Stellenweise hört es sich an wie bei einer Gerichtsshow eines Privatsenders. Auf der Anklagebank sitzt ein 39-jähriger, stark tätowierter Mann. Er fordert, sofort aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden: „Ich habe hier Handschellen an und bin unschuldig.“ Einer, der erst als Zeuge aussagt, dann im Zuschauerraum sitzt, ruft ebenfalls dazwischen, der Angeklagte sei freizulassen.

Diese Szenen spielen sich vor dem Amtsgericht Konstanz ab. Es geht um einen Fall aus Überlingen. Der Angeklagte soll seiner früheren Partnerin unter anderem gewaltsam einen Welpen entrissen und die Frau mit Tritten am Kopf traktiert haben. Gemeinsam hatten die beiden einen Escort-Service.

Richterin Zundel stellt erst einmal klar: Der Angeklagte, der jetzt nicht mehr in Überlingen, sondern Berlin lebt, sitzt seit dem 5. März 2024 in Untersuchungshaft, weil er zum ersten Verhandlungstermin nicht erschienen war. Dass erst jetzt Vorfälle von 2020 verhandelt werden, habe damit zu tun, dass der Aufenthaltsort des Angeklagten lange Zeit nicht klar war. Der Mann lebt in Berlin und macht dort nach eigenen Aussagen „gar nichts“.

Angeklagter hat viele Vorstrafen

Er habe vom Escort-Service auf Musikmanager umsatteln wollen, doch das sei nicht gut gelaufen. Er beziehe inzwischen Bürgergeld. Der Angeklagte hat 14 Vorstrafen – unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung. Seit 2020 war allerdings nichts mehr vorgefallen. Er sagt über die Vergangenheit, er habe jeden Tag getrunken, wegen des Alkohols viel Mist gebaut. Inzwischen lasse er ihn weg und ekle sich davor.

In der Verhandlung geht es um eine Beziehungstat. Für die Polizei war die Adresse des Paares bekannt. Mehrfach habe die Frau Rat gesucht. Zuletzt erwirkt sie eine Verfügung, nach welcher der Mann nicht mehr ins Haus in Überlingen darf. Und doch sei der Angeklagte dort aufgetaucht, woraufhin die Frau die Polizei gerufen habe. Ein Beamter sagt vor Gericht über den Angeklagten: „Er hat sich geweigert, freiwillig zu gehen.“ Er sei betrunken und aggressiv gewesen. „Er war renitent und hat sich mit Händen und Füßen gewehrt.“ Nach einem Urteil des Amtsgerichts Überlingen hatte er die Polizisten auch beleidigt und in deren Richtung gespuckt.

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Streit um Hundewelpen eskaliert

Stunden nach dem Vorfall wurde der Angeklagte freigelassen. Und wieder drang er in das Haus der früheren Partnerin ein, mit der er zehn Jahre lang zusammen gelebt hatte und mit der er ein Kind hat. Auf der Anklagebank sagt er aus: „Ich habe da gewohnt.“ Weil er keinen Schlüssel hatte, sei er über den Keller ins Haus. Als die Ex-Partnerin mit dem Welpen im Arm die Treppe herunterkam, soll er versucht haben, ihr das Tier zu entreißen. Der Streit sei eskaliert, es gab ein Gerangel.

Einiges bleibt auch nach dem Verhör verschiedener Zeugen unklar: Wem gehörte der Welpe eigentlich, der 1900 Euro kostete? Ihm? Ihr? Beiden gemeinsam? Er sagt: „Es war nie: Das ist meins, das ist deins.“ Sie sagt: „Ich habe den Hund gekauft und bezahlt, er hat ihn nur abgeholt.“

Er soll die Partnerin terrorisiert haben

Es bleibt auch unklar, ob der Angeklagte die Frau geschlagen und getreten hat. Er sagt: „Die will mir was anhängen.“ Sie sei einfach nur eifersüchtig. Die Frau berichtet: „Er hat mich mit den Füßen mehrfach an den Kopf getreten.“ Zudem habe er sie ins Gesicht geschlagen, sie habe ein blaues Auge davon getragen. „Es war zum Glück das letzte Mal, dass er mich handgreiflich verletzt hat.“

Die Frau, die weiter in Überlingen lebt, sagt über die letzten zwei bis drei Jahren vor dem Welpen-Vorfall: „Er hat uns terrorisiert.“ Als er weg war, habe sie sich „Freiheit“ tätowieren lassen. Unter ihm sei sie von Freunden und Verwandten isoliert worden, er habe sie finanziell ausgebeutet, und sei ihr gegenüber ständig aggressiv gewesen. Er habe laute Musik gehört und Alkohol getrunken. Der Keller sei voller Flaschen gestanden. Wenn sie gesagt habe, das gehe so nicht, habe er sie geschlagen.

Zuletzt habe sie ihm geglaubt, als er versprach, sich zu ändern. Die Frau, die auch noch Kinder aus einer anderen Partnerschaft hat, berichtet, wie sie dank eines Freundes wieder Kontakte zu ihren Bekannten und Verwandten knüpfen konnte. Inzwischen habe sie mit einem neuen Partner ihr Glück gefunden. „Heute frage ich mich, warum ich nicht früher gegangen bin. Ich hatte Angst.“

Beweislage erweist sich vor Gericht als schwierig

Das Problem: Keiner der Polizisten kann sich an eine Verletzung der Frau erinnern. Trotz gegenteiligen Rats der Beamten ging die Frau erst eine Woche nach dem Vorfall zum Arzt. Das Attest bleibt vage. Die Polizei selbst hat nichts dokumentiert. Erst einen Monat nach dem Vorfall kommt es zu einem Termin. Nach Aussagen einer Polizistin habe man sich um ein früheres Treffen bemüht, doch sie habe dieses immer wieder abgesagt.

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Das Urteil: Der Mann bekommt elf Monate Haftstrafe auf Bewährung wegen eines minder schweren Falls von Raub. Er muss 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Ob es einen gezielten Tritt gegen den Kopf gab, bleibt unklar, stellt Richterin Zundel fest. Möglicherweise sei es dazu im Zuge des Gerangels um den Hund gekommen.

Verteidiger Jürgen Derdus hatte zuvor Freispruch gefordert – denn es stehe Aussage gegen Aussage. Im Zweifel müsse man sich für den Angeklagten aussprechen. Derdus schließt nicht aus, dass die Frau den Sachverhalt überspitzt schildert, weil sie eine Generalabrechnung wolle. Die Staatsanwältin plädiert auf ein Jahr und sechs Monate Bewährungsstrafe wegen Raubs des gemeinsamen Hunds. Für sie wiegt schwer, dass der Angeklagten keine Einsicht, keine Reue und kein Unrechtsbewusstsein zeige. Der Angeklagte: „Sie hat Rufmord gemacht. Gelogen, gelogen, gelogen.“