Die Mitglieder haben in den zurückliegenden vier Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen immer mal wieder gewechselt, doch der Geist ist bis heute derselbe geblieben. „Die Zusammenarbeit und das wechselseitige Wohlwollen“ gehörten quasi zur DNA der im Moment zwölfköpfigen Künstlergruppe „eigenart“, sagt Katharina Lebede: „Niemand denkt nur an sich.“ Jede und jeder hat einmal in der Woche für einen halben Tag Ladendienst in den Räumen, die zum Gebäude Seepromenade 15 gehören. „Wenn jemand mal keine Zeit hat, dann springt eine andere ein.“
Auch was den Verkauf angehe, freue sich jeder für den anderen. „Ein Konkurrenzdenken gibt es hier nicht“, sagt die Goldschmiedin und Schmuckdesignerin, obwohl der Umsatz im Laden im Grunde für keinen zum Leben reiche. „Alle gehen noch auf Ausstellungen, die für ihre Produkte geeignet sind“, betont Lebede. Im Überlinger Laden profitiert allerdings jeder von der Vielfalt des Angebots, das viele Stammkunden immer wieder zu Entdeckungstouren einlädt.
Ein Kind der 80er-Jahre
Die Kunsthandwerker und Kunsthandwerkerinnen, die 1985 die Idee einer Ladengemeinschaft zum Verkauf ihrer Produkte umsetzten, hatten damals nicht geahnt, wie erfolgreich ihre Geschäftsidee sein würde. Am 3. August vor 40 Jahren eröffneten sie in der Jakob-Kessenringstraße 30 das Ladengeschäft „eigenart – Gemeinschaft freier Ateliers“. Angeboten wurden Keramik, Papeterie, Bio-Wein, Bio-Tee, Tiffanyglas, Holzspielzeug und Schmuck.
Damit legten sie den Grundstein für eines der erfolgreichsten, kooperativen Geschäftsmodelle in Überlingen. „Mit jeweils eigenen Werkstätten und Geschäftsideen entstand eine Gemeinschaft, die die vier Jahrzehnte bis heute nicht nur überlebte, sondern auch lebte“, freuen sich die Mitglieder heute. Mit der Idee eines in Eigenregie betriebenen Ladens war „eigenart“ auch ein Kind der 1980er-Jahre, in denen viele alternative Projekte ins Leben gerufen wurden.
Nach fünf Jahren musste die Ladengemeinschaft umziehen. Ein Dachstuhlbrand in der Kessenringstraße hatte den Wechsel in ein neues Quartier erforderlich gemacht. Im November 1991 konnten die Räume in der Schulstrasse 3 eröffnet werden. Der größere Laden bot nun Platz für Holzspielzeug, Keramik, Papeterie, Korbflechtware, Schmuck, Leder und Textiles.

Heute befindet sich das Domizil nur eine Haustür weiter in der Seepromenade 15. Zwölf gleichberechtigte Mitglieder machen reihum ihre Ladendienste und teilen alle anderen Pflichten, sodass genug Zeit für das Schaffen in den Ateliers bleibt.
Die Idee eines „analogen“ Ladens mit Produkten zum Anfassen halten die Betreibenden auch in Zeiten des boomenden Online-Handels nach wie vor für richtig. „Die in Handarbeit hergestellten Unikate brauchen den direkten Kontakt mit dem interessierten Publikum, was sich in einem Laden sehr gut umsetzen lässt“, betonen sie. Kreativität und Originalität verbunden mit Qualität finden ihre Kundschaft, die darin ein außergewöhnliches Kleinod erkennt. Für die Kunsthandwerke eine Bestätigung und Wertschätzung zugleich.
„Eigenartig frisch“ nach 40 Jahren
Daneben betreiben alle Ateliers der „eigenart“ allerdings auch eine eigene Website und sind auf Internet-Portalen und Social-Media-Kanälen mehr oder weniger intensiv präsent. Sie sind auf Kunsthandwerkermärkten anzutreffen und machen Ausstellungen nah und fern, geben ihr Wissen und Können in Werkstattkursen weiter oder arbeiten bei Bildungseinrichtungen im kreativen Bereich.

In seiner Einzigartigkeit handelt es sich nach eigenem Verständnis um „ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt, das alle Egokrisen überstanden hat, allen große Freude bereitet und auch nach 40 Jahren ‚eigenartig‘ frisch daher kommt.“