Es hätte schlimmer kommen können. Als im April 2023 in der Altstadt der Dachstuhl eines Wohnhauses brannte, herrschte ringsherum die Sorge vor einem Übergreifen der Flammen. Die enge Bebauung an der Hofstatt und die historische Bausubstanz hätte zu einem Inferno führen können. Umso größer war die Erleichterung der Stadtgesellschaft darüber, dass niemand verletzt wurde und die Feuerwehr das Feuer zügig unter Kontrolle brachte.

Eine Frau geht über die Hofstatt in Überlingen, ein Jahr nach dem Brand, bei dem im April 2023 ein Haus zerstört wurde.
Eine Frau geht über die Hofstatt in Überlingen, ein Jahr nach dem Brand, bei dem im April 2023 ein Haus zerstört wurde. | Bild: Hilser, Stefan

Wie es mit der Brandruine nun weitergeht, ist allerdings noch offen. Die Akten liegen noch beim Landesamt für Denkmalschutz, teilte Baubürgermeister Thomas Kölschbach auf Anfrage im Gemeinderat mit. Die Denkmalbehörde am Regierungspräsidium hat darüber zu befinden, ob die historische Fassade des Gebäues erhalten bleiben muss. Bis zu einer Entscheidung kann es noch dauern, und derweil herrscht auf dem zentralen Platz der Stadt ein hässlicher Fleck mit Absperrgittern und ungenutzter Ruine.

Absperrung macht den Platz enger

„Die Absperrung hat einen negativen Einfluss auf die Lebendigkeit des Platzes und auf die Geschäfte“, kommentiert Andrej Michalsen. Er ist Anwohner, Arzt und Gemeinderat – und hat deshalb einen besonderen Blick auf die Situation. Er sagt: „Die beiden Immobilienbüros haben vermutlich wenig Laufkundschaft. Aber das Ladengeschäft Spectrum leidet ganz offensichtlich darunter.“ Auch auf dem Wochenmarkt geht es beengter zu. Michalsen: „Das ist ein wunder Punkt.“

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Das Feuer entfachte eine Welle der Hilfsbereitschaft. „Wenn man dem Brand etwas Positives abgewinnen will, dann, dass wir Anwohner seitdem freundschaftlicher miteinander umgehen.“ Gemeinsam solche Herausforderungen zu überstehen, habe etwas Verbindendes, empfindet Michalsen. „Das Ereignis hat dazu beigetragen, dass man sich wieder mehr nach den Sorgen der anderen erkundigt. Die Solidarität untereinander ist gewachsen.“

Feuerwehr bewahrte die Stadt vor Schlimmerem

Der Brand habe ein Nachdenken darüber ausgelöst, wie Katastrophen auf uns Menschen wirken. „Für mich hat der Brand wieder einmal deutlich gemacht, dass wir Menschen nicht alles im Griff haben können.“ Michalsen wird philosophisch: „Wir in unserer menschlichen Hybris, bisweilen recht obergescheit. Oder, um ein schönes Wort, es stammt wohl aus Vorarlberg, zu gebrauchen: überhochmetzt. Und das sage ich auch als Arzt: Wir können uns bemühen – es bleibt uns das Leben letztlich nur als eine stetige Fingerübung, in der wir Glück und Erfolg nicht herbei terminieren können.“ Doch sie hatten Glück – in Form der Feuerwehr. Sie habe die Nachbarschaft durch ihren Einsatz vor Schlimmerem bewahrt.

Bewohner wurde Klopfen an der Tür gewarnt

Einer der Hauptbetroffenen ist Thomas Rudloff. Er wohnte in dem Haus, in dem das Feuer ausgebrochen war, und das nach Lage der Dinge nicht mehr gerettet werden kann. Er hatte sich im Haus aufgehalten und das Feuer zunächst nicht bemerkt. Eine unbekannte Person verschaffte sich Zugang und alarmierte ihn mit lautem Klopfen an der Wohnungstüre. Es kam nie heraus, wer das war. „Nein, wer das war, weiß ich bis heute nicht“, sagt Rudloff ein Jahr später.

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Thomas Rudloff erinnert sich an die Zeit nach dem Brand: „Anfänglich bin ich mehrmals umgezogen, zunächst im Ein-/Zwei-Wochen-Rhythmus, dann konnte ich für zwei Monate irgendwo bleiben, bis ich endlich eine für mich annehmbare Wohnung bekommen habe. Von meiner neuen Wohnung aus kann ich wieder zu Fuß auch zur Arbeit gehen. Ich habe ja kein Auto. Hier lässt es sich leben, sodass ich nicht vorhabe, jemals wieder in das Haus an der Hofstatt zu ziehen.“

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Auf dem entstandenen Schaden sei er bis heute sitzen geblieben, sagte Rudloff: „Beim Brand sind an meinen Möbeln und technischen Geräten durch das Löschwasser ein paar Tausend Euro Schaden entstanden. Ich musste mein ganzes Zeugs da rausholen, unterstellen, umziehen – dadurch sind weitere Kosten entstanden. Eine Hausratsversicherung habe ich nicht.“ Er habe sich mehr Unterstützung von seinem Vermieter erhofft. Auf mehrfache Anfrage unserer Zeitung meldete sich der Eigentümer des Gebäudes bislang nicht zurück.

Der genaue Grund für das Feuer ist bislang öffentlich nicht bekannt. Im August 2023 berichtete die Polizei, dass gegen zwei Jugendliche wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung ermittelt werde. „Die Ermittlungen dauern noch an“, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Konstanz nun mit und stellte in Aussicht, dass in nächster Zeit Näheres bekanntgegeben werden könne.