13.03 Uhr am Bahnhof Uhldingen-Mühlhofen. Eigentlich sollte jetzt die Regionalbahn Richtung Radolfzell einfahren. Die digitale Anzeige verkündet: „Heute circa fünf Minuten später.“ Unter den Wartenden am Gleis ist Valentin Dozelencic, er befindet sich auf dem Weg zur Arbeit nach Überlingen. Wie zufrieden ist er mit dem Bahnangebot in Uhldingen? „Überhaupt nicht“, sagt er. Dozelencic arbeitet meist bis spät in den Abend und nimmt dann die letzte Bahn von Überlingen nach Uhldingen-Mühlhofen zurück. Normalerweise fährt der Zug um 23.44 Uhr. Gestern fiel er aus. Das hieß für Valentin Dozelencic: Zwei Stunden Fußweg nach Hause, mitten in der Nacht.

Auch jetzt läuft nicht alles wie geplant, die Bahn ist immer noch nicht da: „Dass die Züge nicht pünktlich kommen, bin ich ja schon gewohnt, das seh‘ ich mittlerweile gelassen“, sagt er. Und das, obwohl er in Überlingen in den Bus umsteigen muss. Wenn er den verpasst, müsse er eine Stunde auf den nächsten warten. Deshalb wünscht sich Valentin Dozelencic mehr Pünktlichkeit – ansonsten zeigt er sich zufrieden. Er habe keinen Führerschein und komme mit Bus und Bahn von Uhldingen-Mühlhofen aus überall gut hin.
Verspätungen sind alltäglich
Um 13.11 Uhr fährt der Zug nach Radolfzell ein. Acht Minuten Verspätung. Ob Valentin Dozelencic seinen Bus in Überlingen schaffen wird, ist fraglich. Der wird in sieben Minuten abfahren, wahrscheinlich genau dann, wenn die Bahn in Überlingen ankommt. Dieses Problem kennt auch Markus Bauer. Er pendelt jeden Tag zur Berufsschule nach Ravensburg und verpasst häufig seinen Anschlussbus, weil die Züge Verspätung haben. Er wünscht sich eine bessere Kommunikation zwischen Busfahrern und Zugführern und hofft, dass sie bei Verspätungen häufiger aufeinander warten würden.

Am Oberuhldinger Marktplatz sieht es kurze Zeit später ähnlich aus: An der Haltestelle steht eine Handvoll Menschen und warten auf den Bus 7395 in Richtung Immenstaad, der um 13.29 Uhr eintreffen soll. Noch ist es nicht ganz soweit. Mit diesem Bus wollen Samantha Winter und ihr Sohn Samuel fahren. Sie ist zufrieden mit dem Busangebot in Uhldingen-Mühlhofen: „Es gibt gute Verbindungen und ich komme überall hin, wohin ich will.“ Auch mit dem Kinderwagen habe sie beim Busfahren keine Probleme. Einziger Wermutstropfen: Die Verspätung der Busse. „Da kann man immer fünf bis zehn Minuten einplanen. Aber da können die Busfahrer ja nichts dafür.“ Heute läuft es besser: Mit zwei Minuten Verspätung hält die 7395 am Marktplatz.

