Der junge Mann transportierte den Stoff, begleitete Übergaben, leistete Fahrdienste und vermittelte Abnehmer, hieß es in der Anklageschrift, die vor dem Amtsgericht verlesen wurde. Dass er dafür Geld bekam, konnten die Ermittler nicht nachweisen. Sicher ist: Er wusste, woran er beteiligt war.
Die Geschichte, die sich während der Verhandlung entfaltete, beginnt mit einem Neuzugang im Freundeskreis des Angeklagten. Dieser Mann, der sich später als Dealer entpuppte, stieß zu der Clique, mit der der Angeklagte am Wochenende feiern ging. „Am Anfang wusste ich nicht, dass er dealt“, sagte der 21-Jährige. Bald fragte ihn dieser Mann, ob er andere Konsumenten kennt – der Einstieg ins Drogengeschäft.
„Er hat es mit Cannabis vernebelt“
Unter anderem fuhr der Angeklagte ihn mit mindestens einem Kilogramm Marihuana nach Stuttgart. Im Raum Überlingen half er bei weiteren Übergaben – am Krankenhaus etwa. Auch deponierte er Stoff an verabredeten Stellen. Im Herbst 2023 flogen die illegalen Geschäfte auf. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei beim Angeklagten 100 Gramm Marihuana – der Lohn für die Hilfe beim Drogenhandel: „Ich konnte gratis kiffen.“
Vor Gericht wirkte der Angeklagte ruhig und reflektiert. Eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe berichtete von einer schwierigen Lebensphase mit mehreren Schicksalsschlägen. „Er hat es mit Cannabis vernebelt.“ Heute sei er stabil, habe den Konsum beendet, einen neuen Freundeskreis und einen Plan für die Zukunft.
Angeklagter verrät Namen und Details
Auch die Polizeihauptkommissarin, die den Fall betreute, lobte die Kooperationsbereitschaft des Angeklagten in seiner polizeilichen Vernehmung. Er habe Namen genannt, zwar nicht alle Details aufführen können, aber das fand die Ermittlerin nachvollziehbar: „So viele Deals – das bekam er nicht mehr auf die Reihe.“ Seine Aussagen hätten Ermittlungen gegen weitere Beteiligte ermöglicht. Ungewöhnlich fiel am Ende dieses Prozesses die Rollenverteilung zwischen Anklage und Verteidigung aus.
Der Staatsanwalt attestierte dem Angeklagten eine „glaubhafte Distanzierung von früheren Verfehlungen“ und lobte seine neue Lebensstruktur. Am Ende seines von Milde geprägten Vortrags plädierte der Verteidiger für eine Verwarnung samt Abstinenzkontrollen und Geldauflage. Es war der Verteidiger, der betonte, sein Mandant habe einen Fehler begangen, der eine Sanktion erfordere – in Form einer Verwarnung. Geldauflage und Urinproben widersprach er.
Angeklagter ist einsichtig
Der Staatsanwalt sah die Vorwürfe im Wesentlichen bestätigt. Der Angeklagte habe gestanden, sich einsichtig gezeigt, sein Handy zur Auswertung überlassen und sich von der Szene glaubhaft gelöst. „Er macht hier einen guten Eindruck.“ Als Strafe beantragte er eine Verwarnung, eine halbjährige Abstinenzüberprüfung und eine Geldauflage von 1000 Euro.
Verteidiger Robert Scheel zeichnete das Bild eines jungen Mannes, der durch eigenen Konsum und das Bedürfnis, sich Drogen zu beschaffen, in „schlimmes Fahrwasser“ geraten sei. Ohne eigenen Gewinn habe er durch seine Kontakte zum Konsummilieu eine Funktion als Laufbursche erhalten. Nach der Hausdurchsuchung habe er sich aber aktiv an der Aufklärung beteiligt, sogar unter dem Risiko, dafür von anderen Beschuldigten angegangen zu werden. Dennoch, so Scheel, müsse das Verhalten geahndet werden. Er sprach sich für eine Verwarnung ohne weitere Auflagen aus.
21-Jähriger ist kein typischer Drogenkonsument
Ohne Auflagen wollte Richter Alexander von Kennel den Angeklagten nicht gehen lassen. Bis Ende Juni muss er 1000 Euro an die heimische Suchtberatung zahlen. Auf Urinproben wird verzichtet. Der junge Mann, sagt Kennel, habe sich inzwischen deutlich vom Milieu entfernt. „Ein typischer Drogenkonsument sieht anders aus.“ Dennoch sei seine Hilfe bei der Übergabe großer Mengen Marihuana ein „erheblicher Beitrag“ zu diesen Straftaten gewesen. „Sie waren der Laufbursche, und Sie wussten, was abläuft.“ Um die Botschaft klarzumachen, sei eine spürbare Sanktion nötig. Von Kennel abschließend: „Ich glaube Ihnen, dass Sie mit dem Kapitel abgeschlossen haben. Alles Gute für die Zukunft.“ Der Angeklagte nahm das Urteil an.