Hat der Angeklagte versucht, die Verluste eines desaströsen Immobiliengeschäfts auf eine eigens gegründete Kapitalgesellschaft abzuwälzen oder ist er selbst der Geschädigte? Diese Frage musste jetzt das Amtsgericht klären, wo sich ein 65-jähriger Mann aus Überlingen wegen Untreue und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verantwortete.
Laut Staatsanwaltschaft gründete der Angeklagte im April 2021 eine Unternehmergesellschaft (UG), umgangssprachlich auch Mini-GmbH genannt, mit einem Stammkapital von einem Euro. Er selbst fungierte als Geschäftsführer. Im August des gleichen Jahres übereignete er der UG wertlose Wohnungen in Dessau. In zwei Fällen sorgte er später mit Eigenmitteln für die weitere Zahlungsfähigkeit. Als im letzten Jahr die Grundsteuer für die nicht vermieteten Wohnungen fällig wurden, meldete er Insolvenz an, da der Betrag über dem Unternehmensvermögen lag. Der erste Antrag war wegen eines Formfehlers ungültig und musste erneut gestellt werden. Der Vorwurf lautet, dass er sich der Untreue sowie der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht hat.
Notar kauf statt zwei gleich sechs Wohnungen
Zu den Vorwürfen will der Angeklagte erst nicht Stellung beziehen und lässt seinen Rechtsanwalt sprechen. Der verweist auf die beiden geladenen Zeugen, deren Aussage die Haltlosigkeit der Anschuldigung klären werde. Erst als Richter Alexander von Kennel die Frage in den Raum stellt, „hat er die UG gegründet, mit dem Vorsatz, das Ding an die Wand zu fahren?“, ergreift der Beschuldigte das Wort. Er stellt sich als Kfz-Meister vor, der mittlerweile in Rente ist und schildert, dass er die beiden Wohnungen in Dessau als Geldanlage für seine Kinder gekauft habe.
Für die Abwicklung erteilte er einem Notar aus Frankfurt eine Vollmacht. Wie sich später herausstellt, kaufte dieser nicht zwei, sondern insgesamt sechs Wohnungen in Dessau auf den Namen des Beschuldigten. In einem gesonderten Strafverfahren in Frankfurt sei der Notar dafür bereits zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Diese Information ist sowohl dem Staatsanwalt als auch dem Richter neu.
Wohnungen sind nicht vermietbar
Die Wohnungen in Sachsen-Anhalt sollten renoviert und dann wieder vermietet werden. Der Plan scheiterte, als der ausführende Handwerker, an den bereits Zahlungen geleistet wurden, pleite ging. Seitdem sind die Wohnungen faktisch wertlos, da sie sich weder vermieten noch verkaufen lassen. Der Angeklagte schildert, dass er Interessenten gesucht und gefunden habe. Diese würden aber wegen offener Rechnungen erst zur Kasse gebeten, ohne weitere Garantien, woran der Verkauf stets scheitere. Das führte schließlich zur privaten Insolvenz des dann auch gesundheitlich angeschlagenen 65-Jährigen.
Die Befragung der beiden Zeugen, ein Rechtsanwalt aus Rottweil und der Insolvenzgutachter aus Überlingen, ergibt, dass der Angeklagte so gut wie keine finanziellen Schäden zum Nachteil anderer veranlasst hat. Bei den offenen Beträgen handelt es sich um Summen unter 50 Euro. Die UG hat der Angeklagte auf Anraten eines Rechtsanwalts gegründet, damit die Kosten der wertlosen Wohnungen nicht weiter auf ihn zurückfallen, bestätigt der Insolvenzgutachter. Bei einem Unternehmensvermögen von einem Euro sei allerdings die Zahlungsunfähigkeit absehbar.
Warum das Verfahren eingestellt wird
„Um welches öffentliche Interesse geht es hier? Es gibt keine Geschädigten, keine Veruntreuung und der Angeklagte hat allein den Schaden“, resümiert Richter von Kennel nach der Zeugenanhörung. Dem kann sich der Staatsanwalt anschließen und bietet eine Einstellung gegen eine Geldbuße an. Nach einer kurzen Beratung mit seinem Mandanten lehnt das der Rechtsanwalt ab. „Mein Mandant hat alles richtig gemacht“, argumentiert er und listet auf, dass der Angeklagte sowohl Rechtsanwälte als auch Steuerberater hinzugezogen und nach deren Rat gehandelt hätte. Das überzeugt Richter und Staatsanwalt und das Verfahren wird eingestellt.