Nie war es in Überlingen stiller um eine Ausstellung des Provokateurs Peter Lenk. Will man im Rathaus die vom 24. März bis zum 8. Oktober terminierte Schau stumm vorübergehen lassen? Außer Routinemeldungen aus dem Rathaus, immer dienstags und mittwochs sei Führung, gibt es nichts an laufender Werbung. Auf Plakaten und Faltblättern wird verschwiegen, um was es in der Ausstellung vor allem geht. Der Künstler selbst spricht von Sabotage.

Dabei hatte Kulturamtsleiter Michael Brunner auf neue Besucherrekorde gehofft, als er den Bodmaner Skulpteur Peter Lenk von sich aus ansprach, ob er bereit sei, eine dritte Ausstellung in der städtischen Galerie zu machen.

Weit weniger Besucher als Lenk erhoffte

„Ja warum haben sie mich gefragt? – es waren 22.000 zahlende Besucher bei der letzten Ausstellung, insgesamt waren es 26.000“, erklärt Lenk das Begehren. Eine wirtschaftliche Sache sei das gewesen. „Armin Klotz hat gesagt, dieses Mal, da kommen 45.000.“ Klotz ist der von Lenk hoch geschätzte städtische Mitarbeiter, mit dem er alle drei Ausstellungen praktisch umgesetzt hat. Auf SÜDKURIER-Anfrage erklärt die Pressestelle der Stadt, dass bisher etwa 6000 Besucher die jetzige Ausstellung besuchten. „Wir erwarten rund 15.000 Besucher.“

Polizeieinsatz gegen Bürger, die gegen S21 demonstrierten. Ein Werk aus der Ausstellung.
Polizeieinsatz gegen Bürger, die gegen S21 demonstrierten. Ein Werk aus der Ausstellung. | Bild: Baur, Martin

Kryptische Hinweise auf der Homepage der Stadt

Wer sich auf der städtischen Homepage über die Ausstellung informieren will, findet neben einem Hinweis auf die früheren Besucherrekorde nur einen kryptischen Hinweis: „Diese Ausstellung präsentiert ausschließlich jüngere und neueste Werke, die bisher in keiner einzigen Schau gezeigt wurden. Darüber hinaus wird das populäre Schwetzinger „Glücksschwein“ und zahlreiche andere Figuren sowie ein Film von Klaus Gietinger gezeigt.“

Das könnte Sie auch interessieren

Woher kommt der Titel „Das Trojanische Pferd“?

Um welches brisante Thema es geht, verschweigt die Stadt. Verweist nur auf den Namen: „Das Trojanische Pferd“. Klingt erst mal nach Homer und klassischen Skulpturen. Wie Peter Lenk darauf kommt, erfährt man erst bei der Lektüre seines Büchleins „Zoff im Spätzlesumpf“, erschienen bei Stadler. Darin erinnert Lenk an Bahnchef Grubes Aussage von 2010: „S21 ist ein Geschenk an die Stadt Stuttgart“ und kommentiert: „Das Trojanische Pferd und der neue Bahnhof S21 haben etwas gemeinsam. Beide kommen als Geschenke daher, doch ihr Inhalt ist brandgefährlich.“

Bildhauer Peter Lenk vor der städtischen Galerie Fauler Pelz.
Bildhauer Peter Lenk vor der städtischen Galerie Fauler Pelz. | Bild: Hanspeter Walter

Der Hauptteil der aktuellen Ausstellung zeigt Figuren und Reliefs des „Schwäbischen Laokoon“ – im Zentrum der Grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Kampf mit einen Zug als Schlange. Der Trojanische Priester Laokoon hatte vor dem zurückgelassenen hölzernen Pferd der Griechen gewarnt, doch seine Mahnungen verhallten und er wurde von Schlangen getötet.

Ursprüngliche Werbemedien wurden eingestampft

Doch weshalb erfährt man nirgendwo, dass die Lenk-Schau die „Chronik einer grotesken Entgleisung“ in den Mittelpunkt stellt, den Kampf der Bürger gegen das umstrittene Bahnprojekt? Tatsächlich waren ursprünglich entsprechende Werbemedien gedruckt worden. Doch als Oberbürgermeister Jan Zeitler die provokanten Plakate und Flyer für eine städtische Ausstellung sah, veranlasste er, sie einstampfen zu lassen – wie der SÜDKURIER aus mehreren Quellen erfuhr.