Regionalverkehr Alb-Bodensee äußert sich nicht
Im gegenüberliegenden Wartehäuschen sitzt Wencke Schator. Die Frührentnerin wartet jetzt seit 30 Minuten am Oberuhldinger Marktplatz. Ihr Bus, mit dem sie aus Heiligenberg kam, hatte vier Minuten Verspätung. So verpasste sie ihren Anschluss in Uhldingen knapp. Gerade die Unpünktlichkeit ist für sie ein Problem. Sie erlebe es häufig, dass sie irgendwo eine Stunde warten muss, weil sie den Anschluss nicht erreicht. Warum sind viele Busse in Uhldingen-Mühlhofen zu spät? Der SÜDKURIER wollte von dem Unternehmen Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) wissen: Wie häufig kommt es in der Gemeinde zu Verspätungen und woran liegt das? Das Verkehrsunternehmen reagierte trotz mehrfacher Nachfrage nicht und ließ auch offen, ob es denn nicht möglich sei, Busse und Bahnen besser aufeinander abzustimmen.
Student Max Niedermeier wartet mit seiner Freundin am Bahnhof auf den Zug um 14.06 Uhr. Er schlägt vor, Fahrkartenautomaten an jeder Bushaltestelle aufzustellen. Denn viele Busse hätten Verspätung, weil das Ticketlösen beim Busfahrer zu lange dauere. Max Niedermeier studiert in Heidelberg und komme einmal im Monat zu Besuch in seine Heimat. Wenn er in Uhldingen-Mühlhofen ist, nutzt er vor allem das Auto. „Ich nehme sonst immer den Bus, aber hier ist das einfach nicht möglich.“ Warum? Der Bus komme ihm zu selten, sagt er: „Einmal in der Stunde ist zu wenig. Wenn ich fahren will, fährt grade kein Bus.“ Er wünscht sich eine höhere Taktung. Ein zusätzliches Problem sei für ihn, dass der Bodensee-Erlebnisbus nicht im Winter führe. Sein Resümee: „Entlang des Sees ist das Angebot eigentlich ganz gut, aber ins Hinterland total schlecht.“

Auch das Zug-Angebot in Uhldingen überzeugt ihn nicht. „Die Bahn ist immer zu spät.“ Er wünscht sich, dass die Strecke überall zweispurig ausgebaut wird, damit alles reibungsloser funktioniert. „Alle reden immer von den Verkehrsproblemen auf der B 31. Dann muss man halt die Bahn ausbauen und ihn so für die Menschen attraktiver machen, dann würde sich die Lage da vielleicht entspannen“, sagt er. Er könne jeden verstehen, der sich davor drücke, die Bahn zu nehmen. „Ich bin mal für ein Praktikum nach Friedrichshafen gependelt, daher weiß ich: Es macht keinen Spaß. Es dauert ewig und man kann sich nicht drauf verlassen.“ Heute aber fährt der Zug nach Radolfzell pünktlich ein.

In denselben Zug steigt auch Irina Bergmann ein. Sie arbeitet in der Gastronomie und ist deshalb häufig am Abend unterwegs. „Ab 20 Uhr ist es schwierig mit den Bussen, die fahren dann gar nicht oder nur total unregelmäßig.“ Sie wünscht sich, dass Busse häufiger in den Abendstunden zwischen Überlingen und Friedrichshafen verkehren. Irina Bergmann hat noch einen weiteren Kritikpunkt: Die Preise. Sie bezahlt für ihr Ein-Zonen-Ticket monatlich 60 Euro, das findet sie zu viel. Peter Hartmann sieht das ähnlich. Der Uhldinger ist früher häufig Bus gefahren, nun aber führe er kaum noch. Das Busfahren ist ihm zu teuer. Deshalb nehme er häufig das Auto. Seine Mutter, Klara Hartmann, die ihn begleitet, sagt: „Wenn wir von Uhldingen zu dritt nach Überlingen wollen, ist es günstiger, mit dem Auto zu fahren.“
Radfahrer wünschen sich sichere Wege
Eine Passantin, die gerade einkauft und mit ihrem Fahrrad unterwegs ist, empfiehlt, von Uhldingen aus das Rad zu nehmen. „Es gibt Fahrradwege nach Überlingen, nach Salem, Frickingen, Markdorf. Überall gibt es hier Radwege.“ Sogar nach Friedrichshafen fahre sie mit dem Rad. Das sieht die Uhldingerin Waltraud Keßler ähnlich. Alle täglich anfallenden Aufgaben erledige sie in Uhldingen-Mühlhofen mit dem Rad. Seit einem Jahr habe sie ein Elektrorad, seitdem stehe ihr Auto nur noch in der Garage. In einem Jahr habe sie radelnd über 3000 Kilometer zurückgelegt. Trotzdem sieht sie auch Probleme: „Gefährlich ist es immer. Gerade in Kreisverkehren.“ Dort werde man als Radfahrer leicht von abbiegenden Autos übersehen. Dem pflichtet die Passantin Irmgard Horn bei. Sie finde es nicht gut gelöst, dass die Radwege vor Kreisverkehren einfach aufhören. Auch auf der Bahnhofsstraße, wo sich Radfahrer und Fußgänger einen Weg teilen, werde es ab und an etwas eng.

