Meterhohes Gestrüpp, etwas Müll, ein alter, verrosteter Fahrzeuganhänger – selbst der Bauzaun um das Grundstück ist mit Unkraut an dem Grundstück fest verwachsen. Seit mehreren Jahren liegt das Baugrundstück für ein Mehrfamilienhaus in der Bad Säckinger Bergseestraße 60 völlig unberührt da. Während in der näheren Umgebung des Kurgebiets in den vergangene Jahren Dutzende neue Wohnungen entstanden sind, geht auf der baureifen Fläche oberhalb der Parkplätze von Aqualon und Rehaklinik nichts.
Es wird hier wohl auch so schnell nichts passieren. Denn die Eigentümerin, die Schweizer BG Business Group mit Sitz in Cham, ist pleite. Das beim Kanton Zug laufende Konkursverfahren wurde im Februar 2024 eingestellt. „Mangels Masse“, wie es im deutschen Insolvenzrecht heißen würde. Und zu alledem ermittelt auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen Betrugs und Untreue, wie ein Behördensprecher unserer Zeitung bestätigt. Über die geplatzte Immobilienblase und ihre mutmaßlich betrügerischen Hintergründe berichten auch das deutsche Wirtschaftsmagazin „Handelsblatt“ sowie die schweizerische „Handelszeitung“ in ihren aktuellen Ausgaben. Dort werden auch Vorwürfe gegen die Volksbank Rhein-Wehra erhoben, unter anderem, weil sie Kredite zu nachlässig vergeben haben soll.
Das Wohnprojekt an der Bergseestraße 60 sollte eigentlich längst realisiert sein – zumindest wenn es nach dem Exposé geht, mit dem Ende des vergangenen Jahrzehnts Investoren gesucht wurden. Die Vermarktung der geplanten Immobilie begann Anfang 2019. Schon im Juli meldete der Vermarkter, alle 19 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 2300 Quadratmeter seien reserviert. Angeboten wurden die Wohnung zu einem Quadratmeterpreis von 3799 Euro. Für einen der 23 Tiefgaragenplätze mussten 19.500 Euro berappt werden. Der Baubeginn war für November 2019 avisiert, die Fertigstellung für Mai 2021.
Finanzierung ohne Eigenmittel durch die Volksbank
Den Investoren wurde eine 100-Prozent-Finanzierung ohne jegliches Eigenkapital versprochen. Als Finanzierungspartner waren dazu mehrere Volksbanken mit im Boot – unter anderem auch die Bad Säckinger Volksbank Rhein-Wehra. Wie die Schweizer „Handelszeitung“ berichtet, sei die Bank aber nicht „bloß Kreditgeberin für die Schweizer Kundschaft, sondern auch für die BG Business Group beim Erwerb der Grundstücke“ tätig gewesen. Viele der privaten Investoren, die seinerzeit an ein lukratives Immobilienprojekt glaubten, stehen nun vor dem Ruin, wie die „Handelszeitung“ schreibt.
Volksbank sieht sich selbst als Opfer
Im „Handelsblatt“ berichten Geschädigte von einer „sehr einfachen Bonitätsprüfung“, die teilweise an die BG Business Group ausgelagert worden sei. Ein Anwalt spricht von „schweren Versäumnissen“ der Bank. Auf Anfrage unserer Zeitung bestreitet dies die Volksbank Rhein-Wehra: „Grundsätzlich prüft die Volksbank Rhein-Wehra Bonität und Hintergründe einer Kreditanfrage sehr intensiv. Sollte sich herausstellen, dass Informationen zurückgehalten wurden, die zu einer falschen Entscheidung geführt haben, betrachtet sich die Bank ebenfalls als geschädigt“, teilt eine Sprecherin mit. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, laufen die Ermittlungen bereits seit 2021, die Volksbank will aber im Zuge der Veröffentlichung im „Handelsblatt“ davon erfahren haben.

Kritisiert wird im Handelsblatt außerdem, dass die Volksbank Teile, teilweise sogar die gesamte Summe des genehmigten Darlehens an die BG Business Group ausgezahlt hatte, obwohl dies eigentlich erst frühestens mit Beginn der Erdarbeiten fällig gewesen sei. Auch Nachweise über einen Baufortschritt sei nicht angefordert worden, heißt es im „Handelsblatt“. Hierzu will die Volksbank Rhein-Wehra keine Fragen beantworten. „Aufgrund des laufenden Verfahrens werden wir zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Kommentare abgeben“, so die Volksbank-Sprecherin.
Personalie in neuem Licht
Vor dem Hintergrund der Vorwürfe erscheint auch der Wechsel im Vorstand der Volksbank vor zwei Wochen in neuem Licht. Überraschend hatte der Aufsichtsrat kurz vor der Vertreterversammlung den langjährigen Vorstand Martin Walz von seinen Aufgaben entbunden. „Der fragliche Vorgang fiel in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands Martin Walz, den der Aufsichtsrat im vergangenen April fristlos von seinen Aufgaben entbunden hat. Festgestellt wurden Verletzungen der Sorgfaltspflicht. Ob dieser Fall ebenfalls von diesem Verhalten betroffen ist, werden unsere internen Prüfungen ebenfalls klären müssen“, teilt die Volksbank mit. Eine Belastung des Zusammenschlusses von Gestalterbank und Volksbank Rhein-Wehra sieht die Bad Säckinger Bank hingegen nicht.
Wohin das Geld der Investoren verschwunden ist, ist unklar. Eine Anfrage beim Finanzvorstand der BG Business Group blieb am Freitag unbeantwortet. Bis die Vorgänge um die 44 süddeutschen Immobilienprojekte der BG Business Group von der Staatsanwaltschaft juristisch aufgearbeitet sind, werden wohl noch Jahre vergehen. Solange gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.