Herr Kaiser, der Bernauer Gemeinderat hat in einem offenen Brief ans Umweltministerium harsche Kritik an dem Herdenschutzkonzept der FVA geübt. Sehen die Bernauer Landwirte das ähnlich?

Die Kritik können wir voll und ganz unterschreiben.

Ihr Goldbachhof nimmt am Pilotprojekt des Herdenschutzes Südschwarzwald teil. Welche Maßnahmen zum Herdenschutz werden in der auf vier Jahre angelegten Testphase erprobt?

Das Konzept, das sich an Betriebe mit Rindern in Baden-Württemberg richtet, sieht unter anderem die sogenannte kompakte Herdenführung vor. Dabei ist es Aufgabe des Landwirtes, seine Herde so zu trainieren, dass sie sich dem angreifenden Wolf als kompakte Einheit präsentiert und so eine gewisse Abschreckung erzeugt. Zu diesem Zweck sollen wehrhafte Altrinder in die Herde integriert werden. Die Altrinder sollen bis zu zehn Prozent der Herde ausmachen. Wahlweise können Herdenschutzhunde eingesetzt werden. Für Kälber bis acht Wochen soll ein Herdenschutzzaun errichtet werden.

Was erweist sich an den Maßnahmen als problematisch?

Dass wir es im wirklichen Leben nicht mit einer kompakten Herde zu tun haben. Tiere kalben ab und werden dann während einiger Wochen in den Stall gebracht, sie verlassen die Herde somit. Andererseits wird Jungvieh aus dem Stall auf die Weide überführt. Wieder andere Tiere werden geschlachtet. Mit der Kompaktheit wird es durch die Veränderungen schwierig.

Sie sind seit rund einem halben Jahr Teil des Pilotprojekts. Können Sie schon Schlüsse ziehen?

Ja. Trotz der kompakten Herdenführung hatten wir im Jahr 2023 zwei Wolfsrisse. Von einem Erfolg der Maßnahme kann man da nicht sprechen.

Gibt es weitere Empfehlungen?

Die FVA empfiehlt Herdenschutzzäune. Die bringen aber erhebliche Probleme mit sich, weil die einzuzäunende Fläche zu 100 Prozent geschlossen sein muss.

Welche Probleme schafft das?

Die Weideflächen werden derzeit von Landwirten, Wanderern, der Forstwirtschaft und der Jägerschaft genutzt. Da wir Landwirte hochwertige naturgeschützte Flächen bewirtschaften, hat unsere Arbeit auch für den Naturschutz Bedeutung. Das Miteinander der beteiligten Interessengruppen war bisher unproblematisch. Zentral für den Erhalt dieses Zusammenspiels ist aber die Beweidung der Flächen. Die Zäune würden das Ende dieses erfolgreichen Zusammenspiels bedeuten.

In welcher Weise stören die Zäune?

Herdenschutzzäune bleiben, anders als die bisherigen Weidezäune, für Wanderer verschlossen und für Wildtiere nur schwer passierbar. Für die Forstleute ist die Holzernte über die freie Fläche dann ebenfalls unmöglich. Wanderwege führen teils über Weideflächen und machen einen besonderen Reiz der Touren aus, der mit den Zäunen verloren geht. Außerdem verursachen Bau und Unterhalt der Zäune enorme Kosten.

Wie hoch sind die?

Wir sprechen da von Kosten für einen Laufmeter Zaun von 30 bis 40 Euro. Würde ich meine gesamten Weideflächen umzäunen, würde mich das rund 1,2 Millionen Euro kosten. Nur 30.000 Euro pro Betrieb und Jahr sind förderfähig. Und was die Wolfsabwehr betrifft: Wären meine Weiden umzäunt, die Weiden meiner Nachbarn aber nicht, würden Wölfe auf die nächste, nicht umzäunte Weide ausweichen. Sinnvoll wäre nur die Umzäunung einer landwirtschaftlichen Gesamtfläche. Würde das umgesetzt, kämen enorme Kosten auf die Gesellschaft zu.

Kosten welcher Größenordnung?

Wenn alle Betriebe im Gebiet des Naturparks Südschwarzwald Förderung für ihre Herdenschutzzäune stellen würde, kämen da dreistellige Millionenbeträge zusammen. Wie lange kann es eine Gesellschaft sich leisten, für den Wolf, eine Tierart, die nicht vom Aussterben bedroht ist, jährlich wiederkehrende Millionensummen dieser Höhe zu investieren?

Hat es versicherungstechnische Konsequenzen, wenn ein Landwirt den Herdenschutz nicht umsetzt?

Im Moment noch nicht, wenn der Landwirt die aktuell geltenden Vorschriften einhält.

Welche Maßnahmen würden Sie als Landwirt für einen funktionierenden Herdenschutz empfehlen?

Aus meiner Sicht macht bei Haltung auf der Weide nur die Entnahme oder Vergrämung von übergriffigen Wölfen Sinn. Denkbar wäre auch, einen solchen Wolf in ein Wildgehege umzusiedeln. Ich bin aber der Meinung, dass man das Problem nur gesamteuropäisch und länderübergreifend lösen kann. Einerseits sollten Gebiete ausgewiesen werden, in denen Wölfe unbehelligt leben können, weil sie dort keinen Schaden anrichten, etwa weil die Gegend dünn besiedelt sind. Andere Gebiete sollten für Wölfe tabu sein.

Fragen: Susanne Filz