Dreimal unschuldig. So stellten sich zwei Brüder und eine Frau vor dem Amtsgericht in Überlingen dar. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: illegales Glücksspiel in zwei Lokalitäten im Bodenseekreis und Kreis Sigmaringen. In der Anklageschrift wurde den Dreien zur Last gelegt, im ersten Halbjahr 2023 knapp vier Monate lang zwei nicht zugelassene, manipulierte Geldspielgeräte betrieben zu haben. Gutachten zufolge wurden insgesamt rund 173.000 Euro zum überwiegenden Teil in Form von Geldscheinen in die beiden Automaten geworfen oder gesteckt.
„Ich bin unschuldig“, ließ der Angeklagte wissen, dessen Lebensgefährtin mit vor Gericht stand. Zeitweise war er Geschäftsführer und Gesellschafter des Unternehmens, das die zwei Standorte betreibt. Es habe sich um Unterhaltungsgeräte gehandelt, inklusive Hinweis, dass es keine Gewinnmöglichkeit gebe. „Nur ein Zeitvertreib“, behauptete der Mann, damit die Besucher mehr Getränke konsumierten. Wo die Geräte herkamen, wollte der Staatsanwalt wissen. „Irgendeiner hat gesagt, ich stelle das hier hin. Ich kannte ihn durch jemanden“, antwortete der Mann. Namen und Adresse wollte er 2023 der Polizei übermittelt haben. Jetzt konnte er sich nicht mehr an die Daten erinnern.
Weitere Verfahren gegen einen Angeklagten
Sein älterer Bruder, früher selbstständiger Automatenaufsteller, interessierte sich vor allem dafür, weshalb er seine Gewerbeabmeldung nicht in der Ermittlungsakte fand. „Das sollten Sie wissen.“ Im September 2022 hatte er sein Geschäft abgemeldet. Gegen ihn laufen zwei Verfahren wegen Steuerschulden. An einem von zwei legalen Geräten in dem Lokal im Bodenseekreis, deren Nutzungsdauer allerdings überschritten war, fand sich eine Visitenkarte von ihm. Laut seinen Angaben lediglich ein Überbleibsel seines gescheiterten Gewerbes.
Auch die Partnerin des jüngeren Bruders, die eine Zeit lang Teil- und dann alleinige Geschäftsführerin des Betriebes mit mindestens zwei Standorten war, gab sich unwissend. Über ihre Dolmetscherin erklärte sie: „Ich hatte nichts zu tun mit den Automaten.“ Wenn sie die Tür zu dem Lokal in der Stadt im westlichen Bodenseekreis aufgeschlossen habe, sei alles angesprungen – auch die Spielautomaten. Die Arbeit als Geschäftsführerin sei zu schwer für sie gewesen. „Ich bin ein einfacher Mensch“, sagte sie. Ihr Verteidiger bemühte sich, den Eindruck der ahnungslosen Putz- und Servicekraft zu unterstreichen. Inzwischen ist der Vater ihres Lebensgefährten Geschäftsführer des Unternehmens.
Polizist: Bistro früher schon auffällig
Entdeckt worden war der illegale Automat im Bodenseekreis bei einer allgemeinen Kontrolle der Polizei. Das Bistro sei schon früher auffällig gewesen, berichtete ein Polizeioberkommissar vor Gericht. „Ich verstehe die Beharrlichkeit nicht“, sagte er aus. Im SÜDKURIER-Archiv findet sich ein Artikel über eine frühere Verhandlung gegen die zwei Brüder. Noch vor Ort erließ der Beamte im Februar 2023 die Anordnung, das illegale Gerät und die Geräte mit abgelaufener Nutzungsdauer abzuschalten. „Später haben wir von außen gesehen, dass sie wieder in Betrieb sind.“ Legale Geräte hätten ein Zulassungszeichen sowie Geräte- und Softwarenummern. Illegale Geräte können dies hingegen nicht vorweisen. Die beanstandeten beiden Automaten sind einander ähnlich. Gespielt werden kann das Spiel Book of Ra, ohne Lizenz des Spieleentwicklers.
„Man vermutet, dass die Automaten auch in Serie gebaut werden. Man kann sie über Kleinanzeigen kaufen“, erläuterte der Ermittler. Er sprach von einem Preis von 1000 bis 1200 Euro. Abnehmer können Spieldauer und Gewinnchancen selbst einstellen. Außerdem sind die Automaten nicht angemeldet und können nicht vom Finanzamt kontrolliert werden. Sie haben keinen Auszahlschacht und keinen besonderen Schutz gegen Aufbrüche. Der jüngere Bruder hatte bei der Polizeikontrolle den Schlüssel für das illegale Gerät bei sich. Der Polizist gab ferner an, nicht ausschließen zu können, dass es vom älteren Bruder stamme. Die Lebensgefährtin hatte er im Zuge einer weiteren Kontrolle in dem Lokal angetroffen. Im Mai 2023 wurden die Geräte schließlich beschlagnahmt – in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und der zuständigen Stadtverwaltung.
Ein ehemaliger Suchtbeauftragter gab Einblicke in einen Besuch im Betrieb im Landkreis Sigmaringen. Er hatte selbst an dem illegalen Geldspielgerät gespielt und nach eigenen Angaben ein Video von der Funktionsweise gemacht. Im Wesentlichen bestätigte er die Aussagen des Polizeioberkommissars in Sachen legale und illegale Spielangebote. Er berichtete – auch durch Beobachtungen – von hohen Geldbeträgen, die innerhalb kurzer Zeit an dem Automaten verspielt waren. Gewinne seien nur von der Servicekraft ausgezahlt worden, wenn sich mindestens 50 Euro in dem Gerät befunden hätten. Nutzer mussten wohl darauf bestehen, da es keinen Auszahlschacht gibt. Seine Bedenken richtete der Sozialpädagoge damals an das Ordnungsamt. „Die Polizei hatte ich gar nicht auf dem Schirm.“
Richter sieht „hartnäckigen Täter“
Während der Staatsanwalt bei allen auf schuldig plädierte, forderten die Verteidiger aus unterschiedlichen Gründen Freisprüche. „Es stand am Gerät, dass es keine Auszahlungen gibt. Es hätte jeder eingeweiht werden müssen, dass es illegal ist“, sagte etwa der Rechtsanwalt des jüngeren Bruders und damaligen Geschäftsführers. „Wir haben viele offene Fragen.“ Richter Alexander von Kennel sah den Mann jedoch als „hartnäckigen Täter. Er ist ein Stück weit unbelehrbar“. Er verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Außerdem muss er eine Geldstrafe von 2000 Euro zahlen und Wertersatz von mehr als 170.000 Euro leisten. Sein Bruder und seine Lebensgefährtin wurden freigesprochen. Dennoch sprach von Kennel vom Vorgehen einer „Dynastie“. Wo das viele Geld herkam und wo es hinfloss, blieb in der Verhandlung unklar. Die Rede war von einer „katastrophalen Buchhaltung“ des Unternehmens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.