Sie hatten beide die Idee zu einem Projekt, das im Jahr 2024 mit dem Ehrenamt-Förderpreis des Bodenseekreises ausgezeichnet wurde: Maria-Gratia Rinderer rief vor zehn Jahren das Café International ins Leben. Stefania Volta Wesner startete als langjähriges Mitglied des Vereins Lesezeichen das junge Format „BookTok on Stage“. Der Preis und ihr Engagement sind aber nur zwei von vielen Gemeinsamkeiten. Beide stehen erklärtermaßen nicht gern allein im Rampenlicht, sondern lieber im Kreis ihrer Mitstreiterinnen.
Zwei ausgezeichnete Initiativen
Erfahrungen im Ausland prägen Maria-Gratia Rinderer
Maria-Gratia Rinderer verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Italien und spricht die Sprache, wie einige andere, heute noch fließend. Sie studierte Kunstgeschichte, unter anderem in Frankreich, wo sie an der Sorbonne promovierte. In der Zeit musste sie regelmäßig ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen. „Da stand ich mit Menschen in der Schlange, die am ganzen Leib gezittert haben vor Angst, abgeschoben zu werden. Ich bekam problemlos meinen Stempel“, erinnert sie sich. „Ist das in deinem Herzen geblieben und hat dich bewegt, später ein Café International zu gründen?“, fragt Stefania Volta nach. „Ja“, sagt Rinderer.
Als ihr Mann eine Stelle in Überlingen bekam, begann für Maria-Gratia Rinderer ein neuer Abschnitt. „Der Umzug von Paris nach Überlingen war hart“, sagt sie. Auf der Suche nach einer Aufgabe schlug man ihr in der Pfarrei vor, Deutsch für Ausländer anzubieten. „Das war damals überhaupt noch nicht organisiert“, erinnert sich Rinderer. Später wurden die Flüchtlingsunterkünfte in Goldbach gebaut und die Diakonie wurde ihr Ansprechpartner. Ihre Hauptaufgabe sei immer die Vermittlung von Sprache und Verständnis für die Kultur gewesen. „Ich bin eigentlich immer ehrenamtlich tätig gewesen.“ Als Mutter von drei Kindern habe sie Deutschunterricht im Wohnzimmer gegeben und die Kinder hätten gespielt.
Stefanie Volta lebte ihren Traum vom Ballett
Stefania Volta wurde in Mailand geboren, wo sie das Sprachgymnasium und parallel die Ballettschule besuchte. Mit 16 Jahren wurde sie an der Royal Academy of Dance in London angenommen und machte dort ihr Diplom. Die Erfahrung, sehr jung allein in einem fremden Land mit den strengen Regeln des Balletts zu leben, hat sie geprägt. „London war eine harte Erfahrung. Ich war so schüchtern“, erinnert sie sich. Zurück in Mailand machte sie ihr Abitur, studierte dann an der Fachhochschule für Dolmetscher und Übersetzer und wählte Deutsch als Sprache. Auf die Frage von Maria-Gratia Rinderer, warum nicht Englisch, antwortet sie fast schwärmerisch: „Die deutsche Sprache hat diese perfekte Morphologie. Keine Sprache ist so logisch, so analytisch und so präzise.“
Der Sprache ging sie weiter auf den Grund. Für ihre Promotion im Bereich Altsprachen recherchierte sie auch in Konstanz und lernte ihren Mann kennen. Die beiden zogen nach Überlingen, wo sie eine Familie gründeten. Wegen der „geringen Wirtschaftlichkeit von Altsprachen“, wie es in der Familie scherzhaft hieß, arbeitet Stefania Volta als Übersetzerin und ist als Dozentin an der Fachhochschule in Mailand tätig.
Beide Frauen vereint die Leidenschaft für Bücher
Beide Frauen sind seit Beginn, also fast 20 Jahre, Mitglied beim Verein Lesezeichen. Stefania Volta hat dort als Lesepatin angefangen. Über den Kontakt zu den Schülern kam es vor drei Jahren zur Idee von „BookTok on Stage“. Da viele Jugendliche sich per App über Bücher informieren, dachte sie, „vielleicht gibt es darüber einen Weg, um den Verein zu verjüngen.“ Sie wollte etwas, das nicht an Schule erinnert, und „hatte die Idee, dass wir es aus der digitalen Welt holen“.
Neue Idee: Ein Leseclub für Jugendliche
Es fanden sich direkt Mitstreiter, die Kooperation mit der Stadtbücherei bezeichnet Volta als ideal und die Jugendlichen trauten sich mit beeindruckenden Präsentationen ihrer Lieblingsbücher auf die Bühne. „Es geht weiter!“, freut sie sich. Sie sei mit den Gewinnern der beiden ersten Durchläufe weiter im Gespräch und man überlege, gemeinsam einen Leseclub für Jugendliche zu gründen.
Auch Maria-Gratia Rinderer war ein wenig geschockt, wie schnell ihre Idee Fahrt aufnahm. Weil ihr Flüchtlinge berichteten, dass es ihnen an Gelegenheiten fehle, Deutsch zu sprechen, hatte sie die Idee: „Ich mache ein Café.“ Der Ökumene-Ausschuss stimmte zu und bot direkt den Kolpingsaal an. „Ich habe das vorgeschlagen, bevor ich wusste, wie es überhaupt gehen sollte.“ Doch es gab schnell Helferinnen, die teilweise bis heute dabei sind.

Es geht um das Miteinander und Hilfe
Nach dem Antrieb für ihr Engagement gefragt, sind die beiden Frauen sich wieder sehr einig. Das Wort Ehrenamt benutzen sie nicht. „Es geht nicht um Ehre“, so Rinderer. „Volontariato, also freiwilliges Engagement, das benutze ich manchmal. Ich will weg von dem Begriff Ehre“, ergänzt Stefania Volta. Beide betonen, es gehe um ein Miteinander auf Augenhöhe und nicht um Bedürftigkeit. „Jeder sollte eine vermittelnde, helfende Aufgabe in der Gemeinde haben“, so Volta. „Es macht mir einfach Spaß“, sagt Maria-Gratia Rinderer. „Ich habe es immer gut in meinem Leben gehabt und möchte gern etwas von meiner Freude und meinen Gaben weitergeben.“
„Schulterklopfen können wir selber“
Auf die Frage, ob das Ehrenamt genug gewürdigt wird, zucken beide mit den Schultern. „Schulterklopfen können wir selber“, meint Volta. Und was braucht das Ehrenamt – Geld oder Räume? „Wir brauchen Räume!“, kommt es wie aus einem Mund. Finanzielle Hilfe braucht das Café International wenig und Lesezeichen wirbt bei Bedarf Spenden für Projekte ein. „Wir könnten sehr viele Ideen umsetzen, wenn wir Räume hätten“, sagt Maria-Gratia Rinderer. „Wir sind die Obdachlosen unter den Vereinen“, fügt Stefania Volta hinzu. Sie hofften wie die Bücherei schon lange auf die benachbarten Räume des Spitalfonds oder würden gern Räume mitnutzen.
Schließlich sind es mehr Gemeinsamkeiten geworden als gedacht. Stefania Volta fasst sie zusammen: „Die Kunst, Italienisch, Unterricht und das Vermittelnde in unserem Engagement. Auch dass wir das Wort Ehrenamt nicht so mögen. Wir haben beide Auslandserfahrungen – und natürlich die Literatur!“ Die Herzlichkeit, mit der sie den Menschen begegnen, hat sie noch vergessen.