Die Nachricht, dass die Geburtenstation wegen anhaltendem Personalmangel bis auf Weiteres geschlossen ist, sorgt auch unter den Lokalpolitikern für Bedauern. Oberbürgermeister Jan Zeitler erklärt auf Nachfrage des SÜDKURIER: „Die vorübergehende Abmeldung der Geburtenstation im Helios Spital bedauere ich zutiefst. Gleichzeitig habe ich Verständnis für die Entscheidung der Klinikleitung, da die Sicherheit und medizinische Qualität für Mütter und Kinder oberste Priorität haben müssen“.
Marga Lenski saß für die Liste für Bürgerbeteiligung und Umweltschutz (LBU) früher im Gemeinderat. Als Ur-Überlingen bedauert sie die Schließung sehr. „Es ist wirklich tragisch, anders kann ich es nicht sagen. Stück für Stück wird so die Versorgung ausgedünnt. Meine drei Kinder sind alle in Überlingen geboren, im damals noch städtischen Krankenhaus. Und ich selbst auch“, sagt sie. 1953 habe sich die Geburtsstation aber noch beim heutigen Altenheim St. Ulrich befunden, denn das Krankenhaus wurde erst 1958 gebaut. „Hätte es das nicht gegeben, wären meine Kinder vermutlich irgendwo auf der Landstraße Richtung Singen, Friedrichshafen oder Tettnang zur Welt gekommen“, sagt Lenski. Und weiter: „Eine weitere Frage dürfte manchen beschäftigen: Gibt es bei einer dauerhaften Schließung irgendwann vielleicht gar keine echten Überlinger mehr?“
Großes Bedauern über temporäre Schließung
Für Robert Dreher, FWV-Fraktionssprecher ist es ein emotionales Thema, wie er sagt: „Meine beiden Kinder und Enkel sind im Überlinger Krankenhaus geboren. Bei der Übernahme durch Helios 2011 haben wir sehr dafür gekämpft, dass es auch künftig noch Überlinger gibt. Die Geburtsstation war nicht deren liebstes Kind“, erinnert er sich. „Was mich ärgert, ist die Begründung durch die Zahlen. Wenn Helios es geschafft hätte, mit einem guten Team eine stabile Station aufzubauen, hätte man die 500 Geburten im Jahr locker geschafft, da bin ich mir sicher. Doch wenn die Station immer wieder wochenlang abgemeldet wird, klappt das natürlich nicht“, sagt der Ur-Überlinger gegenüber dem SÜDKURIER.
Martin Hahn, Landtagsabgeordneter der Grünen, bezeichnet die Schließung als sehr schade: „Dass die Geburtshilfe geschlossen wurde, wenn auch zunächst nur temporär, ist für Überlingen sehr, sehr schade. Der Schritt kommt zudem zur Unzeit, da die Kliniklandschaft in unserer Region im Umbruch ist und die Zukunft der Kliniken in Tettnang und Friedrichshafen neu aufgestellt wird. Hier wäre es sehr schön, im Westen zumindest durch Helios Stabilität zu haben. Im Kreistag stehen wir aktuell vor der Herausforderung, die Versorgung im Bodenseekreis zu sichern und die unterschiedlichen Aufgabenbereiche neu zu ordnen. Das ist keine leichte Aufgabe. Ich selbst bin Überlinger, aber in Stockach geboren, weil das von unserem Zuhause der kürzere Weg zum Krankenhaus war“.
Sorge um Erhalt des Krankenhauses
„Ich bedauere diesen Schritt sehr und schätze, dass der Bürgermeister hier möglicherweise sein Veto einlegen wird“, sagt Raimund Wilhelmi, Fraktionssprecher der FDP. Er erinnert daran, dass die Stadt über den Spitalfonds Gesellschfter des Helios Spitals ist. „Im Augenblick müssen wir allerdings froh sein, wenn uns das Helios überhaupt erhalten bleibt – wenn man sieht, was sich im Osten mit Friedrichshafen, Ravensburg und Tettnang zusammenballt“, sagt er. Er habe auch Verständnis für den Schritt. „Helios bekommt auf Dauer die Defizite nicht ersetzt wie die öffentlichen Häuser. Wenn sich etwas nicht lohnt, kann man es nicht dauerhaft weiterbetreiben“. Er sagt, er kenne viele, die im Helios geboren seien, unter anderem seine Nicht. Deshalb appelliert er: „Meine persönliche Meinung: Unterstützt unser Krankenhaus!“
Nicht überrascht zeigt sich Günter Hornstein, CDU-Fraktionssprecher: „Ich bin nicht überrascht, da seit längerer Zeit der Kreißsaal immer wieder bei den Rettungsleitstellen abgemeldet worden ist. Die Schließung ist ja wegen Personalmangels zunächst nur temporär“. Natürlich seien die Perspektiven angesichts sinkender Geburtenraten generell schwierig. Dies betreffe vor allem Geburtsstationen ohne angeschlossene Kinderklinik, da Eltern sich zunehmend maximal absichern wollen würden. „Die anstehende Krankenhausreform wird es für Überlingen nicht einfacher machen. Ein Pluspunkt könnte hier die Entfernung zu anderen Krankenhäusern sein. Die ist ja deutlich größer als etwa in einem Ballungsgebiet. Von daher sehe ich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen noch eine Chance“.
Ärztestellen sind ausgeschrieben
SPD-Fraktionssprecher Rainer Röver, der eine große Hausarztpraxis als Allgemeinmediziner betreibt, bedauert den Schritt sehr: „Ich bedauere den Schritt, der ja zunächst vorläufig ist, sehr. Doch er war in dieser Situation unumgänglich: Wenn die personelle Besetzung nicht mehr gewährleistet ist, muss ein Krankenhaus die Geburtshilfe abmelden“. Das komme auch in anderen Krankenhäusern kurzfristig vor. „Die Ärztestellen sind ja ausgeschrieben, und ich hoffe, dass die Abteilung wieder öffnen kann. Leicht wird dies vermutlich nicht, denn der Ärztemangel ist groß. Gleichzeitig müssen wir schauen, dass Überlingen bei der Neueinteilung der Leistungsklassen durch das Land überhaupt wieder die Zulassung für die Geburtshilfe bekommt“, betont er.
Daseinsfürsorge ist wichtig
Ulf Janicke, Fraktionssprecher von LBU/Grüne, verweist darauf, wie sensibel das Thema sei. „Die Schließung bis auf Weiteres ist ein sensibles Thema, da eine funktionsfähige Geburtsstation in Überlingen wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge ist. Wir nehmen aber auch sehr ernst, wenn die Krankenhausleitung dies als eine „aus medizinischer Sicht unumgängliche Entscheidung“ ansieht. Betrachtet man die Krankenhausproblematik in Nachbarkommunen und die Umsetzung der Krankenhausreform in Land und Kreis, dann wird klar, dass die Standortsicherung unseres Krankenhauses eine Aufgabe ist, die weit über das Thema Geburtsstation hinausgeht“.
Eine untragbare Situation ist es für Hänselevater Uwe Wolfensperger: „Meiner Ansicht nach ist es für eine Stadt wie Überlingen nicht tragbar, ein Krankenhaus ohne Geburtenstation zu unterhalten. Dies ist ein unverzichtbarer Bestandteil für die Bürger der Stadt sowie dem Umland“.