Es war schon eine kuriose Situation in der vergangenen Sitzung des Überlinger Gemeinderates. Da gibt es einen hoch gelobten städtebaulichen Entwurf des Tübinger Architekturbüros Hähnig & Gemmeke für das Gebiet „Südlich Härlen“, in dem neben dem Pflegezentrum, eine große Kindertagesstätte und zwei unterschiedlich strukturierte Wohnbauareale vorgesehen sind und in dem eine ökologische Entwässerung auf dem Plangebiet vorgesehen ist. Letzteres auch, um die Kosten für einen Regenwasserkanal zum See für geschätzte 1,3 Millionen Euro zu sparen.
Dritte Variante tauchte vor aktueller Ratssitzung auf
Dieser Entwurf wurde auf Bitten von Stadt und Spital durch das Tübinger Planungsbüro mit Datum 5. März überarbeitet, weil die Stadt die Wohnbebauung deutlich dichter geplant sehen wollte – um dadurch die Finanzierung des neuen Pflegeheims sicherzustellen. Die neue Version wurde im Bauausschuss am 26. April vorgestellt, beraten und mehrheitlich dem Gemeinderat zum Beschluss empfohlen. Vor der Gemeinderatssitzung tauchte nun eine weitere Variante auf, die einige Stadträte als Tischvorlage erwartet hatten. Doch die Verwaltung sah keine Veranlassung, mit dieser Alternative zurück in den Ausschuss zu gehen.
OB Jan Zeitler beruft sich auf die Gemeindeordnung
„Die Planer haben hier ohne Auftrag gehandelt“, betonte Baubürgermeister Matthias Längin in der Ratssitzung. Und die Verwaltung finde den Entwurf nicht besser, den er in seiner Präsentation kurz zur Kenntnis gab. „Den Antrag verstehe ich nicht“, hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler eingangs erklärt. „Wenn ich als Vorsitzender keine Tischvorlage kenne oder freigebe, dann gibt es auch keine Tischvorlage“, sagte Zeitler. Das möge vielleicht „etwas überheblich klingen“, doch so sei es in der Gemeindeordnung geregelt.
„Wenn ich als Vorsitzender keine Tischvorlage kenne oder freigebe, dann gibt es auch keine Tischvorlage.“Jan Zeitler, Oberbürgermeister
BÜB+ fordert „dringend, mit offenen Karten zu spielen“
„Wir kennen überarbeitete Pläne“, hielt Roland Biniossek (BÜB+) entgegen. Er bitte Zeitler daher „dringend, mit offenen Karten zu spielen“. Und dann wurde Biniossek in Richtung OB deutlich: „Ich hoffe nicht, dass Sie diese Pläne einfach verschwinden lassen. Das wäre ein unmöglicher Vorgang.“ Die Unterstellung, etwas verschleiern zu wollen, nannte Zeitler eine „Unverfrorenheit“.
„Ich hoffe nicht, dass Sie diese Pläne einfach verschwinden lassen.“Roland Biniossek, Gemeinderat der Fraktion BÜB+
Planer: „Bedenken gegen Verdichtungspotenzial gespürt“
Doch was war das Ansinnen des Architekturbüros? „Wir hatten zunächst im Auftrag der Stadt die Möglichkeiten einer Verdichtung überprüft, um mehr Wohnbauflächen zu schaffen“, erklärt Architekt Mathias Hähnig vom Tübinger Büro Hähnig & Gemmeke auf Nachfrage des SÜDKURIER. In dem Entwurf vom 5. März habe man aus Sicht der Planer das Maximum dargestellt, ohne die Grundsätze des städtebaulichen Entwurfs aufzugeben. Dieser Entwurf sei auch sehr gut vertretbar.
In der Diskussion am 26. April habe man allerdings „gespürt“, so der Planer, dass es teilweise Bedenken gegenüber dem Verdichtungspotenzial gebe. Daher habe sein Büro den Entwurf aus eigenem Antrieb ein weiteres Mal überarbeitet, um noch etwas „mehr Luft zu schaffen“, und diesen am 3. Mai der Stadt übermittelt. „Was die Verwaltung damit macht, war ihre Sache“, erklärt Hähnig: „Wir stehen auch zu unserem Entwurf vom 5. März.“
„Die wichtigsten Leitmotive werden nicht aufgegeben“
Sind die städtebaulichen Qualitäten mit der vorgeschlagenen Verdichtung denn nicht in Frage gestellt? „Nein“, sagt Mathias Hähnig. „Unsere wichtigen Leitmotive haben wir nicht aufgegeben“. Dazu gehöre unter anderem die strukturelle Vernetzung in Nord-Süd und in Ost-West-Richtung sowie eine Durchgrünung der Quartiere. Auch die Begehung der Grünflächen, die als Retentionsflächen für die Entwässerung dienen sollen, müssten erhalten bleiben, betonte er ausdrücklich.