Die Liste der Vorwürfe ist lang: Ein 24-Jähriger soll im Sommer an einem Abend am Mantelhafen in Überlingen einem Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen, einer Frau vor die Füße gespuckt und sich Polizisten widersetzt haben. Während dieser Taten sei der 24-Jährige alkoholisiert und bekifft gewesen, heißt es in der Anklage.

Neben den Vorfällen am Mantelhafen legte die Staatsanwaltschaft dem jungen Mann bei einer Verhandlung im Amtsgericht Überlingen noch eine weitere Tat zur Last: Zwei Tage nach dem Vorfall am Mantelhafen soll er einen seiner Mitbewohner in einer Flüchtlingsunterkunft bedroht haben.

In Somalia geboren, nach Deutschland geflohen

Der Angeklagte lebt seit etwa sechs Jahren in Deutschland. Er wurde in Somalia in Afrika geboren. Wegen des Krieges in seinem Heimatland floh er mit zwölf Jahren gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwester nach Jemen. Dort lebte er etwa sechs Jahre lang in einer Asylunterkunft, ging zeitweise zur Schule und arbeitete ungelernt als KFZ-Mechaniker.

2016 flüchtete der Mann von dort aus erneut, diesmal wegen Bürgerkriegs. Über Italien gelangte er schließlich nach Deutschland. Dort wurde er in einer Flüchtlingsunterkunft am Bodensee aufgenommen. In den vergangenen Jahren stand der 24-Jährige bereits mehrfach vor Gericht und landete auch das ein oder andere Mal für eine Weile im Gefängnis – unter anderem wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Angeklagter aktuell in Haft

Auch aktuell befindet sich der Angeklagte in Haft. „Was haben Sie gemacht, wenn Sie nicht im Gefängnis waren? Haben Sie gearbeitet?“, wollte Richter Alexander von Kennel von dem jungen Mann wissen. Mithilfe eines Dolmetschers und Bruchteilen aus dem eigenen Wortschatz antwortete der 24-Jährige: „Ich habe gar keinen Pass. Ich hatte Angst, dass ich abgeschoben werde.“

Im weiteren Verlauf der Verhandlung gab der Angeklagte zu, dass er alkohol- und drogenabhängig sei. „Ich habe sechs Jahre meines Lebens verloren, mit Alkohol, Tilidin, Ecstasy und Marihuana.“ Jetzt, so betonte er vor Gericht, wolle er sich ändern – neu anfangen, die deutsche Sprache richtig lernen und arbeiten.

Das könnte Sie auch interessieren

Die ihm zur Last gelegten Vorwürfe räumte der 24-Jährige ein, auch wenn er sich an manches Detail nicht mehr genau erinnern konnte. „Ich habe eine ganze Flasche Wodka getrunken“, blickte der Angeklagte zurück. „Und Tabletten genommen und Cannabis geraucht.“ Laut Polizeibericht wurde bei ihm in der Tatnacht ein Promillewert von 1,55 und ein THC-Wert von 3,3 nachgewiesen.

Trotz Alkohol und Drogen wollte Richter von Kennel wissen, wie es zu den verschiedenen Taten kommen konnte. Laut Aussage des Mannes war dieser an betreffendem Sommerabend mit einer kleinen Gruppe in Überlingen unterwegs. Es wurde getrunken und gekifft. Am Mantelhafen verlor der 24-Jährige dann die Kontrolle über sich und schlug zunächst gegen ein Auto.

Mann mit Faust geschlagen, Frau vor die Füße gespuckt

„Ich war so betrunken, ich kann mich nicht richtig erinnern“, erzählte er. Als ihm gesagt wurde, er soll aufhören, sei er aggressiv geworden und habe schließlich einem Mann mit der Faust gegen das Kinn geschlagen. Wenige Minuten später habe er eine Frau angepöbelt und ihr vor die Füße gespuckt, wie die Geschädigte im Zeugenstand bestätigte. „Es tut mir leid, ich möchte mich entschuldigen“, sagte der Angeklagte in Richtung der Frau.

An jenem Abend kam schließlich die Polizei zum Mantelhafen, die durch Zeugen verständigt wurde. Der 24-Jährige wollte gegenüber den Beamten seine Personalien nicht nennen und versuchte zu flüchten. Doch die Polizisten konnten ihn stoppen und zu Boden bringen. Dabei wehrte sich der Mann und strampelte mit seinen Beinen und widersetzte sich den Beamten, die ihn mit aufs Revier nahmen.

Das könnte Sie auch interessieren

Zwei Tage später kam es dann zu einem Konflikt in der Flüchtlingsunterkunft. „Ich war betrunken und habe die Tür von meinem Nachbarn zugeschlagen“, erzählte der Angeklagte. An die Ursache für den Streit erinnerte er sich vor Gericht nicht mehr genau – nur daran, dass er sich im Nachhinein bei seinem Mitbewohner entschuldigt habe.

Staatsanwalt fordert sieben Monate Freiheitsstrafe

Aufgrund des Geständnisses des Angeklagten äußerte der zuständige Staatsanwalt keine Zweifel an den Tathergängen. Der Strafrahmen sei aus seiner Sicht jedoch zu kürzen, da der Mann während der Tat aufgrund von Alkohol- und Drogenkonsum vermindert schuldfähig gewesen sei. Die Forderung des Staatsanwalts: sieben Monate Freiheitsstrafe.

Eine Bewährung komme nicht in Frage, da der Angeklagte drogenabhängig und arbeitslos sei sowie kein soziales Umfeld habe. Dem setzte der Verteidiger entgegen, dass die Folgen für die Geschädigten jedoch entsprechend gering waren. Außerdem sei vieles auf den Alkohol- und Drogenkonsum zurückzuführen. Deswegen forderte der Verteidiger, die Freiheitsstrafe auf Bewährung zu verhängen.

Urteil des Richters: sechs Monate Freiheitsstrafe

Richter Alexander von Kennel entschied sich schließlich, den Forderungen der Staatsanwaltschaft zu folgen. Er verurteilte den Angeklagten zu sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Von Kennel hob den Zustand des 24-Jährige während der Tat hervor. So wie der Staatsanwalt sah er die verminderte Schuldfähigkeit.

„Für den Angeklagten spricht, dass die Tatfolgen überschaubar waren, er hat sich entschuldigt und Reue gezeigt“, sagte der Richter und wandte sich an den jungen Mann: „Auf der anderen Seite sind Sie schon mehrfach verurteilt worden, saßen im Gefängnis und haben sich nicht geändert. Ich kann keine positive Prognose sehen.“ Deswegen könne von Kennel die Freiheitsstrafe nicht auf Bewährung verhängen. „Geldstrafen reichen nicht mehr aus“, betonte er.