Die Radfahrerin Sandra Meel bemängelt, dass Fahrradfahrer über die Straße fahren müssen, um vom Mühlhofener Kreisel zum Fahrradweg Richtung Oberuhldingen zu kommen. Verbesserungsbedarf sieht sie auch, wenn man mit dem Rad in Richtung Seefelden auf die Bundesstraße zufahre. Dort müsse man als Radfahrer hinter dem Kreisel auf der Straße fahren. „Das ist nicht schön, da fahren die Autos schon ziemlich schnell.“

Fußgänger sind zufrieden
Nichts zu kritisieren haben dagegen die Uhldinger Fußgänger. Sie sind zufrieden mit den Fußgängerwegen. Das Überqueren von Zebrastreifen funktioniere einwandfrei und die Wege seien in den Abendstunden ausreichend beleuchtet.
Zur Serie
Mehr als 1200 Menschen aus Überlingen und Umgebung haben an der jüngsten SÜDKURIER-Leserumfrage teilgenommen. Ein Ergebnis: Unsere Leser wünschen sich, den schwächeren Verkehrsteilnehmern mehr Beachtung zu schenken und Verkehrsplanung nicht immer nur vom Auto her zu denken. Im Rahmen unserer Serie „Pendlergeschichten“ treffen wir auf Menschen, die den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen, Fahrrad fahren oder Fußgänger sind. Jeder einzelne spricht aus seiner persönlichen Perspektive über seinen Weg durch die Region. Anwohner, Händler und Pendler haben hier das Wort – und auch der passionierte Autofahrer. (san)
Das sagt Bürgermeister Lamm
Wie bewerten Sie das aktuelle ÖPNV-Angebot?
Das bisher schon gute ÖPNV-Angebot in unserer Gemeinde wird nochmals eine deutliche Angebotsverbesserung erfahren. Da aber noch formale Punkte abzuklären sind, bitte ich Sie um Verständnis, dass ich hier noch keine Details öffentlich nennen kann. Ich freue mich aber sehr, dass ein großer Teil meiner Forderungen erfüllt werden und wir in Kürze dem Gemeinderat und der Bürgerschaft diese sehr erfreulichen Verbesserungen im ÖPNV vorstellen können.
Was tragen Sie zur Verbesserung bei?
Wie Sie ja wissen, hat der Kreistag des Bodenseekreises einen Prüfauftrag an die Kreisverwaltung gegeben mit der Bitte darzulegen, welche Verbesserungen im ÖPNV möglich sind, wenn zusätzlich 1 Million Euro zur Verfügung gestellt werden. Hier tut sich was und als Mitglied des Kreistages des Bodenseekreises und Mitglied im Nahverkehrsausschuss setze ich mich vehement für Verbesserungen im ÖPNV ein. Und auch wir als Gemeinde werden zusätzliche Gelder bereitstellen, um weitere Verbesserungen für die Bürgerschaft gerade auch über die Wintermonate zu erreichen.
Wie schätzen Sie angesichts der Klimadebatte den mittelfristigen Bedarf ein?
Nur mit einem großen Wurf beim Ausbau des ÖPNV können wir den Klimaschutz voranbringen. Die Nutzung von Bussen für einen Euro am Tag muss Zielsetzung sein und zeitnah eingeführt werden, sobald die dazu notwendige Infrastruktur stimmt. Leider sind E-Busse im Moment noch etwa doppelt so teuer und daher wirtschaftlich nur schwer zu begründen, aber ich weiß zum Beispiel von der RAB, dass Bus-Neuanschaffungen als Hybrid-Fahrzeuge erfolgen.