Überlingen Immer im August lädt Münsterkantorin Melanie Jäger-Waldau namhafte Orgelkünstler ins Nikolausmünster ein, um die beiden Orgeln des Gotteshauses auf höchst anspruchsvolle Weise akustisch in Szene zu setzen. Das Beiwort „international“ im Untertitel der vierteiligen Konzertreihe hatte sich auch in diesem Jahr bewährt, denn zu den Edlen im Imperium der Königin der Instrumente gehörten Linda Sitková aus Tschechien und der Ukrainer Taras Baginets. Beide importierten auch landesspezifische Kompositionen auf die Münstertastaturen.
Den Schlussakkord hatte am Freitagabend Willibald Guggenmos zu setzen, ein Bayer zwar, aber als langjähriger Domorganist an der Kathedrale in St. Gallen ebenfalls durchaus grenzüberschreitend renommiert. Vieles von der Faszination dieser Konzertreihe rührt daher, dass zwei Instrumente ganz unterschiedlicher Herkunft und Dimensionierung zur Verfügung stehen. Dieser spannende Dualismus bestimmte auch Guggenmos‘ Programm. Mit einem „Praeambulum“ lieferte Heinrich Scheidemann als Vertreter der Norddeutschen Orgelschule den Auftakt an der kleinen, kürzlich erst restaurierten barocken Marienorgel. Ihm folgte – auch historisch chronologisch – Johann Pachelbel mit einer seiner insgesamt 21 Suiten, deren Choralvariationen mit ihren teilweise überraschend modern klingenden Formulierungen schon auf J. S. Bach vorausweisen.
Guggenmos zog es danach hinauf zum Spieltisch der großen modernen Nikolausorgel und damit in die voluminöse Kathedralakustik der spätklassischen französischen Orgelromantik, hier vertreten durch Jean Langlais und Louis Vierne. Bestens in diesen Klangkontext passte der 1955 geborene Langlais-Schüler Naji Hakim. Sein 1986 komponiertes Werk „The Embrace of Fire“, für viele Zuhörer im gut besuchten Mittelschiff sicher eine beeindruckende Hörüberraschung, bot Guggenmos die hörbar willkommene Gelegenheit, die 53 Register der Orgel in reichem dynamischen Spektrum farbenreich und virtuos auszukosten.