Laute Musik, frühes Staubsaugen oder falsche Mülltrennung – die Liste für potenzielle Streitpunkte zwischen Nachbarn ist lang. Im Fall zweier Parteien in Überlingen waren spielende Kinder der Auslöser für einen Streit – und ein Familienvater, der die Geduld verloren hat.

Wegen vorsätzlicher Körperverletzung musste sich ein 36-jähriger Mann vor dem Amtsgericht in Überlingen verantwortlichen. Der Familienvater soll seinen 82-jährigen Nachbar im Frühjahr 2023 am Hals gepackt und getreten haben. Der Geschädigte erlitt dabei Blutergüsse an Armen, Beinen und Verletzungen im Gesicht.

Auffälliges Verhalten in der Nachbarschaft

Auf die Frage, ob sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußern möchte, antwortete er ohne Zweifel: „Natürlich, ja.“ Er wohne seit sieben Jahren in dem Haus in Überlingen, seine Frau schon länger. Es sei bekannt, dass sein 82-jähriger Nachbar mehrfach mit seinem Verhalten im Umfeld aufgefallen ist.

„Mir war das immer egal“, sagte der Familienvater und ergänzte: „Bis jetzt.“ Auslöser des Streits seien seine beiden Kinder zwischen sechs und zehn Jahren gewesen, die gerne hinter dem Haus spielen. „Da vergehen keine 15 bis 20 Minuten, bis von oben geschrien wird“, schilderte der Angeklagte.

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So soll es auch an Ostern vergangen Jahres passiert sein. Die Familie des 36-jährigen Angeklagten hatte Besuch von Verwandten, die Kinder haben draußen gespielt. „Nach einer Viertelstunde kamen sie heulend in die Wohnung gerannt, weil der Mann von oben wieder geschrien hat“, erzählte der Vater. Daraufhin habe er den 82-Jährigen vor dessen Wohnung konfrontiert.

„Ich bin ihm nahegekommen“

Weil der Senior sich aggressives und laut verhalten habe, sei der 36-Jährige „ihm nahegekommen“, gab er zu. Als er ihn am Kragen packte, habe der Rentner zu der Krücke seiner Frau gegriffen und dem 36-Jährigen mehrfach auf den Arm geschlagen. „Ich geb‘ meine Schuld zu, ich bin ihm nahegekommen“, gesteht der Angeklagte, betonte jedoch: „Aber Fäuste hat er von mir nicht bekommen.“

Am Tag nach dem Vorfall sei ihm der Geschädigte vor dem Haus entgegenkommen und gesagt: „Fang schon mal an zu sparen.“ Der Angeklagte fragte sich: „Wäre der Mann normal gelaufen, wenn ich ihn getreten hätte?“ Nach der Begegnung vor dem Haus sei der 36-Jährige zum Polizeirevier Überlingen gegangen und habe die Beamten gebeten, mit dem Senior zu reden.

Richter zweifelt an Schilderungen

Amtsrichter Alexander von Kennel hatte seine Zweifel an der Geschichte des Angeklagten. Die Schilderungen des Angeklagten und die Beweise würden nicht zusammenpassen, sagte er. Denn ein ärztliches Attest und Lichtbilder der Hämatome belegen die Verletzungen des 82-Jährigen. „Dass alte Leute und spielende Kinder nicht immer Freunde sind, kann ich mir vorstellen und weiß ich aus Erfahrung“, sagte Richter von Kennel. „Aber einen Menschen anzugreifen, das geht nicht.“

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Die Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen à 50 Euro, sprich einer Summe von 1250 Euro. Ein gewisses Verständnis für Konflikte in der Nachbarschaft und zwischen Generationen sei da, nichtsdestotrotz sei Gewalt niemals eine Lösung. Die Verteidigung plädierte auf eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 25 Euro, also insgesamt 500 Euro. „Wir wissen nicht, woher die blauen Flecken kommen“, stellte Rechtsanwalt Hendrick Beck in den Raum.

Umzug soll Frieden bringen

„Da waren viele Emotionen beteiligt“, merkte Alexander von Kennel an. „Einen älteren Herren so anzugreifen ist nichts, was passieren darf.“ In seinem Urteil folgte er dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verhängte eine Geldstrafe von 1250 Euro. Hinzu kommt eine Schadenswiedergutmachung von 700 Euro an den Geschädigten.

Das Geständnis des Angeklagten und auch sein Vorstrafenregister haben deutlich zur Minderung des Strafmaßes beigetragen, betonte von Kennel. Eine Gefahr von weiteren Streitigkeiten zwischen beiden Parteien bestehe künftig nicht mehr, denn in wenigen Wochen zieht die Familie des Angeklagten aus dem Wohnhaus und weg aus Überlingen. Dann hat auch die Nachbarschaft ein Ende.