Sonntagabend, gegen 20.30 Uhr in der Überlinger Altstadt: Matthias Wigger bringt sich langsam in Position. Seit eineinhalb Stunden trudeln Anhänger des wiedergewählten Oberbürgermeisters Jan Zeitler in Wiggers Wirtschaft, dem Weinstein, ein, wo die Wahlparty stattfinden soll. Und nun ist auch die Vorhut des OB eingetroffen: Zeitlers engstes Wahlkampf-Team. Es verkündet: „Sie sind gleich da.“ Wigger nickt und verschwindet nach draußen, wo er zwei Sprühvulkane positioniert hat. „Ich habe sie in der Annahme und Hoffnung gekauft, dass es ein gutes Ergebnis wird“, erklärt er. „Ich finde, so eine Wiederwahl darf man schon mit einem Feuerwerk begehen.“
Die Zeitlers treffen ein, Wigger zündet das Feuerwerk. Die Funken sprühen im Hintergrund durch die Glastür von draußen herein, als der wiedergewählte OB und seine Frau Annette Stoll-Zeitler das Weinstein betreten. Frenetischer Jubel ertönt. „Wenn‘s nicht so eng wäre, würden wir eine Lalola-Welle machen“, kommentiert ein Gast. Aber es ist eng, sehr eng und über den rund hundert Menschen, die sich im Lokal drängen, schweben rote Herzluftballons, die Weinstein-Wirtin Hedi Wigger zuvor noch mit Helium gefüllt hat.
Eine Amtskette aus Schokolade für den alten und neuen OB
Hedi Wigger findet, der frisch wiedergewählte OB brauche eine Amtskette. Eine für diesen besonderen Abend – denn die echte Amtskette liegt sicher im Rathaus. Deshalb hat sie ihm eine gebastelt, aus Schoko-Talern. Und in der Mitte prangt ein Bild, das sie aus einem Wahlprospekt ausgeschnitten hat. Sie legt dem gerührten Zeitler die Kette um, für die Gattin, „die ja wieder First Lady ist“, gibt‘s eine Flasche Annette-Droste-Hülshoff-Wein, mit Konterfei der Annette Stoll-Zeitler auf dem Flaschenhals. Ein doppelter Annetten-Wein sozusagen. Doch es gibt noch eine andere Annette an jenem Abend: Stoll-Zeitler ruft ihre Freundin Annette Stiehle aus Balingen herbei – und Anna Lisa Sinner, die beide eigens gekommen sind, um sie zu unterstützen. „Tolle Frauen“, kommentiert sie. „Überhaupt so ein tolles Team, so viele schöne Begegnungen, auch neue Freundschaften sind entstanden.“
Die ganze Familie feiert mit
Mit dabei ist natürlich auch die Familie: Elke Bittrich, Lebensgefährtin von Zeitlers Vater, und Annette Stoll-Zeitlers Familie, die extra aus Frankfurt angereist ist. Ihr Bruder Christoph war es, der als erster in der Aula von Salem-College jubelte und auf den Stuhl sprang, um mit über dem Kopf erhobenen Händen zu klatschen, als das Wahlergebnis verkündet wurde. Dieser Jubelschrei seines Schwagers machte für Zeitler deutlich: Ja, er ist wiedergewählt. „Es war ein Wechselbad der Gefühle“, sagt er im Weinstein, nachdem er seinem Team für dessen großartige Leistung gedankt hat.

„Ich wusste, dass es knapp wird, aber so knapp... mal Hahn vorne, mal ich... 111 Stimmen Unterschied. Aber bei Schelle und Ebersbach waren es 1969 nur 37 Stimmen Unterschied.“
Ein harter Wahlkampf und viel Respekt für den Gegner
Wichtig ist für Zeitler, auf dieser Wahlparty nochmals seinen Respekt für seinen Konkurrenten Martin Hahn auszudrücken: „Er hat genau so gekämpft, das war schon ein harter, herausfordernder Wahlkampf.“ Und so herausfordernd die Zeit gewesen sei, so viel nehme er daraus mit: „Ich habe so viele Gespräche geführt, so viele Begegnungen gehabt und auch vieles für die Zukunft gelernt. Dieses Feedback braucht man als Oberbürgermeister nach acht Jahren.“
Und wichtig ist ihm auch das: „Überlingen hat eine echte Wahl gehabt, jetzt dürfen wir alle wieder zueinander finden, hoffentlich auch gemeinsam.“ Damit spricht er subtil an, was auf der Wahlparty immer wieder deutlich zu hören ist: Dass die Gräben zwischen dem Hahn- und dem Zeitler-Lager teilweise tief sind. So fair die Kandidaten miteinander umgingen, bei den Anhängern ist mitunter Verbitterung herauszuhören. Doch das kann die Freude nicht trüben – zumal es noch weitere Überraschungen gibt. Anne Mandausch konnte in der Nacht vor der Wahl nicht schlafen und hat stattdessen einen Trinkspruch gedichtet. „Es gratuliert dir Überlingen, die schönste Stadt am See – wie wunderbar! Du bist wieder ihr OB.“
Konfetti-Bombe und 500 rote Herzen
Und exakt zwei Stunden nach Ankunft des Ehepaars Zeitler im Weinstein explodiert die Freude in Form eines blonden Blitzes: Lise Wilkendorf, Gattin von Stadtrat Michael Wilkendorf, stürmt herein. Strahlend positioniert sie sich vor Zeitler und zündet eine Konfetti-Bombe. 500 rote Herzen regnen auf den überraschten OB nieder. Dazu gibt‘s noch acht rote Rosen, für jedes Amtsjahr eine. Und: Linzerkuchen, Apfelkuchen und eine riesige Schwarzwälder-Kirschtorte.

Die hat Lise Wilkendorf in der Nacht und am Morgen gebacken, bevor sie in ihre Wirtschaft in Hohentengen musste, derentwegen sie auch zwei Stunden „zu spät“, zur Wahlparty kam. Aber als sie dann kam, da schnitten die Zeitlers gemeinsam die Schwarzwälder an, wie eine Hochzeitstorte. So ein OB-Amt ist ja auch wie eine Ehe. Irgendwie.