Die Dorfgemeinschaft von Hödingen zählt zu den Vorbildern in der Stadt Überlingen. Die Hödinger sind eine der beliebtesten Adressen beim Promenadenfest. Ihre Besenwirtschaften sind der Hype schlechthin. Es gibt einen Förderverein zum Erhalt der Kulturlandschaft und einen Förderverein der Dorfgemeinschaft. Zudem kümmert sich ein engagierter Ortschaftsrat um das Wohl Hödingens. Doch plötzlich scheint der Haussegen schief zu hängen, Brandbriefe und Unterschriftenliste erreichen den Gemeinderat. Was ist passiert?
Um den Charakter des Dorfes zu erhalten, strebt das Gremium eine Gestaltungssatzung für den Ortskern an, die Orientierung unter anderem bei Gebäudegrößen, Dachformen und Einfriedungen von Grundstücken geben soll. Trotz Beratungen des Entwurfs in Ortschaftsrat, Bauausschuss und Gemeinderat, nach zwei Infoveranstaltungen und der öffentlichen Auslegung der Satzung war die Aufregung kurz vor dem Beschluss plötzlich groß und einige Hödinger schienen aus dem Häuschen.
39 Bürger melden sich kurz vor der Abstimmung zu Wort
Zumindest meldeten sich 39 Bürger zu Wort und die Abwägung der kritischen Stimmen erstreckt sich über 120 Seiten. Oft werden eine Bevormundung oder fehlende Information beklagt, sagt Baubürgermeister Thomas Kölschbach in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Er hat Beratung und Entstehung der Satzung über drei Jahre begleitet und stand den Bürgern zweimal öffentlich Rede und Antwort. „Der Charakter des gewachsenen und in Teilen historischen Dorfkerns soll erhalten und gepflegt werden“, ist unter anderem in der Präambel der Satzung zu lesen: „Neubauten, Modernisierungen, Umbauten und Sanierungen sind so zu integrieren, dass diese dem gewachsenen Gesamtbild entsprechen und der Örtlichkeit dienen.“
Hödinger Ortschaftsrat offenbar über Aktion nicht informiert
Mit einem Appell und einer Unterschriftenliste, die der eigene Ortschaftsrat wohl nicht einmal direkt bekam, hatten sich einige Hödinger an die Gemeinderäte gewandt. Diese sollten die Gestaltungssatzung quasi in letzter Minute ablehnen. Den historischen Ortskern gebe es ohnehin nicht mehr, schreiben Kritiker, zu kleinteilig seien die Vorschriften für die Gestaltung der Gebäude. Ja, der Dorffriede sei möglicherweise in Gefahr.
Ortschaftsräte stehen weiter zur neuen Satzung
Zur Gemeinderatssitzung am Mittwoch kamen sechs Hödinger Zuhörer. Unterdessen hatte sich der Ortschaftsrat, der die Gestaltungssatzung im Mai bereits einstimmig beschlossen hatte, in der vergangenen Woche noch einmal informell getroffen. Zu einer Art Selbstvergewisserung, wie Ortsvorsteher Martin Keßler im Bauausschuss betont hatte. Doch alle gewählten Vertreter seien sich einig gewesen, dass sie zu der Satzung stünden. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht“, sagte Keßler im Rat. Mit den öffentlichen Informationen für die Bürger in Hödingen habe man im Vorjahr bewusst auf Lücken zwischen den Lockdowns gewartet. „Es kann hier nicht nur um private Belange gehen“, bekräftigte der Ortsvorsteher: „Wir müssen auch die Gemeinschaft im Blick haben.“

„Torschlusspanik“ am Ende eines dreijährigen Prozesses?
Ob des flammenden Appells der Bedenkenträger zuckte der eine oder andere Gemeinderat bei der Lektüre wohl doch zusammen. Ingo Wörner (FDP) hatte schon im Ausschuss für eine Vertagung und eine erneute Beratung mit allen Beteiligten plädiert, war aber mit einem Stimmenpatt knapp gescheitert. Im Gemeinderat sprach er bei dem anstehenden Beschluss von einer „Torschlusspanik“. Das wollten Oberbürgermeister Jan Zeitler und Baubürgermeister Thomas Kölschbach mit einem Hinweis auf den dreijährigen Entstehungsprozess der Satzung allerdings nicht gelten lassen.
Klare Mehrheit von 15:4 für neue Satzung
Auch Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne) hatte zunächst dafür plädiert, „möglichst alle Bürger mitzunehmen“, auch wenn deren Kritik nicht berechtigt sei und sehr spät komme. Dem Zerfall der Baukultur müsse man jedoch entgegensteuern, brach Dreiseitl im Rat eine Lanze für die Satzung: „Man muss wissen: Wo will ein Ort hin?“ Der Gemeinderat machte sich die Entscheidung am Mittwoch dennoch nicht leicht, befürwortete die Gestaltungssatzung am Ende aber mit einer klaren Mehrheit von 15:4 Stimmen.

Bonndorfer Stadträtin spricht sich gegen Beschluss des Ortschaftsrat aus
Dagegen ausgesprochen hatte sich Stadträtin Sonja Straub (CDU). Als es vor einigen Wochen um die Fotovoltaik-Entscheidung in ihrem Teilort ging, hatte sich die Bonndorferin noch auf das Votum ihres eigenen Ortschaftsrats berufen. Jetzt sprach sie sich jedoch gegen den einstimmigen Beschluss des Hödinger Gremiums aus. Auch dass Straub auf Architekturbeispiele verwies, die nicht zum Dorf passten, spreche ja eher für als gegen die Satzung, musste sie sich später vom Baubürgermeister sagen lassen. Es werde keine neuzeitliche Architektur verhindert, betonte Thomas Kölschbach. Doch gehe es darum, das gewachsene Siedlungsbild im Ortskern zu erhalten.
„Wir leben in einer Demokratie und da gibt es keine Verlierer. Die Dorfgemeinschaft war für mich immer so gut, dass sie das aushalten kann.“Robert Dreher (FWV/ÜfA)
Robert Dreher (FWV/ÜfA) verwies auf den Wunsch des Gemeinderats, gemeinsam mit dem Ortschaftsrat diese Satzung zu entwickeln. Auch wenn an manchen Stellen die freie Verfügbarkeit des Eigentums eingeschränkt werde, seien die Festsetzungen wünschenswert. „Das Argument der Zerrüttung einer Dorfgemeinschaft kann ich nicht nachvollziehen“, sagte Dreher: „Wir leben in einer Demokratie und da gibt es keine Verlierer. Die Dorfgemeinschaft war für mich immer so gut, dass sie das aushalten kann.“
Deisendorfs Ortsvorsteherin hält Plädoyer für Satzung
Auf den demokratischen Weg der Satzung und das Votum des Ortschaftsrats beriefen sich auch Michael Wilkendorf (SPD) und Dirk Diestel (BÜB+). Alexander Bruns (CDU) nannte es eine gute Diskussion und eine kluge Lösung für das Dorf. Der Gemeinderat dürfe hier nicht kapitulieren: „Das wäre Arbeitsverweigerung.“ Aus eigener Erfahrung hielt auch die Deisendorfer Ortsvorsteherin Karin Müller ein kurzes Plädoyer für die Gestaltungssatzung. Ihr Teilort sei manches Mal schon froh gewesen, sich auf diese Leitlinien berufen zu können, nicht zuletzt bei den Diskussionen um die Zukunft des Löwen-Areals.