Mit einem klaren Freispruch endete das Strafverfahren gegen einen 57-jährigen Linienbusfahrer, dem die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen nach einem schweren Verkehrsunfall am frühen Morgen des 20. Oktober 2022 eine fahrlässige Tötung vorgeworfen hatte. Ein 76-jähriger Senior war auf der L154 bei Murg-Rothaus von dem Bus erfasst worden und noch an der Unfallstelle gestorben.

Tragische Umstände

Die Umstände des Unfalls waren tragisch: Das Unfallopfer, ein 76-jähriger Mann, litt unter schwerer Demenz, hatte aber einen starken Bewegungsdrang. Als seine pflegende Ehefrau im Oktober 2022 an Corona erkrankte, bezog sie im gemeinsamen Haus ein eigenes Schlafzimmer. Als der 76-Jährige am nächsten Morgen aufwachte, konnte er so unbemerkt das Haus verlassen und machte sich nur leicht bekleidet auf den Weg in Richtung Murger Ortsmitte.

Schon wenige Minuten später gingen bei der Polizei in Bad Säckingen Anrufe ein, ein offenbar verwirrter Mann spaziere halb nackt und wild gestikulierend an der Landstraße entlang. Eine Polizeistreife machte sich sofort auf den Weg nach Rothaus – aber bereits unterwegs erreichte die Beamten die Information, dass es schon zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen war.

Fußgänger wird auf der Fahrbahnmitte vom Bus erfasst

Wie der Busfahrer vor Gericht schilderte, war der Senior vom neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg auf die Fahrbahn gelaufen – direkt auf den Bus zu. „Ich bin total erschrocken, habe eine Vollbremsung eingeleitet und das Steuer ganz nach links gerissen“, so der Busfahrer. Trotzdem kam es zur Kollision in der Fahrbahnmitte.

Der 76-Jährige wurde über die Fahrbahn geschleudert und zog sich schwerste Kopfverletzungen zu. Er starb wenige Minuten später im Rettungswagen der alarmierten Helfer.

War der Busfahrer zu schnell unterwegs?

Die entscheidende Frage für das Amtsgericht Bad Säckingen war nun: War der Busfahrer fahrlässigerweise zu schnell unterwegs? Ein Sachverständigen-Gutachten bestätigte anhand des Fahrtenschreibers, dass der Busfahrer ohne Zeitverzug und mit einer Vollbremsung reagiert habe. Ein Zusammenstoß hätte folglich nur mit geringerer Geschwindigkeit verhindert werden können, so der Gutachter. Erlaubt sind an dieser Stelle 80 Kilometer pro Stunde, der Bordcomputer des Busses zeichnete eine Geschwindigkeit von 70 auf.

Dennoch beharrte die Staatsanwaltschaft darauf, der Busfahrer habe das Gebot des „Fahrens auf Sicht“ verletzt. Jeder Fahrer müsse jederzeit mit Hindernissen auf der Fahrbahn rechnen, und seine Geschwindigkeit entsprechend einrichten. Für Amtsrichterin Stefanie Hauser gilt dieses Gebot allerdings nicht unbegrenzt: „Es gibt auch einen Vertrauensgrundsatz. Man muss nicht mit allen Eventualitäten rechnen“, machte sie klar. Der 76-Jährige habe schließlich nicht rational gehandelt und sich nicht verkehrsgerecht verhalten.

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Am Ende waren sich alle Prozessbeteiligten einig, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit gegenüber dem Busfahrer nicht haltbar war. Selbst Staatsanwalt Martin Fleiner forderte einen Freispruch für den Angeklagten. Dem schloss sich Richterin Hauser an.