Der Welteerbesaal in Unteruhldingen war am Montagabend Kulisse für die SÜDKURIER-Podiumsdiskussion mit den fünf Bürgermeisterkandidaten. Aufgrund der Coronavirus-Infektionsraten war die öffentliche Großveranstaltung in der Lichtenberghalle abgesagt und ein Alternativprogramm für das Internet organisiert worden – innerhalb weniger Tage. Stefan Hilser, Leiter der SÜDKURIER-Lokalredaktion, moderierte die Live-Übertragung.
Zuschauer vor Ort waren Bürgermeister Edgar Lamm, der Meersburger Bürgermeister Robert Scherer, einige Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung sowie die Begleitpersonen der Kandidatinnen und Kandidaten. Die Bürger konnten die Podiumsdiskussion mit Dominik Männle, Nadine Bohn, Jean-Christophe Thieke, Roland Martin und Jasmina Brancazio über SÜDKURIER Online verfolgen. Zuvor hatten sie die Gelegenheit gehabt, per E-Mail Fragen an die Bewerber einzusenden.

„Sie sind unser Studiopublikum, wie bei einer richtigen Talkshow. Sie dürfen applaudieren, Sie dürfen lachen. Damit das Publikum, das von draußen zugeschaltet wird, etwas von der Atmosphäre mitbekommt“, sagte der Redaktionsleiter, ehe er die Kandidatinnen und Kandidaten in der Reihenfolge ihrer Bewerbungen auf die Bühne bat – und so wurde auch im nicht öffentlichen Rahmen applaudiert und gelacht.
Sendezeit war von 19 bis 20.30 Uhr. Zwei Kameras und reichlich Tontechnik sorgten dafür, dass die Bürger, die von außen zuschauten, ebenfalls sahen und hörten, wer da in den nächsten acht Jahren die Geschicke der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen lenken möchte.
Wie entwickelt sich der Tourismus?
An eine Vorstellungsrunde und Einzelgespräche schloss sich die Diskussionsrunde an, in der verschiedenste Themen der Teilorte angesprochen wurden. So wollte Gunter Schöbel, Direktor des Pfahlbaumuseums, wissen, wie sich die Kandidaten die Entwicklung des Tourismus in den nächsten zehn Jahren vorstellen.
Jasmina Brancazio sagte, dass gerade kleinere Gemeinden immer weiter ab vom Schuss seien. Ihren Angaben nach müssten mit der Tourist-Information und den Gastgebern Konzepte entwickelt werden, damit die Touristen „nicht nur herkommen und das Pfahlbaumuseum besuchen, sondern auch mal über Nacht bleiben“. Dabei würde Brancazio unter anderem darauf setzen, eine „gute Öffentlichkeitsarbeit“ zu betreiben. Es reiche nicht nur, die Uferpromenade schön zu gestalten.
Dominik Männle erklärte, dass die Tourismusbetriebe, die Tourist-Information und die Gemeinde „wieder an einem Strang ziehen“ müssten. Sein Ziel wäre, dass Uhldingen-Mühlhofen in Sachen Tourismus „wieder als ein Ort“ auftritt. „Die Tourismusbranche ist zwar gut am See, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht ins Hintertreffen geraten“, sagte Männle, der sich für die Zukunft neue Angebote im Schlechtwetter-Bereich oder auch mal Tauchlehrgänge vorstellen kann.
Die Kandidaten im Einzelgespräch
Dem Gemeinderat, der die Sitzung aufgrund eines Verfahrensfehlers wiederholen muss, lagen jüngst die Pläne für die Erweiterung des Pfahlbaumuseums vor. Jean-Christophe Thieke, der seit 2009 im Gremium sitzt, enthielt sich der Abstimmung. Darauf sprach Moderator Stefan Hilser ihn an. Thieke antwortete, dass er immer mal wieder Informationen eingefordert habe, die er bis dahin nicht hatte. Deshalb habe er nicht mit Ja, aber auch nicht mit Nein gestimmt.
„Wir brauchen hier eine Weiterentwicklung, keine Frage“, sagte Thieke. Allerdings reicht ihm zum Beispiel die Begründung hinsichtlich der Gebäudehöhen nicht aus. Eine Verbesserung wünscht sich Thieke in der Kommunikation mit den Gastgebern. Derzeit gibt es zwischen den Anbietern und der Verwaltung Konflikte bezüglich der elektronischen Meldepflicht.
Zu viele Ferien- und Zweitwohnungen
Nadine Bohn, seit 2019 im Gemeinderat, hatte gegen die Erweiterungspläne des Pfahlbaumuseums gestimmt. Sie sagte, dass die Gastgeber in der Umgebung noch Chancen auf Buchungen in ihren Häusern haben müssten. Genau dies sieht mancher aufgrund der Größe der beiden Erweiterungsbauten nicht gegeben.
