Es ist eine sehr kuriose Situation. Das Baurecht schreibt in Baden-Württemberg für neue Wohnbauten seit 1. Mai 2022 zwingend eine PV-Anlage vor. In Klettgau jedoch verbietet der örtliche Stromversorger manchen Kunden den Anschluss einer neuen Anlage. Der Problem: Die für den Ort zuständige EVKR (Energieversorger Klettgau-Rheintal) begründet dies mit „Netzengpässen im Versorgungsnetz“. Das führt nun dazu, dass Häuslebauer ihre bestellten Solar-Paneelen in der Garage stehen haben und sie nicht aufs Dache montieren dürfen. Ist das ein Einzelfall oder kommt das andernorts auch vor? Wir haben bei den Stadtwerken Bad Säckingen nachgefragt.

Das könnte Sie auch interessieren

Das sagen die Stadtwerke Bad Säckingen dazu

Philipp Stiegeler, Leiter Technik bei den Stadtwerken, schüttelt den Kopf. In Bad Säckingen gab es solche Fälle noch nie, sagt er: „Wir haben ein gutes Mittespannungsnetz, das tragfähig ist.“ Bei den für Einfamilienhäusern üblichen Anlagen zwischen zehn und 20 KW-Peak sieht der Technik-Chef der Stadtwerke aktuell sowieso keine Probleme. Als Netzbetreiber seien die Stadtwerke verpflichtet, solche Anschlüsse zu ermöglichen. „Der Eigentümer einer PV-Anlage hat Anspruch auf Einspeisung“, gibt Stiegeler zu bedenken. Für die Stadtwerke heißt das konkret: Der Versorger müsse durch kontinuierliche Anpassung der Netzkapazitäten solchen Engpässen vorbeugen – und vor allem, wenn es wie in diesem Jahr zu einem wahren Boom an PV-Installationen kommt.

Versorger passt Netzkapazitäten fortlaufend an

In dieser Hinsicht sei der Bad Säckinger Versorger im Rahmen der Erneuerungsstrategie fortlaufend im Einsatz, informiert Stiegeler. So würde etwa in bestimmten Straßenzüge mit nur einer Leitung vorsorglich eine zweiten verlegt. Im Zuge von Erneuerungsmaßnahme werde damit auch die Leistungskapazität erhöht.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der pro Jahr neu installierten PV-Anlagen in Bad Säckingen fast stetig angestiegen. Allein ...
In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der pro Jahr neu installierten PV-Anlagen in Bad Säckingen fast stetig angestiegen. Allein dieses Jahr waren es bis Ende Oktober 173 Anlagen. | Bild: Schönlein, Ute

Aber könnte es dennoch in Bad Säckingen irgendwo zu Problemen kommen wie in Klettgau: Im Moment sei eine Einspeisung überall gewährleistet, sagte Stiegeler, macht aber eine Einschränkung: „Wenn etwa am äußersten Zipfel von Obersäckingen eine große Ein-MW-Freiflächenanlage geplant würde, dann müssten wir dort das Netz verstärken.“ Heißt: Kritisch werde es allenfalls „am Ende von Leitungssträngen“. Allerdings würden solch große Projekte auch nicht von heute auf morgen vom Himmel fallen. Bei frühzeitiger Ankündigung und Beteiligung an der Planung hätten die Stadtwerke hier auch Zeit zur Netzsicherung. Am westlichen Stadtrand seien in den vergangenen Jahren auch große Anlagen entstanden etwa bei Grießhaber, Mercedes Kestenholz oder Geiger Textil.

Photovoltaikanlagen zwischen zehn und 20 Kilowatt Peak wie hier auf Einfamilienhäusern sind die Regel. Bei solchen Größenordnungen sehen ...
Photovoltaikanlagen zwischen zehn und 20 Kilowatt Peak wie hier auf Einfamilienhäusern sind die Regel. Bei solchen Größenordnungen sehen die Versorger meist auch keine Probleme. | Bild: Gerber, Andreas

Bisher keine Ablehnung einer PV-Anlage

Die Leistungsfähigkeit des Netzes sicherzustellen, sei im Zuge des Energiewandels quasi tägliches Geschäft, so Stiegeler. „Wir müssen die Netzberechnungen dauernd anpassen und gegebenenfalls nachrüsten“. Da sei man in Bad Säckingen auf dem Laufenden, weshalb die Ablehnung einer PV-Anlage hier auch noch nie vorgekommen sei.

Stadtwerke: Als Lösung die „Nulleinspeisung“

Im Übrigen, so Stiegeler, gebe es für einen solchen Fall ja auch die sogenannte „Nulleinspeisung“. Das bedeutet: Der Hausbesitzer rüstet sein Gebäude zwar mit einer PV-Anlage aus, speist aber keinen Strom ins öffentliche Netz ein. Dies sei möglich, wenn durch hohen Eigenverbrauch (etwa Wärmepumpen und E-Auto) sowie über ausreichend Speicherkapazitäten eine „Nulleinspeisung“ sichergestellt werden könne. In Bad Säckingen gebe es zahlreiche Häuslebesitzer, die ihren Strom gänzlich oder annähernd komplett selber verbrauchen, berichtet Stiegeler und ergänzt: „Das ist ja auch sinnvoll bei eines solchen Anlage.“ Denn der Bezugspreis pro Kilowattstunde vom Versorger sei um ein vielfaches höher als die Vergütung bei Einspeisung. Also sei Selbstverbrauch das Mittel der Wahl.

Auch kleine Balkonkraftwerke können schon helfen, Strom einzusparen. In Bad Säckingen sind mittlerweile 61 solcher Kleinanlagen am Netz.
Auch kleine Balkonkraftwerke können schon helfen, Strom einzusparen. In Bad Säckingen sind mittlerweile 61 solcher Kleinanlagen am Netz. | Bild: Obermeyer, Justus

In Klettgau ist aktuell jedoch weder die Einspeisung noch die Selbstversorgung möglich. Der Versorger begründet dies so: Eine Nulleinspeisung könne vom Versorger nicht zuverlässig überprüft werden. Wenn dann doch eingespeist werde, bestehe Gefahr für die Netzstabilität.

2023 ist ein Boom-Jahr bei PV-Anlagen in Bad Säckingen

In Bad Säckingen hat es in diesem Jahr so viele Neuinstallationen gegeben wie noch nie. Bis Ende Oktober wurden 173 neue Anlagen in Betrieb genommen. Das bedeutet ein Zuwachs an 2400 KW/Peak. Im vergangenen Jahr waren es nur 73 Anlagen, vor zehn Jahren 15 Anlagen pro Jahr. Insgesamt sind in Bad Säckingen (Stand 1.11.23) 671 PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 10.135 kW/Peak am Netz. 61 Anlagen davon sind sogenannte Balkonkraftwerke, auch diese werden immer populärer.