„Mein Sohn hat gezittert, als wir haben auf die Polizei gewartet haben. Er hatte Angst“, erzählt die Lebenspartnerin des Angeklagten vor dem Amtsgericht in Überlingen. Sie kann den Vorfall noch genau konstruieren, der sich im Spätsommer 2023 ereignete. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet: Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung sowie Körperverletzung in zwei weiteren Fällen. Das alles wird einem 51-jährigen Mann aus Salem vorgeworfen.
Der Mann soll im September seiner Lebensgefährtin so stark mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, dass ihr danach ein Stück des Schneidezahns fehlte. Im selben Zusammenhang soll der Angeklagte seine Partnerin beleidigt und bedroht haben. Während eines Familienausflugs wenige Stunden später sei es laut Anklage der Staatsanwaltschaft zu weiteren Vorfällen gekommen. So soll der 51-Jährige in der Öffentlichkeit seine Partnerin gegen das Schienbein getreten und seinem neunjährigen Sohn eine Ohrfeige verpasst haben.
Angeklagter: „Die Ohrfeige war ein Reflex“
Vor Gericht zeigt sich der dreifache Vater jedoch wenig einsichtig. Weder will er seine Partnerin an jenem Tag geschlagen noch gegen ihr Schienbein getreten haben. Nur die Ohrfeige an seinen Sohn gibt er offen zu. „Mir hat es nicht gefallen, dass mir mein Sohn widersprochen hat. Die Ohrfeige war ein Reflex. Das tut mir leid“, sagt der 51-Jährige, der ohne Verteidiger zur Verhandlung erschienen ist.
Wie seine Lebensgefährtin im Zeugenstand offen berichtet, habe alles mit einem Streit in ihrer gemeinsamen Wohnung in Salem angefangen. „Wir haben uns ziemlich gestritten, weil ich nicht mit zum Fußballspiel nach Friedrichshafen wollte“, erzählt die 29-Jährige. Im Verlauf der Auseinandersetzung habe er sie dann ins Gesicht geschlagen.
Geschädigte: „Ich war wütend und habe geweint“
Dabei habe sie ein Stück ihres Zahns verloren. „Ich war wütend und habe geweint. Mein Zahn hat höllisch wehgetan“, erinnert sich die Geschädigte. Auf die Bitte ihrer Tochter hin habe sie sich trotz des Vorfalls mit der Familie auf dem Weg zum Fußballspiel gemacht. „Im Auto gab es dann nochmal Streit. Mein Sohn war an dem Tag auch ein bisschen auf Krawall aus“, erzählt die Mutter.
Ihr Partner sei sauer geworden und habe die 29-Jährige noch in Salem mitsamt der drei Kinder aus dem Auto geschmissen. „Ich habe noch den Kinderwagen aus dem Kofferraum geholt, da habe ich gesehen, wie er unserem Sohn eine Ohrfeige verpasst hat“, blickt die Frau zurück. Daraufhin habe sie um Hilfe gerufen – und dafür einen Tritt gegen das Schienbein bekommen.
Die ganze Szenerie passierte öffentlich im Salemer Teilort Neufrach. Ein Anwohner bekam das alles mit, zögerte nicht lange und rief die Polizei. Der Angeklagte fuhr in der Zwischenzeit mit dem Auto davon. „Wir haben auf die Polizei gewartet und mit dem Anwohner geredet. Ich habe ihm auch erzählt, was am Morgen mit meinem Zahn passiert ist“, sagt die 29-Jährige.
Zeuge: „Es hat geknallt, der Junge hat geweint“
Der Anwohner bestätigt die Schilderungen der Frau bei seiner Zeugenaussage vor Gericht. Er sei gerade vor seiner Haustür gewesen, als ein Auto anhielt. Der Fahrer habe laut herumgeschrien und sei aufgebracht gewesen. „Er hat den Jungen aus dem Auto gezogen und ihm eine Ohrfeige gegeben. Es hat geknallt, der Junge hat geweint“, berichtet der Zeuge. Er habe die Polizei gerufen und sei zu der Frau und ihren Kindern gegangen. „Sie meinte dann zu mir, dass so etwas öfters passiert“, erinnert sich der Zeuge.
Staatsanwaltschaft: „Er hat die Ohrfeige zugegeben“
Dass sich der Tag so abspielte, wie von der Geschädigten und dem weiteren Zeugen berichtet, sei glaubwürdig, heißt es von der Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Denn beide konnten sich noch an Details erinnern und die Aussagen bei der Polizei an jenem Tag stimmten mit der Aussage vor Gericht überein.
„Bei der Strafzumessung ist zugunsten des Angeklagten zu sagen, dass er die Ohrfeige zugegeben hat. Jedoch zeigte er sich nicht einsichtig und wurde in der Vergangenheit schon straffällig“, fasst die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zusammen. Insgesamt fordert sie eine Gesamtstrafe von neun Monaten ohne Bewährung, da „aufgrund des Verhaltens vor Gericht keine positive Sozialprognose vorliegt“. Während der Verhandlung verhält sich der Angeklagte immer wieder aggressiv und unterbricht sowohl Zeugen als auch Richter Alexander von Kennel.
Richter: „Wenn Sie gegen diese Auflagen verstoßen, dann sitzen Sie“
Alexander von Kennel argumentiert bei seiner Urteilsverkündung ähnlich wie die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Er spricht den Angeklagten der Körperverletzung mit Bedrohung und Beleidigung sowie der Körperverletzung in zwei weiteren Fällen schuldig. Als Strafe setzt er acht Monate auf Bewährung an – mit einer Bewährungszeit von drei Jahren.
Außerdem habe der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen und müsse an einem Programm teilnehmen, das sich an Männer richtet, die mit Aggressionen zu kämpfen haben. Weiter ordnet der Richter 120 Stunden gemeinnützige Arbeit an. „Ich habe eine ganz vorsichtige Hoffnung. Wenn Sie gegen diese Auflagen verstoßen, dann sitzen Sie. Das muss Ihnen klar sein“, betont der Richter mit Blick auf den Angeklagten.
Zugutekomme dem Mann laut von Kennel, dass er die Ohrfeige eingeräumt habe und schon jetzt mit dem Jugendamt in Kontakt sei. „Aber Sie müssen irgendwas aufarbeiten. So, wie Sie hier auftreten, das ist aggressiv.“ Die Bewährungschance bekomme der Angeklagte nur, weil er noch nie wegen Gewaltdelikten auffällig gewesen sei. „Ich hoffe, Sie nehmen die Chance wahr“, richtet Alexander von Kennel letzte Worte an den Angeklagten.