Roland Martin will das Weltkulturerbe Pfahlbauten stärken und wendete sich in Bezug auf den Tourismus einem weiteren Aspekt zu: Er forderte eine „ganz klare Obergrenze für Ferienwohnungen“. Unteruhldingen sei im Sommer so überfüllt, dass alle ins Hinterland flüchteten. Im Winter verhungere man dagegen auf der Straße, wenn man niemand kenne. Er will den „Besuch entzerren“, so Martin.
Jasmina Brancazio warf ein, dass es nicht unbedingt die Ferienwohnungen seien: „Es sind die Zweitwohnungen.“ Die Gemeinde lasse die Leute nicht ausreichend dafür bezahlen, „dass sie hier eine Zweitwohnung haben“. Sie würde die Zweitwohnungssteuer eigenen Aussagen nach „bis aufs Maximum hochdrehen“. Neue Ferienwohnungen würde sie danach beurteilen, ob sie einem gewerblichen Ziel dienen oder sich ein Mensch, der hier lebt, mit der Vermietung ein zweites Standbein sichert.
Dominik Männle entgegnete, dass sich diejenigen, die eine Zweitwohnung hätten, in der Masse nicht von der Zweitwohnungssteuer abschrecken ließen. Er fragte sich, ob man mit einer solchen Maßnahme, wirklich „in diesem Maße Wohnraum für Bürger rausbekommt“. Stattdessen möchte er die Bodenseegemeinde mit bezahlbarem Wohnraum ausstatten, „nicht nur Einfamilienhäuser bauen, sondern auch in anderen Wohnformen denken“.
„Mühlhofer Loch würde einen Abend füllen“
Unter anderem Familie Deufel und Herbert März hatten zur Mühlhofer Ortsmitte und zur Infrastruktur Fragen eingeschickt. „Das Mühlhofer Loch würde alleine einen Abend füllen“, sagte Redaktionsleiter Hilser. „Gerade Mühlhofen ist ein Ortsteil, der sehr stark wächst“, erklärte Jean-Christophe Thieke. Wichtig ist für ihn, dass die Infrastruktur mit wachse. Dies beinhaltet, so Thieke, den Kindergartenneubau, die Weiterentwicklung der Grundschule und einen Einkaufsladen.
Ebenfalls für Unteruhldingen wünscht er sich Konzepte, die die Versorgung ganzjährig sichern, oder einen Bürgerbus, der die Menschen zu den Einkaufsmöglichkeiten in Oberuhldingen bringt. Die Kinder von Nadine Bohn sind alle in Mühlhofen zur Grundschule gegangen. Sie, ehemals Elternbeiratsvorsitzende, berichtete, dass die Betreuungszeiten erweitert werden sollen. Ein Mittagessen wäre eventuell im Altenwohnheim Schauinsland möglich.
Vergleiche gab es zu Daisendorf, wo erstmals ein Wochenmarkt stattfand. „Warum können wir denn in Mühlhofen nicht so einen Markt haben? Ich glaube schon, dass man da sagen muss, wir versuchen es“, sagte Jasmina Brancazio. Sie schlug vor, samstags jemanden an den Kirchplatz zu stellen. Dominik Männle würde die Ortsmitte neu denken. Er fände einen Platz der Begegnung gut – und nicht nur Wohnungen.
„Etwas für die Mühlhofer. Ein Café, eine Apotheke„, sagte Männle. Ein Sparkassenautomat sei am Kirchplatz geplant. Das habe er im Gemeinderat gehört. Männle schlug vor, für einen Verkauf einen Landwirt einzubinden, der einige Tage in der Woche seine Waren anbiete. Roland Martin befand, dass es nicht an ihm liege, zu beurteilen, ob es ein Fehler war, das Grundstück an den Berliner Investor zu verkaufen, der Insolvenz anmelden musste.
Wird zu oft nicht öffentlich diskutiert?
Bürgerin Annerose Häußermann bemängelte, dass Grundsatzbeschlüsse zu oft hinter verschlossenen Türen diskutiert würden. Nadine Bohn erklärte dazu, weniger nicht öffentliche Ratssitzungen abhalten zu wollen und Projekte im Amtsblatt vorzustellen. Dominik Männle betonte, es sei genau definiert, was öffentlich und was nicht öffentlich besprochen werden müsse. Bei ihm würde keine Sitzung nicht öffentlich stattfinden, „die öffentlich sein muss“.

Ein Projektportal schlug Jean-Christophe Thieke vor: Dort könnten sich Bürger über den aktuellen Stand von Maßnahmen informieren. Roland Martin kann die Kritik „absolut nachvollziehen“. Er brachte die Idee ins Spiel, öffentliche Sitzungen ins Internet zu übertragen.
Viel früher setzte Jasmina Brancazio ein. Sie will vor Beschlüssen Bürgerforen etablieren. Protokolle, das Amtsblatt und Übertragungen würde sie nur nutzen, „um Entscheidungsprozesse darzustellen“. Gewählt wird am 22. März. Stefan Hilser lud die Bürger ein, zu der Diskussion zurückzukehren, um nach der Wahl zu überprüfen, ob Versprechen eingelöst werden.