Eishockey: Sorgfältig bugsiert Domenic Liebing seine zwei Koffer mit Computer, Mikrofon und sonstigem Zubehör unter den Tisch zwischen den Strafbänken der Schwenninger Helios Arena.
Den Platz direkt am Eis kennt er wie seine Westentasche – seit 2013 ist er die Stimme der Heimspiele der Schwenninger Wild Wings.
Bei den Spielen sorgt der Stadionsprecher für gute Laune, heizt die Fans ein und klärt auch über taktische Unklarheiten auf. Und das ist nicht immer einfach.
„Im Eishockey geht es oft sehr schnell, und dann immer den Überblick zu behalten, ist wirklich kompliziert“, erzählt der 44-Jährige.
Ein wenig Hilfe soll ein Festnetztelefon bieten, das mit der Regie im Oberrang verbunden ist. „Bei den Heimspielen ist es hier so laut, dass ich einfach in den Hörer schreie und hoffe, dass oben was ankommt“, sagt Liebing lachend.
Viel Andrang beim öffentlichen Eistraining
An diesem Tag ist es ein wenig ruhiger in der Schwenninger Helios Arena. Zum öffentlichen Eistraining sind dennoch viele Zuschauer erschienen, und als der letzte Song aus der Playlist langsam ausklingt, geht es für Domenic Liebing so richtig los.
Die Spieler der DEL-Mannschaft werden nacheinander vorgestellt und unter tosendem Applaus der Wild-Wings-Anhänger empfangen.
Der sonst eher ruhig auftretende Liebing zeigt dann auch seine lautere Art: voller Emotionen liest er die Vornamen der Spieler, gefolgt von ohrenbetäubenden Rufen von den Tribünen.
Man spürt, wie sehr der Schwenninger Stadionsprecher diese Momente genießt – und wie erleichtert er ist, dass nach der Sommerpause nun endlich wieder Eishockey-Alltag ansteht.
Seine Liebe zum Hockeysport entdeckte der gebürtige Berliner früh. Über Umwege von Mönchengladbach lebt er mittlerweile im bayrischen Raum.
Zu den Heimspielen der Wild Wings pendelt er und nimmt dafür auch lange Anfahrtszeiten in Kauf. Denn das Sprechen im Stadion ist für Domenic Liebing mehr als nur ein Hobby.
Der Platz am Eis sein zweites Zuhause
Es ist seine Leidenschaft, der Platz am Eis sein Rückzugsort und die Helios Arena sein zweites Zuhause. Auch wenn man dem bärtigen Anheizer stets mit einem Lächeln begegnet, war nicht immer alles einfach im Leben des 44-Jährigen:
2019 erlitt Domenic Liebing einen Herzinfarkt, der ihn monatelang außer Gefecht setzte. „Als ich dann wieder in der Halle stehen durfte und die gesamte Arena applaudierte, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten. Das war ein großartiger Moment, für den ich immer dankbar sein werde“, erinnert er sich.
Mittlerweile ist er gesundheitlich wieder fit und blickt auf eine ereignisreiche Zeit bei den Schwenningern zurück.
Die Playoff-Spiele gegen Straubing gehören zu den Höhepunkten in Liebings Zeit bei den Wild Wings, aber auch an eine hohe Niederlage gegen München kurz nach der Rückkehr in die DEL denkt der Stadionsprecher gerne zurück.
„Fünf Minuten vor dem Ende gab es trotz des Ergebnisses Standing Ovations von den Fans. Das macht diesen Verein und auch den Sport so besonders. Es ist ein einzigartiges Miteinander, und ich bin jedes Mal stolz, Teil davon zu sein“, sagt Liebing.
Souverän leitet er auch an diesem Tag durch das Rahmenprogramm des öffentlichen Eistrainings. Bei der Frage, ob er sich auch mal einen Versprecher geleistet hat, lächelt Liebing verlegen.
Über einen bitteren Versprecher
Nach kurzem Innehalten erzählt er dann von einer folgenschweren Formulierung in einem Heimspiel gegen die Kölner Haie:
„Wir lagen kurz vor Schluss mit einem Treffer zurück. Nach einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung flogen von den Rängen der Wild-Wings-Fans Becher auf das Eis, und wir haben darauf hingewiesen, damit aufzuhören.
Nach einer kurzen Pause habe ich dann mit den Worten ‚Werft noch mal alles rein‘ versucht, die Stimmung wieder aufzulockern. Leider haben einige Fans meine Ansage wörtlich genommen, und es hagelte Becher auf die Eisfläche. Ich habe lange gebraucht, um zu realisieren, dass ich es war, der das fabriziert hat.“
In diesem Moment wäre Domenic Liebing am liebsten in einem großen Loch versunken. Mittlerweile kann er über diese Aktion lachen.
Seine freundliche und offene Art begleitet die Fans der Schwenninger Wild Wings nun schon seit über einem Jahrzehnt – und wird es hoffentlich auch noch lange tun.
Nach dem Penaltyschießen, dem letzten Programmpunkt des öffentlichen Eistrainings, bedankt er sich bei den Anhängern und weist auf die kommenden Testspiele zur Saisoneröffnung hin.
Sorgfältig verpackt er seine Utensilien in den Koffer und verabschiedet sich bis zum nächsten Heimspiel von dem Ort, der für Domenic Liebing mehr ist als nur ein Arbeitsplatz.