Wenn es nach Bürgermeister Alexander Guhl und Campus-Geschäftsführer Jörg Blattmann geht, soll der Umbau im Bad Säckinger Gesundheitscampus Ende November weitergehen.
Seit Ende August ruhen bekanntlich im früheren Spitalgebäude die Arbeiten, nachdem die Baukosten explodiert sind und von heute auf morgen eine Finanzierungslücke von knapp neun Millionen Euro offenkundig wurde. Viele Gespräche wurden seither geführt, mit Planern, dem Planungssteuerer und den beauftragten Baufirmen. Etwa drei Millionen konnten bereits eingespart werden, wie Guhl im Pressegespräch am Montagabend berichtete.
Mehr fachliche Kompetenz beim Bauherr
Die Rettung des Gesundheitscampus soll nun mit der Rheinfelder Firma Hery Consulting gelingen. Als „Berater des Bauherrn“ soll Hery-Geschäftsführer Holger Amann und sein Team nach weiteren möglichen Einsparpotentialen suchen und diese bei den Planern und Baufirmen durchsetzen. „Kritisch und auf Augenhöhe“, so Campus Geschäftsführer Blattmann, werde Amann die Gespräche führen und die technische und baufachliche Kompetenz der Gesundheitscampus GmbH verstärken – etwas, was der städtischen Gesellschaft bislang völlig fehlte. „Die Campus GmbH besteht personell ja nur aus dem Geschäftsführer und einer Projektassistenz“, so Blattmann. „Und ich bin kein Baufachmann.“
Planer und Planungssteuerer bleiben an Bord
Trotz aller öffentlicher Kritik, die in den vergangenen Wochen an den Planern und dem Planungssteuerer geäußert wurde: Sie sollen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, ebenso wenig ist daran gedacht, Aufträge neu auszuschreiben, wie Bürgermeister Guhl erklärte.
Zum einen drohten nämlich bei Neuausschreibungen langwierige Rechtsstreitigkeiten, zum zweiten liege bei den bisherigen Auftragsnehmern das gesamte Know-How in Form der detaillierten Pläne.
Mit allen Auftragnehmern laufen bereits Gespräche oder sollen noch geführt werden. Bislang seien alle bereit, an dem Bad Säckinger Projekt weiter zu arbeiten, so Blattmann: „In die Hände spielt uns die nachlassende Baukonjunktur“. Die Auftragsbücher seien nicht mehr so voll wie vor einem halben Jahr.
35 Millionen Euro – das ist die rote Linie, die nach aktuellem Finanzierungsplan nicht überschritten werden darf.
Mitte August bezifferten die Planer die Baukosten auf knapp 44 Millionen Euro. Mit „neuen Ideen und alternativen Lösungsmöglichkeiten“ sollen die Kosten nun wieder reduziert werden, hofft Blattmann.
Das Team um Holger Amann habe sich schon mehrmals die Baustelle angesehen und sieht durchaus Chancen, das Ziel zu erreichen. Vor allem im Bereich des Innenausbaus der Obergeschosse, wo das St. Marienhaus einziehen soll, habe es enorme Kostensteigerungen gegeben – hier sieht Guhl auch das größte Potenzial für Einsparungen. Als Beispiel sieht er die Bäder in den Patientenzimmern im Nord- und Ost-Flügel, die nach bisheriger Planung komplett erneuert werden sollten, obwohl sie vor noch gar nicht allzu langer Zeit saniert worden waren.
Hohes Risiko beim Vergaberecht
Für den Rettungsplan gibt es ein großes rechtliches Risiko: Wurden bislang alle Aufträge rechtskonform europaweit ausgeschrieben, geht die Stadt nun einen anderen Weg: Der Auftrag für die Bauherrenvertretung wurde freihändig vergeben, nachdem Gespräche und Verhandlungen mit mehreren Fachfirmen geführt worden waren. Dies sei eigentlich rechtswidrig, räumte Guhl ein. Der Rechtsfehler könne aber geheilt werden, wenn die Auftragsvergabe in einem europäischen Vergabe-Mitteilungsblatt veröffentlicht werde und innerhalb einer Frist von vier Wochen keine qualifizierten Mitbewerber Einspruch erheben.
Sollte es jedoch zu genau diesem Fall kommen, würde dies nach Aussagen von Bürgermeister Guhl mit hoher Wahrscheinlichkeit das Aus des Gesundheitscampus bedeuten. Ein Prozess hätte einen weiteren Baustopp zu Folge, so dass kaum eine Baufirma zu halten wäre – schon gar nicht im angesetzten Kostenrahmen. „Dann wären wir in Schönheit und Rechtstreue gestorben“, so Guhl.
Trotz der verzwickten Rechtslage ist die Bauherrenvertretung für Guhl der „vergaberechtliche Königsweg“. Im Gegensatz zur Beauftragung eines ursprünglich angedachten Generalunternehmers, habe der nun gewählte Weg den Vorteil der regionalen Nähe, aber auch, dass alle Beteiligten an Bord bleiben und es zu keinen weiteren Verzögerungen durch Neuausschreibungen kommt.
Was bedeutet dies für den Zeitplan des Campus?
Sollten die Umbauarbeiten tatsächlich Ende November fortgesetzt werden können, bedeutet dies eine zeitliche Verzögerung von drei Monaten. Ein Einzug der Ärzte und medizinischen Dienstleister könne dann Mitte 2023 erfolgen – statt im ersten Quartal.
Die Obergeschosse könnten möglicherweise sogar wie geplant Anfang 2024 bezogen werden. Hier sollen das Marienhaus und die DRK-Landesschule unterkommen. „Die Mieter wurden über den aktuellen Stand informiert“, so Guhl. Gegen eine bereits angekündigte Mieterhöhung habe sich „niemand gesperrt“, gleichwohl wollen alle erst einmal abwarten. „Es sieht jetzt ganz gut aus“, fasst Guhl die aktuelle Situation zusammen.
Alles zum Gesundheitscampus. Was bisher geschah:
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