Es sei eine tiefliegende und alte Tradition in Überlingen, erklärt Narrenmutter Wolfgang Lechler. „Und diese Tradition folgt ursprünglich einer Sage, deren Wurzeln bereits 1646 urkundlich erwähnt wurden und die wahrscheinlich schon vor 1496 entstand.“ Seitdem sei die Überlinger Fastnacht nach Geschlechtern getrennt. Beim Dorfer beispielweise, der bissigsten Veranstaltung für Männer bei der Überlinger Fastnacht, sind keine Frauen zugelassen.

Das verlangt die Politik
Zuletzt mussten sich Vereine, in denen Geschlechtertrennung Tradition hat, viel Kritik gefallen lassen, nachdem aus der Politik entsprechende Forderungen gekommen waren. So schlug Finanzminister Olaf Scholz vor, reinen Männervereinen ihre steuerlichen Privilegien zu entziehen. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2017, das besagt, dass es in einem gemeinnützigen Verein „nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Männern und Frauen kommen darf“.
So reagierten Ruderinnen aus Hamburg
Einem Hamburger Ruderinnenclub drohte aufgrund dieses Urteils sogar die Aberkennung der Gemeinnützigkeit, was den Verlust von benötigten Geldern bedeutet hätte. Der Club begründete die geschlechtliche Trennung mit seiner Tradition. Immerhin habe sich der Ruderinnenverein 1925 nur deshalb gegründet, weil die Frauen nicht in die Männervereine eintreten durften.
Kuriose Regel als Lösung
Die Finanzbehörde formulierte daraufhin eine kuriose Regel: „Ein Verein muss seinen eigentlichen Vereinszweck nicht zwingend für alle Mitglieder gewährleisten und dafür auch keine entsprechende Infrastruktur bieten. Das Recht auf Mitgliedschaft ist nicht gleichbedeutend mit dem Anrecht auf identische Tätigkeit.“ Das bedeutet im Klartext: Die Ruderinnen müssen zwar Männer aufnehmen, können diese aber vom Rudern ausschließen.
Aachener Karnevalsverein nimmt Frauen auf
Und auch ein Karnevalsverein änderte seine Satzung mehr oder weniger als Reaktion auf diese Richtlinie: Der Aachener Karnevalsverein, bekannt für die Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ nimmt seit Mitte 2019 auch Frauen auf. Der Ausschluss von Frauen sei nicht mehr zeitgemäß gewesen, sagte der Präsident Werner Pfeil.
Das sagt die Überlinger Narrenmutter
Für die Überlinger Narrenmutter Wolfgang Lechler ist der Standpunkt, den Olaf Scholz vertritt, nicht nachvollziehbar. In Überlingen sei die nach Geschlechtern getrennte Fastnacht ein jahrhundertealter Brauch, den man nicht einfach so abschaffen könne.
Hänsele ist laut Sage ein Mann
Der Ursprung ist in der Schwerttanzsage zu finden, die bereits vor 1646 entstanden sein muss. „Der Hänsele muss laut dieser Sage nun einmal ein Mann sein. So will es die Geschichte und nun mal auch die Tradition“, sagt Narrenmutter Wolfgang Lechler.
„Das hat außerdem nichts damit zu tun, dass wir die Frauen nicht wollen würden. Im Gegenteil, wir helfen uns gegenseitig und das Zusammenleben ist wirklich gut“, sagt Lechler. 148 Frauen helfen beispielsweise der Hänselezunft dabei, während der Fastnacht Plaketten zu verkaufen. Dazu gibt es sechs Frauen, die für das Fastnachtsheft zuständig sind. „Wenn wir sie nicht hätten, könnten wir das gar nicht machen. Außerdem helfen uns sieben Näherinnen das ganze Jahr über mit den Häsern. Ohne diese vielen Frauen ginge es gar nicht.“
Das sagen die Frauen
Die Leiterin des Frauenkaffees, Beate Braun, sieht das Thema Geschlechtertrennung an Fastnacht so: „Die Hauptfigur der Überlinger Fastnacht ist zwar Männern vorbehalten, aber es gibt ja auch genügend Möglichkeiten für Frauen, an der Fastnacht aktiv zu sein, sei es bei den ‚Löwen‘, ‚Alten Wiebern‘ oder sonstigen freien Gruppierungen, die sich an der Fastnacht gebildet haben.“ Diese Aufteilung könne sie sehr gut akzeptieren.
Und sie fügt an: „Die Frauen haben sich ja schon früh emanzipiert und ihre eigene Veranstaltung, den Frauenkaffee, bereits vor über 100 Jahren ins Leben gerufen. Außerdem haben Frauen auch einen etwas anderen Humor als Männer, deswegen sind Frauenkaffee, Dorfer Frühschoppen oder Narrenkonzerte ganz unterschiedliche Veranstaltungen, aber jede für sich Tradition und wichtig für die Überlinger Fasnet.“
„Das bringt für die Gleichberechtigung eigentlich nichts“
Andrea Maier, Vorsitzende der „Alten Wieber“, findet die Geschlechtertrennung auch in Ordnung: „Wenn sich das auf Traditionen stützt, finde ich das nicht verwerflich. Die steht für mich im Vordergrund. Da sind Grenzen schon in Ordnung. Wir wollten ohnehin immer selbstständig sein. Nicht umsonst heißt es auf unserer Homepage, dass wir freie Überlinger ‚Alte Wieber‘ waren und sind. Und wir haben so viel Vielfalt, da ist für jeden was dabei.“

Die Forderung von Olaf Scholz macht für sie keinen Sinn, sind sich die beiden Frauen einig. Außerdem nehmen „die Ruderinnen Männer ja nur auf, weil ihnen mit Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht wurde. Vom Vereinsleben haben die Männer aber nichts, da sie ja trotzdem keine vollwertigen Mitglieder sind, sondern nur passiv. Das bringt für die Gleichberechtigung eigentlich nichts“, findet Beate Braun.
Auch der Narrenvater äußert sich
Narrenvater Thomas Pross sieht es ähnlich: „Das Verhältnis ist völlig entspannt. Es gibt ja heutzutage auch genügend Angebote für beide Seiten. Die alte Geschlechtertrennung hat die Gesellschaft vor Jahrhunderten erschaffen. Aber tatsächlich gehörten Frauen schon immer zur Fastnacht. Da wollen von der Politik wieder Probleme gemacht werden, wo eigentlich keine sind.“
Satzungsänderung 2007
Die Mitgliedschaft in der Überlinger Hänselezunft ist nach einer Satzungsänderung im Jahr 2007 ganz klar geregelt. Dies war damals die Folge des im August 2006 verabschiedeten „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“, umgangssprachlich auch „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt.
Nur Männer in Hänselezunft zugelassen
So heißt es in der aktuellen Fassung der Satzung des Fastnachtsvereins vom 22. November 2013 unter Paragraf vier: „Die HZÜ besteht zur Bewahrung und Pflege des historisch gewachsenen Hintergrunds der Figur des Überlinger Hänsele. Die Mitgliedschaft in der HZÜ ist aus diesem Grund auf männliche Personen beschränkt.“ Mitglieder können also ohnehin nur Männer werden.
Knabenmusik Meersburg geht neue Wege
Anders ist das seit Mitte vergangenen Jahres bei der Meersburger Knabenmusik. Hier werden nach einer historischen Entscheidung des Gemeinderats nun auch Mädchen aufgenommen.
Der Grund dafür: Zuletzt hatten sich immer weniger Jungen für die Kapelle gefunden und einige Instrumente konnten kaum mehr besetzt werden.