Streuobstwiese lautet ein beliebtes Zauberwort der Naturschützer. Doch nicht erst der Einbruch der Preise für Fallobst, das die Mostereien in Osteuropa viel billiger bekommen als bisher hierzulande, bedroht die artenreichen Biotope.
Zunehmende Trockenheit und fehlende Pflege lassen das Kulturgut schon seit vielen Jahren darben. Hinzu kommt, dass es in der Region mittlerweile mit Intensivobstbau erzeugtes Bioobst gibt, das tonnenweise in der Saftproduktion landet.
Da haben Streuobstwiesen schlechte Karten – und die Menschen, die sich dafür den Rücken krumm machen. Grund genug für den Verein Hochstamm Deutschland e.V., für den 30. April den ersten internationalen „Tag der Streuobstwiesen“ auszurufen.
Der Zeitpunkt für ein Hoch auf den Streuobstanbau als „Immaterielles Kulturerbe“ könnte besser kaum sein. Wo es sie noch gibt, stehen derzeit große Apfel- und Birnbäume in voller Blüte und demonstrieren einmal mehr ihre landschaftsprägenden Qualitäten.

Darüber hinaus sind die Streuobstwiesen tatsächlich echte „Hot Spots der Biodiversität“, wie es Thomas Hepperle nennt. Der Überlinger Fachmann muss es wissen. Als langjähriger Leiter des Landwirtschaftsamts in Stockach, Obstsortenkenner und ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter im westlichen Bodenseekreis kennt er die vielfältigen Facetten der Problematik nur zu gut. Und vor allem das Leiden der Hochstämme.

„Die Bäume haben Hunger und Durst!“, formuliert es Hepperle ganz profan und sinnlich: „Wenn sie schreien könnten, würden wir unser eigenes Wort nicht mehr verstehen.“ Insbesondere litten die Hochstämme unter den schwindenden Niederschlägen, insbesondere im wichtigen Frühjahr. Der Fachmann erkennt dies schnell am schwachen Austrieb der Kronen.
Kapazität fehlt, um Obstbaumwiesen zu pflegen
Hinzu kommt schon seit einigen Jahrzehnten die fehlende Pflege der Bäume. Wo die Bauern früher ihre Erfahrung und Wissen einsetzten, fehle heute vielfach die Kompetenz. „Baumschnittkurse sind zwar ganz beliebt“, sagt Thomas Hepperle. Doch meistens gehe es den Teilnehmern um ihren eigenen Baum. Die Kapazität, um ganze Obstbaumwiesen richtig zu pflegen, fehle schlichtweg.

Auch der Bodenseekreis schrieb sich gerne die Ausgabe von jungen Hochstämmen als gute Tat auf die Fahnen. „Dem Umsatz der Baumschulen tut das auch gut“, erklärte der Überlinger Experte. Doch mit der Pflanzung sei es nicht getan. „Meistens kommt die dringend erforderliche Pflege zu kurz.“
Auch alteingesessenen Apfel- und Birnbäumen sieht es Hepperle schnell an, wenn sie über viele Jahre vernachlässigt worden sind. „Was bringen Baumpflanzungen, die später nicht gepflegt werden?“

Zu dieser Diagnose kommen noch zwei weitere Feinde von außen. Wachsende Wühlmauspopulationen, die mit den abgeknabberten Feinwurzeln oft die Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen beeinträchtigen. Und an dem, was die Krone noch erreicht, tut sich oft die Mistel gütlich und entzieht dem Baum die Lebenskraft.
Früher war der grüne Halbschmarotzer, der Kohlehydrate selbst über die Photosynthese produziert, noch nahezu eine Rarität. Heute lässt er selbst manche winterkahle Baumkrone noch grün erscheinen. Dabei hat die Mistel, deren klebrige weiße Beeren von den Vögeln verbreitet werden, erst in den vergangenen Jahren die Apfelbäume erobert. Birnbäume blieben bisher nahezu völlig verschont.

Alles in allem sehe die Zukunft der Streuobstwiesen gar nicht gut aus. Daran ändere auch das neue Biodiversitätsgesetz des Landes nichts. Zwar seien Flächen von mehr als 1500 Quadratmeter gegen eine Rodung weitgehend geschützt. Doch helfe dies überhaupt gegen mangelnde Pflege und Überalterung? Mit dieser ernüchternden Erkenntnis müsse sich auch die Politik auseinandersetzen. Daher wünscht sich Thomas Hepperle eine stärkere finanzielle Unterstützung, um am Markt überhaupt bestehen zu können.
Finanzielle Mittel wirksam und punktgenau einsetzen
Doch genauso wichtig sei es, diese Mittel wirksam einzusetzen. „Mit der Gießkanne können wird die Streuobstwiesen nicht retten“, sagt der Praktiker. Stattdessen gelte es, die Kräfte punktgenau auf gut gepflegte und zukunftsträchtige Flächen zu konzentrieren.
Als gute Beispiele, wie es gehen kann, nennt Thomas Hepperle unter anderem die Konstantinhalde über dem östlichen Nußdorf und die Hödinger Kulturlandschaft. Hier hat die Heinz-Sielmann-Stiftung für mehrere Jahrzehnte die Kosten der Pflege übernommen.