sogar von Wut in den Blicken der Menschen. „Es wäre gut, wenn die Medien mal diese Seite zeigen würden“, wünscht sich die Studentin. Außerdem wünscht sie sich mehr Austausch und einen differenzierten Umgang mit Begriffen. „Nicht immer ist alles gleich islamistisch.“

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Politische Stimmung bereitet große Sorgen

Elke Dachauer hat ebenfalls den Eindruck, dass Diskriminierung zugenommen hat. Die Leiterin des Sachgebiets Integration berichtet von einer Ehrenamtlichen mit türkischen Wurzeln, die sich beim Runden Tisch für Vielfalt engagiert. „Sie macht sich gerade viele Sorgen über die Zukunft ihrer Familie in Deutschland in Bezug auf die politische Stimmungsmache der AfD“, berichtet Dachauer.

Elke Dachauer ist Integrationsbeauftragte bei der Stadt.
Elke Dachauer ist Integrationsbeauftragte bei der Stadt. | Bild: Hilser, Stefan

Bei der Unterbringung von Flüchtlingen treffe sie öfter auf Widerstände. „In den Nachbarschaften von neuen Anschlussunterbringungen sind die Sorgen sehr groß, bevor Menschen einziehen“, sagt sie. Danach kehre schnell der Alltag ein, auch weil sich die im Sachgebiet beschäftigten Hausmeister „bewusst und intensiv um das Erscheinungsbild rund um Unterbringungen“ kümmerten. „Frustrierend ist, dass es nach unserer Wahrnehmung immer wieder zu Störungen durch Fremdmüllablagerungen von Dritten kommt, was dann zum Teil auch ein negatives Bild auf die Bewohner wirft.“

Anfeindungen gefährden Lebensqualität

Elke Dachauer sieht es als ihre Aufgabe, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, Sorgen und Ängste ernst zu nehmen. „Anfeindungen von Menschen, die in Überlingen Heimat gefunden haben, gefährden unser aller Lebensqualität und sind inakzeptabel“, sagt die Integrationsbeauftragte. Daher wünsche sie sich eine starke Solidargemeinschaft, die konstruktive Lösungen findet sowie „durchsetzungsfähige Staatsorgane, die demokratiefeindlichen Akteuren jeglicher Nationalität entgegentreten.“