Die Druckvorlage zum Flyer mit dem Hinweis auf S21 und Politikersprüchen.
Die Druckvorlage zum Flyer mit dem Hinweis auf S21 und Politikersprüchen. | Bild: Peter Lenk

Stadt nennt Plakatänderung „innerhalb der Stadtverwaltung abgestimmt“

In ihrer gestrigen Ausgabe berichtet die Stuttgarter Zeitung über die geänderten Plakate und zitiert eine Rathaus-Sprecherin, dass die Initiative für die Änderung von Plakaten und Handzetteln zur Lenk-Ausstellung „Das Trojanische Pferd“ „von der Stadt ausgegangen“ sei. Auf SÜDKURIER-Anfrage, ob die Initiative zur Änderung der Plakate direkt von Oberbürgermeister Jan Zeitler ausgegangen sei, wiederholt das die Pressestelle und ergänzt: „Die Erstellung von Ausstellungsplakaten ist ein längerer Prozess, der innerhalb der Stadtverwaltung abgestimmt wird.“ Und weiter: „Die Neugestaltung entstand in Absprache mit dem Künstler. Man hat sich darauf geeinigt, einen neutralen Ausstellungstitel zu wählen.“

Die Rückseite des Flyers mit Politikern und ihren grotesken Aussagen zum Bahnhofsprojekt.
Die Rückseite des Flyers mit Politikern und ihren grotesken Aussagen zum Bahnhofsprojekt. | Bild: Peter Lenk

Ob er vorab über die Zensur informiert worden sei? „Armin Klotz hat mir gesagt, es sei alles weg von den Plakaten“, beschreibt Lenk. „Dann habe ich den Brunner angerufen, was da los ist.“

Das könnte Sie auch interessieren

Alle grotesken Politikersprüche zu S21 mussten verschwinden

„Alles, was auf S21 hindeutete, ist in der Außenwerbung alles weg. Das Plakat mit Kretschmann wäre wichtig gewesen, dann rennen sie doch alle rein“, sagt der Künstler. Aber das zynische Zitat von Kretschmann, das auf dem Plakat mit Lenks Ministerpräsidenten-Kopf gestanden hatte, das habe sofort weg gemusst: „In einer Demokratie entscheidet nicht die Wahrheit, sondern die Mehrheit.“ Alle diese absurden Politikersprüche, wie etwa der von Angela Merkel, seien gestrichen worden: „S21 muss kommen, sonst ist Deutschland unregierbar und Europa in Gefahr.“

Auch was der ehemalige Stuttgarter OB Manfred Rommel zu S21 sagte, durfte nicht gedruckt werden: „Ist der Weg auch falsch und ...
Auch was der ehemalige Stuttgarter OB Manfred Rommel zu S21 sagte, durfte nicht gedruckt werden: „Ist der Weg auch falsch und steinig, die Hauptsach‘ ist wir sind uns einig.“ | Bild: Martin Baur

Lenk sagt, man habe diese Ausstellung sabotiert

„Man hat diese Ausstellung sabotiert – deshalb sehen die Leute nicht, worum es geht und deshalb geht die Ausstellung auch nicht so gut wie die alte“, sagt der Bildhauer. „Die Werbung mit S21 kam in die Tonne – und dann wurde so harmloses Zeug nachgedruckt.“ Der erfahrene Künstler vermutet, „da seien sicher einige Tausend Euro weg“. Die städtische Pressestelle erklärt auf SÜDKURIER-Anfrage: „Die erste Auflage ist als Probedruck immer klein, da das Format erarbeitet und dessen Wirkung geprüft wird. Das ist ein übliches, fachgerechtes Verfahren und verursacht Kosten in Höhe von um die 200 Euro.“

Lenks Schlusswort? „Überlingen und der ‚Faule Pelz‘ haben sich seit der ersten Ausstellung in Deutschland über ‚Entartete und verfemte Kunst‘ einen sehr guten Ruf erworben“, erinnert er an die Nachkriegsschau „Rückkehr der Moderne“. Nun attestiere die in der Landeshauptstadt erscheinende „Stuttgarter Zeitung“ Überlingen „Angst vor der eigenen Courage“. „Schade“, sagt Lenk. „Leider kann man den neuen Tiefbahnhof nicht genauso leicht entfernen wie meine Plakate.“