Man kennt sie vom Sehen: Seit Jahren läuft eine Frau mit Mundschutz durch Überlingen. Zum Einkaufen, in die Post, immer trägt sie Maske vor dem Gesicht, und vermutlich muss sie dafür viele fragende Blicke ertragen. Sie war mit Maske ein Exot. Und nun, wir alle: Exoten?

Das Beispiel zeigt: Wenn jeder Masken trägt, dann fällt der Einzelne nicht auf. Das ist auch das Geheimnis, wie die Maskenpflicht, die ab heute gilt, erträglich werden könnte. Zumindest kann ich diese Erkenntnis aus einem Selbstversuch ziehen, den ich am Dienstag unternommen habe, als absehbar war, dass die Maskenpflicht kommen würde.

Stefan Hilser ging zum Selbsttest am vergangenen Dienstag mit Maske einkaufen. Hier berichtet er über seine Erfahrungen.
Stefan Hilser ging zum Selbsttest am vergangenen Dienstag mit Maske einkaufen. Hier berichtet er über seine Erfahrungen. | Bild: Selfie

Meinen Erlebnistrip beginne ich dort, wo‘s am schwersten fällt, nicht im anonymen Discounter, sondern beim Hofladen, direkt bei mir um die Ecke, beim Obsthof Klotz, wo man mich kennt. „Kein Überfall, ich mache nur einen Selbstversuch„, sage ich entschuldigend, während ich die mit Glocke gesicherte Türe aufschwinge. Doch muss ich mich gar nicht erklären. Denn Juniorchefin Ines Kammerer steht hinter der Plexiglasscheibe an der Kasse und trägt – Mundschutz. Von einer Sekunde auf die andere fällt das peinliche Moment ab. Sie maskiert, ich maskiert, was soll‘s?

Die ehemalige Apfelprinzessin arbeitet sonst in der Tourismusbranche. Coronabedingt hat sie zur Zeit nichts zu tun, und hilft im elterlichen Betrieb mit. Sie stellte rasch fest, dass man mit Maske deutlicher reden muss. Offenbar lesen die Leute stärker von den Lippen ab als gedacht.

Ines Kammerer.
Ines Kammerer. | Bild: Hilser, Stefan

Und wie hält sie es mit dem Lächeln hinter der Maske? Schließlich hat sie ein sehr gewinnendes Lächeln, über das sich die Kundschaft freut. „Das innere Lächeln zählt“, sagt sie, und das mit so einem Strahlen in den Augen, dass es ansteckend wirkt.

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Für ihren Vater, Johannes Klotz, ist das alles noch sehr ungewohnt. Mit einer Obstkiste unterm Arm eilt er durch den Laden. „Ich lächle“, rufe ich ihm vorsichtshalber zu, als er an mir durchhuscht. Das befreit. Er lacht. Wird alles gut, Herr Klotz!

Käsekauf im Edeka

Im E-Center sind wir Maskenträger zwar noch in der Minderheit, aber schon so etabliert, dass ich keinen einzigen komischen Blick ernte. Niemand (er)kennt mich, ich muss nichts sagen, nur zugreifen. Auch die Brillengläser akklimatisieren sich. Erst an der Käsetheke gibt es eine kleine Hürde. Zweimal muss ich sagen, dass ich den „Luis-Trenker-Käse“ bevorzuge, bis der Mann hinter der Theke mich versteht. Und ja, am Stück bitte. „100 Gramm Tilsiter“ geht besser.

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Von wegen anonym beim Aldi

Beim Aldi hole ich Vanilleeis und Grillkohle, auch dort: Untertauchen in der totalen Anonymität. Bis mich draußen auf dem Parkplatz jemand anspricht, die Kollegin meiner Frau: „Hallo Stefan!“ Wie hat sie mich bloß erkannt? „Am Hut!“ Sie trägt keine Maske, ich schon. So halte ich das Gespräch aber nicht aus, ein beschissenes Gefühl, weshalb ich mir die Maske vom Gesicht ziehe. Wenn, dann beide!