Im 30. Jahr ihres Bestehens wirkt das Rot der Überlinger Löwen noch ein bisschen festlicher, als es eh schon ist. Das zeigt sich auch beim Sturm auf die Redaktion des SÜDKURIER. Traditionell am Schmotzigen Donnerstag erobern die Narren die Rathäuser der Region und landen damit auf vielen Seiten ihrer Heimatzeitung. Auch die Macher in den Redaktionsstuben müssen dran glauben und werden an diesem Tag symbolisch von ihren Posten abgesetzt.

Biblisschieber seit 37 Jahren
Der närrische Besuch in unseren Schreibstuben ist verbunden mit einem jodeligen „Juhu!“ und einem herzlichen „Horrig!“ Oder mit einem dreifachkräftigen „Hau ruck! Hau ruck! Hau ruck!“, wie es die Bibliesschieber aus Überlingen-Nesselwangen rufen. Wenn Narrenvater Ingbert (Inge Beil) den Narrenruf anstimmt und ein donnerndes Echo erzeugt, wackeln alle Wände.
Der Biblisschieber ist ein kräftiges Kerlchen, der den Biblis, einen auffälligen Drumlin im Dorf, zur Seite schieben möchte, auf dass die Nesselwanger fortan Seeblick genießen. Die Narrengruppe ist jetzt 37 Jahre alt. In diesem Jahr singen sie einen neuen Narrenschunkler, mit Text von Martha Steurer auf die alte Melodie von Hermann Steurer. „Henket ei und singet mit, bis Fasnet zu Ende isch“, singen sie. Aber komisch, dass der Biblis-Hügel sich bis jetzt noch keinen Millimeter bewegen ließ.
Kaientroler 40 Jahre alt
Ein Hügel ist auch der Namensgeber für den Kaientroler aus Bonndorf. Der Kaien gilt mit seinen rund 680 Metern als Überlingens höchste Erhebung. Von ihm trolten (kugelten) die Waldarbeiter ins Dorf hinab, wenn sie sich ihren Lohn in Schnaps auszahlen ließen. Dieses Jahr scheitert es eher am Hinaufgehen. Nicht, weil der Weg abgesperrt ist, was derzeit für Diskussionen im Dorf sorgt, sondern weil der Weg so „gnotzig ist“, wie Kaientroler-Kassierer Thomas Waibel beim Redaktionsbesuch berichtet, also nass und matschig, dass man gar nicht bis zum Gipfelkreuz hätte wandern können. Die Kaientroler tragen es mit Fassung und freuen sich auch so über 40 glückselige Narrenjahre.

Hödinger sind 44 Jahre alt
Seit 44 Jahren gibt es die Hödinger Narrengesellschaft. Sie sind beim Sturm auf die Redaktion noch ganz beseelt vom Jubel zu ihrer Zaubershow, die sie beim Bunten Abend abgeliefert haben. Die Mitglieder der seit 67 Jahren bestehenden Narrenvereinigung aus Lippertsreute ist froh, dass sie am Schmotzigen Donnerstag überhaupt den Weg nach Überlingen gefunden haben – eingekesselt wie ihr Ort derzeit von Baustellen ist.
Alte Wieber vor 42 Jahren gegründet
Auf 42 Lenze bringen es die Alten Wieber. Wie Vorsitzende Andrea Maier bei einem Gruppenfoto sagt, das sie gemeinsam mit den Löwen und einem verirrten Altwieberich im Redaktionsarchiv machen, gebe es zwischen den Gruppen ein fröhliches Miteinander. So zum Beispiel, wenn Alte Wieber, Löwen und Hänsele sich in Überlingens Kindergärten vorstellen.

Andelshofen bald schon 100?
Auf eine bald 100-jährige Geschichte blickt die Narrenvereinigung Andelshofen zurück. Als Verein wurden sie zwar erst 2002 gegründet, berichtet Vorsitzender Matthias Riede. Sie können aber an ihren kunstvoll gestalteten Narrenbüchern ablesen, dass sie schon viel älter sind. Das erste Narrenbuch sei irgendwann nach dem Ersten Weltkrieg begonnen worden, sei aber verbrannt, als beim Einmarsch der Franzosen am Ende des Zweiten Weltkriegs das Madlener-Haus in Flammen aufging. Über das genaue Alter müsste Riede also erst noch forschen.

Jetzt füllen sie gerade ihr drittes Buch, einen dicken Schinken, in dem ihren im vergangenen Jahr verstorbenen Narrenfreunden Peter Höring und Johann Büchele ein Denkmal in Form eines Gemäldes gesetzt wurde. Büchele war, wie Riede sagt, von 1955 bis 2001 ihr Präsident und Höring von 1997 bis 2019 ihr Buchmaler. Peter Wiest führt das Buch heute als Maler fort – die Andelshofener zeigen es beim Sturm auf die Redaktion stolz vor.