Über eine Million Kilometer sei der Bus schon gefahren, sagt Werner Küppers. Seit 25 Jahren ist er damit unterwegs. Seit 1987 sind seine Passagiere auf einer Mission: „Menschen für Volksabstimmung“, steht am Heck des weißen Fahrzeugs. Auf ihrer Tour durch Deutschland halten sie auch in Überlingen am Mantelhafen und in Friedrichshafen. Die Bewegung komme aus der Kunst, nicht aus der Politik, betont Busfahrer Küppers. Vorbild ist der Künstler Joseph Beuys und dessen Idee der Sozialen Plastik. Die Idee gehe davon aus, dass jeder Mensch durch kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen könne, erklärt Küppers. Volksabstimmungen könnten ihm zufolge diese Idee auf das politische Tableau übertragen.

Busfahrer Werner Küppers in seinem Reich. Seit 25 Jahren lenkt er den Bus. Nach seiner Aussage hat das Fahrzeug schon über eine Million ...
Busfahrer Werner Küppers in seinem Reich. Seit 25 Jahren lenkt er den Bus. Nach seiner Aussage hat das Fahrzeug schon über eine Million Kilometer zurückgelegt. | Bild: Rasmus Peters

„Wir sind gemeinsam für alles verantwortlich“, sagt Küppers. Seine Hoffnung ist, durch mehr Volksabstimmungen das Demokratieinteresse und die Eigeninitiative der Bürgerinnen und Bürger zu schärfen. „Ich bin immer eingefleischter Nichtwähler gewesen“, sagt Küppers. Das änderte sich, als sich eine Freundin für die Piraten-Partei aufstellte. Bei ihr setzte er sein Kreuz. „Ich kann nur wählen, wen ich kenne“, meint der Busfahrer.

Abstimmungen und Wahlen

Im Wahlvorgang der repräsentativen Demokratie sieht er nicht weniger als Selbstentmündigung. „Wir stellen eine Blankovollmacht aus, über uns zu entscheiden“, sagt er. Für ihn ist es skandalös, dass es im Grundgesetz heißt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Nach Ansicht von Küppers seien Wahlen gesetzlich festgelegt, nicht aber die Abstimmung und die Bürger daher um ein Grundrecht beraubt.

Lukas Rudolph, Juniorprofessor für Political Behavior an der Universität Konstanz.
Lukas Rudolph, Juniorprofessor für Political Behavior an der Universität Konstanz. | Bild: Universität Konstanz

Lukas Rudolph sieht das anders: „Ein Grundrecht auf Abstimmung lässt sich aus der Formulierung sicher nicht ableiten, sonst wäre es längst vor dem Verfassungsgericht gelandet“, schätzt er die Lage ein. Rudolph ist Junior-Professor für politisches Verhalten an der Universität Konstanz, der SÜDKURIER hat ihn um eine Einordnung gebeten. Grundsätzlich seien Volksabstimmungen eine gute Idee, haben aber ihre Fallstricke, sagt Rudolph. In der Schweiz sei das System gereift, aber in Deutschland werfe es einige Fragen auf: „Wie populistisch wird entschieden? Ist die Bevölkerung bereit?“ Zudem würden Volksabstimmungen auf kommunaler und auf Landesebene inzwischen häufiger eingesetzt, sagt Rudolph.

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Populistische Dialektik

Danilo Musso, ebenfalls Passagier des Omnibusses, hat Schwierigkeiten damit, dass „eine Gruppe über 83 Millionen Menschen entscheidet“, wie er sagt. Lukas Rudolph hält dem entgegen: „Wir haben uns 1949 für ein System entschieden, in dem wir Repräsentanten wählen, damit wir uns eben nicht im Klein-Klein verlieren.“ Sobald es die populistische Dialektik des Volks gegen die Eliten transportiere, sei die Erzählung schlicht demokratiefeindlich. Vom 7. bis 9. April steht der Bus in Friedrichshafen.