Ihm sei bewusst, dass er sich in Teilen der Bevölkerung verhasst macht, wenn er gegen eine Eröffnung der Landesgartenschau vor das Verwaltungsgericht zöge. Doch sei er fest dazu entschlossen, sagte Matthias Theissen, sofern das Land bei Inzidenzen von über 50 nicht selbst einen Riegel vorschiebt.

Matthias Theissen sagt, dass er die LGS nicht verhindern, aber dafür sorgen wolle, dass sie erst ab einer Inzidenz unter 50 öffnet. Das ...
Matthias Theissen sagt, dass er die LGS nicht verhindern, aber dafür sorgen wolle, dass sie erst ab einer Inzidenz unter 50 öffnet. Das Bild zeigt ihn vor dem Tor zum Rosenobelgarten, einem Ausstellungsbereich der LGS in der Innenstadt. | Bild: Hilser, Stefan

Er wolle die LGS nicht verhindern, sagt Matthias Theissen. Er habe großen Respekt davor, dass sich die Überlinger für die Gartenschau entschieden haben. Doch gehe es ihm nun um einen konsequenten Infektionsschutz in der Corona-Pandemie. Theissen ist selbständiger Unternehmensberater, Sachverständiger und Gutachter (BVFS), zu politischen Vorgängen in Überlingen äußerte er sich in den zurückliegenden Jahren immer wieder mit pointierten Leserbriefen und scheute sich auch nicht davor, unbequeme Positionen einzunehmen.

„Brandbriefe“ an Kretschmann und Ministerien

Der Überlinger schrieb zuletzt Briefe an Kretschmann, an die Minister in den Ressorts Soziales und Landwirtschaft, und drängte darauf, dass die LGS frühestens ab einem Inzidenzwert von unter 50 öffnet. Theissen bezeichnete sie als „Brandbriefe“.

Die Rückmeldungen aus Stuttgart waren zunächst uneinheitlich. Anfang dieser Woche stellte sich aufgrund der Briefe Theissens heraus, dass zwischen den Ministerien gar keine Einigkeit darüber herrschte, ob die LGS nun als botanischer Garten oder als eine Messe einzustufen sei. Diese Einordnung ist wichtig, weil von ihr abhängt, ob die Gartenschau ab einem Wert von unter 100 eröffnen darf, oder nach geltender Corona-Verordnung ganz geschlossen bleiben müsste.

Wie reagieren Stadt und LGS?

Ministerien bewerteten die Sache unterschiedlich

Brisant, weil mit abweichender Rechtsauffassung, war ein Antwortschreiben aus Stuttgart, das Theissen am 12. April erhielt. Aus einer E-Mail an ihn geht hervor, dass das Sozialministerium einer Öffnung der LGS derzeit nicht zustimmen würde, weil man die Gartenschau als eine Art Messe einstufe. Wörtlich schreibt Konstantin Eisel vom Bürgerreferenten-Team des Sozialministeriums an Theissen mit Bezug auf die LGS: „Nr. 6 CoronaVO sieht inzidenzunabhängig eine Untersagung von Messen/Ausstellungen vor, sodass eine Eröffnung nach der aktuellen Fassung der CoronaVO auch bei einer seit fünf Tagen in Folge bestehenden festgestellten Sieben-Tages-Inzidenz von weniger als 50 Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner nicht in Betracht kommt.“

Brisantes Schreiben an Zeitler weitergereicht

Dieses Schreiben, das Theissen an OB Zeitler, LGS-Chef Leitner und an Landrat Wölfle weiterleitete, muss dort für Aufsehen gesorgt haben. Immerhin geht aus ihm hervor, dass die Gartenschau vom Sozialministerium „inzidenzunabhängig“ betrachtet und demzufolge bei der aktuellen Rechtslage gar nicht öffnen dürfe.

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Bislang stützten sich die Verantwortlichen auf die Aussage des Landwirtschaftsministeriums, wonach die Gartenschau als botanischer Garten bewertet werde. Sprich: Eröffnung ab einem Inzidenzwert von unter 100. Und bei dieser Zusage aus Stuttgart bleibt es auch. Am 13. April führte OB Zeitler mit Ministerialdirektor Uwe Lahl (Sozialministerium) ein Gespräch und ließ sich die Zusage schriftlich bestätigen, dass das Sozialministerium die LGS als botanischen Garten bewerte. Eine entsprechende E-Mail erreichte das Rathaus am 15. April.

Pressestelle des IM bestätigt nach rechtlicher Prüfung: Botanischer Garten

Das bestätigt auch eine Antwort der Pressestelle des Sozialministeriums an unsere Redaktion. Wir wollten wissen, ob es zwischen den Ministerien unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt oder gab. Zwei volle Werktage benötigte das Ministerium, bis es auf die Presseanfrage dann am 15. April eine Antwort schickte. Sie lautete: „Bitte entschuldigen Sie die späte Rückmeldung, es hat noch einmal eine umfassende rechtliche Prüfung stattgefunden. Nach dieser rechtlichen Prüfung kommt das Sozialministerium zu der Einschätzung, dass es sich bei der Landesgartenschau in Überlingen um einen botanischen Garten handelt. Insoweit schließt sich das Sozialministerium der Rechtsauffassung der Stadt Überlingen, beziehungsweise des Bodenseekreises an.“

Theissen: „Zweifelsfrei Messe-Charakter“

Auf das Sozialministerium kann sich Theissen nun also nicht mehr beziehen. Dennoch bleibt er bei seiner Rechtsauffassung. Er meint: „Der reine Anschauungszweck eines botanischen Gartens tritt, gerichtsfest interpretiert, hinter den eindeutig gewerbs-gewinnorientierten Zweck kostenpflichtiger Event- und Unterhaltungs-Angebote zurück. Die Flächen zur Präsentation örtlichen Handels und Gewerbe, zum Beispiel in der Blumenhalle der ehemaligen Kapuzinerkiche, oder der Merchandise-Artikel-Verkauf der LGS GmbH geben der LGS zweifelsfrei Messe-Charakter.“

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Auch aus politischer Sicht, so Theissen, sei es nicht nachvollziehbar, eine landesweit beworbene und somit auch aus allen Landesteilen aufgesuchte Veranstaltung nur unter dem Inzidenzwert des eigenen Landkreises zu sehen. Erwartet würden 7000 bis 10 000 Besucher täglich, die schmalen Wege, auf die im letzten Jahr verwiesen wurde, bestünden nach wie vor. Er halte es für eine Illusion, dass die älteren Besucher sich online ein Ticket oder eine Reservierung sichern. „Sie werden einfach anreisen, einfach da sein. Und wohin werden sie gehen ohne Ticket oder mit Zeitfenster auf dem Areal? In die Stadt.“

LGS rechnet mit einer baldigen Eröffnung

Das LGS-Geschäftsführerduo mit Edith Heppeler und Roland Leitner indes gab am 16. April diese Bewertung ab: „Wir sind zuversichtlich, was eine baldige Eröffnung der Landesgartenschau angeht. Im Bodenseekreis sinkt der Inzidenzwert, wir sind heute aktuell bei unter 100 und beobachten mit wachsender Freude die Entwicklung.“