Manchmal funktioniert es einfach nicht mehr zwischen Mama und Papa. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Insbesondere, wenn Kinder involviert sind, machen sich viele Paare die Entscheidung nicht leicht. Und dann? Wer bekommt das Hauptsorgerecht, wer zahlt den Unterhalt und wie viel davon, wer muss ausziehen? Ein Trennungsprozess birgt viel Konfliktpotenzial.

Von Sachsen-Anhalt an den Bodensee

Manfred Ernst hilft Paaren und Eltern beim Beantworten dieser Fragen. Für den Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) bietet er kostenlose Informationsgespräche an. Er leitete mehr als 20 Jahre dessen Kontaktstelle in Magdeburg. Vor zwei Jahren zog er für seinen Ruhestand an den Bodensee. Hier übernahm er die „etwas verwaiste“ Lokalstelle des Interessenverbandes und leitet sie seitdem allein.

Was für den einstigen Polizisten eine Nebenbeschäftigung sein sollte, wurde mittlerweile zum Vollzeitjob. Die Nachfrage sei immens, sagt Ernst. Er bemühe sich, einen Nachfolger zu finden. Das Ehrenamt habe in diesem Bereich große Probleme, so der Berater. Er selbst ist kein studierter Jurist, sondern eignete sich das Wissen über die Jahre an. Auf die Frage, ob er von den oft emotionalen Angelegenheiten selbst betroffen ist, hat er eine klare Antwort: Nein. Er achte auf eine gewisse Distanz und sagt, er ruhe eher in sich selbst.

Sprechstunde im Rathaus

Zweimal im Monat bietet er im Rathaus Überlingen eine Art offene Sprechstunde für getrennte Paare an. Dort klärt er sie über ihre Rechte und Pflichten als separierte Eltern auf. Der finanzielle Aspekt des Unterhalts steht im Vordergrund. Zudem gibt es einmal pro Monat eine Präsenzveranstaltung bei der Lokalstelle Ravensburg. Dort werden dann Vorträge gehalten, mal von Vereinsmitgliedern, mal von Familienrechtsanwälten.

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Große Teile des Angebots von ISUV sind kostenlos und ohne Mitgliedschaft für die Betroffenen zugänglich. Wer sich einer umfassenden Beratung unterziehen will, sollte gegen einen geringen Jahresbeitrag Mitglied bei ISUV werden. Manfred Ernst betreue jedes Jahr an die 100 Paare beziehungsweise Partner aus Überlingen und Umgebung. Im Schnitt brauchten die Beteiligten drei Gespräche, um die Beratung abzuschließen.

Jeder Fall ist anders

Zwar gebe es viele Informationen im Internet, bestätigt Manfred Ernst, doch „jede Situation ist anders“. Laut ihm gebe es kaum ein Feld der Juristik, das so viele individuelle Fälle vorweist wie beim Familienrecht. Nach Jahrzehnten der Beratung begegneten ihm nach wie vor Präzedenzfälle. Zudem änderten sich die Bedingungen, beispielsweise für die Höhe des Unterhalts, fast jedes Jahr.

Berater oder Paartherapeut?

Manfred Ernst bietet die Informationsgespräche in Präsenz und online, wobei es ihm bei einem Paargespräch wichtig ist, das Gespräch auf „neutralem Boden“ abzuhalten. Bevor er sich mit beiden Beteiligten zusammensetzt, spricht er einzeln mit ihnen. „Oft höre ich zwei völlig verschiedene Geschichten“, sagt der Berater. Er ist dabei der Verschwiegenheit verpflichtet, jedoch muss er trotzdem oft als Mittelmann zwischen den beiden Ex-Partnern fungieren.

Manchmal fühle er sich doch eher wie ein Paartherapeut, schmunzelt Ernst. Ein sehr besonderes Erlebnis war für Ernst, als die Eheleute sich nach den Gesprächen nochmals bei ihm meldeten. „Sie haben mir dann gesagt, sie wollen es nochmal miteinander versuchen“, erzählt er. Doch das sei der Einzelfall. Es komme oft genug vor, berichtet Manfred Ernst, dass die Eltern sich trotz guter Intentionen im Laufe des Gesprächs anschreien und sich gegenseitig Vorwürfe machen.

Finanzen sorgen für Streit

„Bei Geld hört die Freundschaft auf. Viele lernen ihren Partner ganz neu kennen in diesen Gesprächen, nur leider oft von der schlechten Seite“, sagt Manfred Ernst. Seine Gesprächspartner stammten aus allen möglichen Bevölkerungsschichten, egal ob arm oder reich, Mutter oder Vater. Bei den öffentlichen Veranstaltungen nähmen jedoch deutlich mehr Frauen und Mütter teil: „Frauen informieren sich oft einfach mehr“, so die Erfahrung von Manfred Ernst. Sogar ein Anwalt suchte bereits das Informationsgespräch mit Ernst.

Wie berechnet sich der Unterhalt?

Der Familienberater erläutert, wie komplex die Berechnung des Unterhalts ist. Erst muss ermittelt werden, bei welchem Elternteil das Kind mehr Zeit verbringt. Die andere Person muss dann den Hauptunterhalt zahlen, manchmal auch noch einen Trennungsunterhalt. Für die Höhe des Unterhalts muss das Einkommen der Beteiligten genaustens ermittelt werden. Dazu gehören unter anderem Steuererstattungen, Kredittilgung oder Mieteinnahmen. Das Alter und die Anzahl der Kinder spielen ebenfalls eine Rolle. Für den Unterhalt gibt es die sogenannte Düsseldorfer Tabelle, in der die Beträge für die verschiedenen Altersgruppen festgelegt sind.

Wenn es nicht reicht, hilft der Staat

Die Unterhaltszahler haben einen Anspruch auf mindestens 1400 Euro Selbstbehalt. Wenn die Summe aufgrund eines zu geringen Einkommens nicht aufgeht, springt der Staat ein. Der Unterhaltsvorschuss vom Bund soll dafür sorgen, dass kein Kind unter den finanziellen Folgen der Trennung leiden muss. Doch das Familienministerium meldet steigende Zahlen. Vergangenes Jahr musste der Bund die Unterhaltszahler mit 3,2 Milliarden Euro Vorschuss unterstützen. Nur einen kleinen Teil des Geldes könne sich der Staat wieder zurückholen, so das Ministerium.

Weites Spektrum zwischen Ost und Süd

Manfred Ernst weiß, dass die Situation innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich ist. Laut Ernst benötigten in Baden-Württemberg 3,7 Prozent aller Kinder den Unterhaltsvorschuss vom Bund. In Sachsen-Anhalt, wo Manfred Ernst lange lebte, lag dieser Anteil hingegen bei weit über 20 Prozent. Der Unterschied zwischen den wohlhabenden Bundesländern im Süden und den neuen Bundesländern sei laut Manfred Ernst bemerkenswert.

Die Miete geht ins Geld

Der Familienrechtberater sieht für den Anstieg des Vorschusses einen Grund bei den hohen Mietkosten. Diese und die Lebenshaltungskosten würden einfach schneller steigen als die Reallöhne. Der Bodenseeraum ist zwar insgesamt finanzstark, doch ebenso sind es die Mieten. Die Beträge ließen sich laut Ernst häufig nicht mit dem Mindestselbstbehalt von 1400 Euro vereinbaren, weswegen der Staat unterstützen muss.