Mit der Gemeindereform werden Rippolingen und Wallbach am 1. April 1972 nach Säckingen eingemeindet. Die Devise des damaligen Harpolinger Bürgermeisters Gotthold Bäumle: „Harpolingen hat keinen Verwaltungsnotstand und es liegt in der Natur des Menschen, nach Freiheit und Selbstständigkeit zu streben.“ Entsprechend kämpft Harpolingen 1972 mit viel Herzblut für den Erhalt der Eigenständigkeit. Die Angst vor einer ungewissen Zukunft und die Frage, ob die Stadt Säckingen ihre Versprechen hält, sind ständige Wegbegleiter. Letztlich wird Harpolingen 1973 ein Stadtteil von Säckingen.

Der damalige Harpolinger Ratschreiber Adelbert Baumgartner hat die Stationen festgehalten. Er dokumentiert, wie die Gemeinde auf eigenen Füßen steht, viel bewirkt sowie Bürgernähe praktiziert. Er beschreibt, wie in Bürgerversammlungen mit der Bevölkerung und dem Säckinger Gemeinderat das Für und Wider der Eingliederung diskutiert wird. Die Einwohner spielen eine wichtige Rolle. Zwölf Gemeinderatssitzungen sowie Bürgerversammlungen und Aussprachen mit dem Säckinger Gemeinderat finden statt.

Letztlich erkennt die Bevölkerung die Zeichen der Zeit. Sie hält nicht mit Sturheit an der Selbstständigkeit fest. Damit vermeidet sie die Zwangseingemeindung. Das Jahr 1972 ist für den Ort kein erfolgreiches. Das Bemühen, den Kreis Säckingen zu erhalten, bleibt ebenso erfolglos wie der Einsatz, als selbstständige Gemeinde weiterhin zu bestehen. Gibt es bei der Bürgerversammlung im Januar 1972 noch eine Ablehnung für einen Zusammenschluss mit Säckingen, sieht die Situation bei der geheimen Anhörung der Stimmberechtigten des Dorfes am 27. Februar 1972 anders aus. 84 Personen stimmen für eine freiwillige Eingliederung. Dagegen sprechen sich noch 115 Personen aus.

Am 27. November ändert sich die Stimmung. Die Harpolinger stehen einem Zusammenschluss mit Säckingen offen gegenüber. Der Grund: Harpolingen strebt im März 1972 eine Verwaltungsgemeinschaft mit Säckingen an. Diesen Antrag lehnt das Innenministerium am 2. November 1972 endgültig ab und es droht eine zwangsweise Eingemeindung. Parallel zu diesen Bemühungen des Harpolinger Gemeinderates und des Bürgermeisters, eine selbstständige Gemeinde zu bleiben, handelt er mit der Stadt einen Eingliederungsvertrag aus. Dabei zeigt er sich als fairer, kluger Verhandlungspartner.
Am 29. November ist es soweit. In einer Gemeinderatssitzung im Schloss unterzeichnen der Säckingen Bürgermeister Günther Nufer und sein Amtskollege Gotthold Bäumle die Verträge zur Eingemeindung. Unbehagen bereitet Bäumle der Gummiparagraf. Er besagt: Alle Vereinbarungen unterliegen den finanziellen Möglichkeiten der Stadt und die Vertragsinhalte sind für den Gemeinderat nicht bindend. Als jüngstes Beispiel gilt die Aufhebung der unechten Teilortswahl. Der Gemeinderat hebt damit den im Eingliederungsvertrag für Harpolingen garantierten Sitz im Gremium auf.
Der Vertrag enthält einen Finanzierungsplan für zehn Jahre mit Investitionen von 1,8 Millionen Mark für Harpolingen. Daneben wird mit der Einführung der Ortsverfassung, mit dem Erhalt der örtlichen Verwaltungsstelle und einem garantierten Sitz im Gemeinderat eine gewisse Eigenverantwortlichkeit für Hrapolingen garantiert. Aber es gibt Veränderungen. Die Gemeinderäte werden in Ortschaftsräte umbenannt. Sechs Personen, einschließlich Ortsvorsteher, umfasst das Gremium. Der Ortsvorsteher wird vom Ortschaftsrat vorgeschlagen und vom Gemeinderat bestimmt. Die Stadt verpflichtet sich, die Bediensteten der Gemeinde sowie die Teilbeschäftigten in den Dienst der Stadt zu übernehmen.
Im Zusatzvertrag werden die von der Stadt Säckingen durchzuführenden Maßnahmen aufgelistet. Der Neubau einer Grundschule und eines Kindergartens mit vorschulischer Erziehung für Rippolingen und Harpolingen zwischen beiden Orten steht oben auf der Liste. Weitere Maßnahmen sind der Gemeindesaalanbau, die Teerung und Verbreiterung der Ortsstraße und der Verbindungsstraße nach Rippolingen („Schwelle“) sowie der Einbau eines Gehwegs. Weitere Projekte sind die Renovierung des Hochbehälters sowie Planung und Neubau der Kanalisation. Ferner erklärt sich die Stadt einverstanden, dass der Murger Förster den Harpolinger Wald betreut. Die Stadt verpflichtet sich zur Erschließung neuer Baugebiete. Die Dorfbevölkerung kann viele Angelegenheiten vor Ort auf dem Rathaus erledigen.
Unsere Serie
In der großen SÜDKURIER-Sommerserie „Gedächtnis der Region“ blicken wir in unseren Lokalteilen zurück in die 70er Jahre und zeigen Ihnen anhand von Bildern und Geschichten, wie sich das Leben in unserer Region verändert hat. Alle Folgen der Serie finden Sie hier.
Ihre Bilder
Wir suchen Ihre Bilder und Geschichten aus den 70er-Jahren. Wie sah das Leben in den Dörfern und Städten damals aus? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungsschätze und Fotos und wir begeben uns für Sie auf Spurensuche. SÜDKURIER Lokalredaktion Bad Säckingen, Hauensteinstraße 60, 07761/56 04 51 42, E-Mail: saeckingen.redaktion@suedkurier.de
Die Gemeinde- und Kreisreform
Zu Beginn der 1970er Jahre setzt die Landesregierung Baden-Württemberg eine Gebiets- und Verwaltungsreform um. Sie ist eine Neuordnung der Verwaltungsbezirke, der Gemeinden und Landkreise. Ziel der Neustrukturierung sind leistungsfähigere Einheiten. Als erste Maßnahme reduziert das Kreisreformgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 1973 die Zahl der Landkreise von 63 auf 35. Säckingen verliert seine Zentralität als Kreisstadt und wird dem Landkreis Waldshut zugeordnet. Parallel dazu verläuft die umstrittene Gemeindereform, die auch Zwangseingemeindungen vorsieht.
Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern, wie Harpolingen, verschwinden als selbstständige Verwaltungseinheiten. Bestehen 1968 noch 3379 selbstständige Gemeinden, sind es heute noch 1108. Umstritten ist die Reform in der Bevölkerung, weil die teilweise neu entstandenen Flächengemeinden aus mehreren verstreut gelegenen und oft recht heterogenen Gemeindeteilen bestehen. Entstanden sind zahlreiche neue Gemeinden, oft auch als Bindestrich-Konstrukte.